
Kreuzband gerissen, wie erkennen, wie behandeln?
Patienten mit dickem Knie und fraglichem Trauma gehören zum Praxisalltag. Finden Sie bei der manuellen Untersuchung eine tanzende Patella, sitzt der Erguss intraartikulär und eine Bursitis scheidet als Ursache schon mal aus. Weitere wichtige Hinweise liefert die Gelenkpunktion. Aber bitte nicht von unten hineinstechen, denn dann treffen Sie den Hoffa’schen Fettkörper, warnte Professor Dr. Klaus Fritsch von der Praxisgemeinschaft für orthopädische Chirurgie in Bayreuth auf dem 34. Internationalen Kongress für Allgemeinmedizin „Practica“. Stattdessen empfiehlt der Kollege den kranialen Zugang unter dem Rand des M. vastus lateralis (tasten!) in den Recessus suprapatellaris.
Ein blutiger Erguss nach einem Trauma spricht klar für eine Kreuzbandruptur (80 %). Ist das Punktat eher himbeerfarben, d.h. blutig-serös, hat der Patient wahrscheinlich Meniskusprobleme. In die gleiche Richtung deutet ein seröser Erguss, sofern keine chronische Gelenkerkrankung vorliegt. Fettaugen im blutigen Erguss sprechen laut Lehrbuch für eine knöcherne Verletzung. Unsinn, meint Prof. Fritsch, wahrscheinlich wurde beim Trauma nur der Hoffa’sche Fettkörper gequetscht.
Oft verrät auch schon die Reaktion des Patienten, was passiert ist: Ein Kreuzbandriss tut kaum weh, während ein Riss im Innenband oder Innenmeniskus heftige Schmerzen verursacht.
Klinische Bänderprüfung sicherer als Kernspin
Und lassen Sie sich bloß nicht vom Kernspin ins Bockshorn jagen! Beim frischen Kreuzbandriss bescheinigt die Untersuchung regelmäßig eine subtotale Ruptur, warnte Prof. Fritsch. Viel sicherer ist die Bänderdiagnostik – allen voran der sog. Lachman-Test (vordere Schublade in 27- statt 90-Grad-Stellung). Den Kernspin braucht man allerdings schon, um Begleitverletzungen (Meniskus, bone bruise) auszuschließen.
Die Therapie erfolgt normalerweise konservativ: Spazierengehen im Nichtschwimmerbecken, sobald es geht, aufs Rad. Patienten mit ausgeprägter Einblutung in den Knochen (bone bruise) müssen das Bein zwei bis drei Wochen lang „teilentlasten“. Risikosportler (Fuß-, Hand-, Basketball, aggressive Skifahrer) werden sofort operiert – aber nicht etwa, um eine Arthrose zu verhindern, sondern wegen drohender Zweitverletzungen. Bei Tennisspielern richtet sich die Entscheidung über das weitere Vorgehen nach dem Befund. Eine Operation empfiehlt Prof. Fritsch auch bei chronisch instabilem Kniegelenk und wenn zusätzlich Meniskus-, Knorpel- oder Innenbandschäden vorliegen. Auch Kinder werden operativ behandelt, z.B. wenn der bei ihnen häufig vorkommende, knöcherne Ausriss dazu zwingt.
Künstliche Bänder sind keine Option
Als Ersatz des vorderen Kreuzbands verwendet man nach wie vor Semitendinosus- bzw. Gracilissehne, Rezidivpatienten baut der orthopädische Chirurg ein Drittel der Patellarsehne ins Knie. Künstliche Bänder haben sich dagegen bisher nicht bewährt, und Ligamente von Verstorbenen bergen das Risiko einer HIV-Infektion, die oft erst spät erkannt wird.
Nach dem Eingriff ist das Bein eigentlich belastungsstabil – eine Woche sollte der Patient mit Krücken gehen und zwölf Wochen lang darf er kein Krafttraining machen. Um die volle Streckfähigkeit wieder zu erreichen, sollte ein Rezept für Krankengymnastik ausreichen. Ein Brace gibt’s nur für kritische Situationen, etwa wenn im Wetterbericht Glatteis angekündigt wird.
Einen Wermutstropfen gibt es aber noch: Das Reruptur-Risiko liegt bei 2 % pro Jahr – das gilt allerdings auch für die gesunde Gegenseite. Fußballspieler müssen also in zehn Jahren zu 20 % mit erneuten Kreuzbandrissen rechnen. Und die Arthrosegefahr ist auch nicht zu verachten: Mit und ohne Kreuzband-Op. weisen 74 % der 38-jährigen Ballkünstler entsprechende Röntgenzeichen auf (normal 5 %).
Hinteres Kreuzband nicht übersehen!
Rupturen des hinteren Kreuzbands sind seltener als die des vorderen, Auslöser sind meist Unfälle mit Motorrad oder Mountainbike (traumatische hintere Schublade). Eine hintere Kreuzbandruptur wird gern übersehen oder verwechselt: Deshalb bei positiver vorderer und/oder hinterer Schublade den Gravity-Test machen – der Schwerkraft folgend hängt die kranke Seite durch. Innen- und Außenbänder müssen i.d.R. nicht operiert werden, sie heilen in der funktionellen Schiene (komplett freigegebene Streckung und Beugung).
Nach Totalruptur muss die Schiene sechs Wochen lang auch nachts (leicht gelockert) getragen werden – unter Thromboseprophylaxe. Bei Teilrissen reicht die Anwendung bei Belastung. Der Patient muss wissen, dass selbst Teilrupturen sechs bis acht Wochen lang schmerzhaft sein können. Sind vorderes Kreuzband und Innenband lädiert, ist die Op. dem konservativen Vorgehen überlegen.
Wie viel Hygiene bei der Gelenk-Punktion?
Mindestens 30 Sekunden Händedesinfektion für Arzt und Helferin und eine Minute großflächige Hautdesinfektion für das Punktionsgebiet müssen sein. Aufs Lochtuch dagegen verzichtet Prof. Fritsch, schließlich können Bakterien nicht springen. Und er braucht auch keine lange Nadel – 1,5 cm reichen, außer bei ganz Dicken. Rasiert wird ebenfalls nicht, es sei denn, der Patient trägt „Zöpfchen am Knie“. Die Gesichtsmaske für den Doktor gehört dagegen zum Standard, denn falls etwas passiert, würde sich der Patient bestimmt an ihr Fehlen erinnern. Aus Sicherheitsgründen sollte man Punktionskandidaten auch schriftlich aufklären, entsprechende Bögen gibt es im Internet unter: http://www.perimed.de; www.procompliance.de
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).