Hinteres Kreuzband gerissen? Welche Tests Ihnen diagnostisch weiterhelfen

Dr. Dorothea Ranft

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Verletzungen des hinteren Kreuzbandes gehen nicht immer mit eindeutigen Symptomen einher. Sie werden daher leicht übersehen. Bei unzureichender Therapie drohen jedoch Folgeschäden vom Meniskus-Riss bis zur Arthrose. Unfallchirurgen erläutern, wie Sie versteckten Bandläsionen auf die Spur kommen, wann eine konservative Therapie genügt und wann operiert werden sollte.

Läsionen des hinteren Kreuzbandes (HKB) finden sich überwiegend bei jüngeren Männern. In einer skandinavischen Registerstudie lag das Durchschnittsalter bei 33 Jahren; in zwei Drittel der Fälle war noch mindestens ein weiteres Ligament verletzt. Ohne adäquate Therapie muss man mit Folgeschäden rechnen, insbesondere einer Gonarthrose, deren Risiko sich innerhalb von zwölf Jahren versechsfacht.

Patellafraktur geht oft mit Kreuzbandläsion einher

Nach Sportverletzungen sind Verkehrsunfälle die zweithäufigste Ursache für HKB-Läsionen, schreiben Dr. Karl-Friedrich Schüttler und Kollegen von der Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Marburg. Zur HKB-Ruptur kommt es, wenn eine nach posterior gerichtete Kraft bei flektiertem Kniegelenk im Bereich der distalen Patella bzw. proximalen Tibia auftrifft. In Kontaktsportarten geschieht dies meist durch direkten Anprall, bei Unfällen durch Kollision mit dem Armaturenbrett (dashboard injury).

Ein wichtiges Verdachtsmoment für HKB-Läsionen liefern Patella-frakturen. Als weitere klinische Hinweise gelten Kontusionsmarken über der proximalen Tibia sowie Hämatome und Schmerzen im Bereich der Kniekehle. Patienten mit isolierter HKB-Ruptur klagen nur selten über eine Instabilität, falls doch, sollte man nach weiteren Bandverletzungen fahnden.

Hintere Schublade gibt ersten Hinweis

Die Diagnostik fußt primär auf einer gezielten Anamnese (Verletzungsmechanismus?) und der körperlichen Untersuchung. Eine entscheidende Bedeutung hat dabei die Prüfung der hinteren Schublade (s. Link) bei 90° gebeugtem Kniegelenk und fixiertem Fuß. Dieser Test wird üblicherweise kombiniert mit dem Tibial-step-off-Test (s. Kasten und Abb.). Beide Verfahren zusammen ermöglichen eine sensitive und zugleich spezifische Dia­gnose von HKB-Läsionen. Die wichtigste Fehlerquelle besteht darin, dass die posteriore Subluxation der Tibia bei HKB-Ruptur einen positiven Lachman-Test (s. Link) vortäuscht und damit eine Verletzung des vorderen Kreuzbands.

Tibial-step-off-Test

Durch ventrales Auflegen der Hand kann der Arzt die Stellung der Tibia zum Femur im Seitenvergleich beurteilen. Bei intaktem HKB steht die Tibia vor dem Femur und lässt sich nicht hinter den Femur schieben. Bei einer HKB-Verletzung sinkt die Tibia hinter den Femur, was zu einer Überstreckung der Fingergelenke der aufgelegten Hand führt.

Fotos: Archiv

Ein besonderes Augenmerk gilt der Prüfung weiterer Bandläsionen – insbesondere wenn der Patient über ein Instabilitätsgefühl berichtet. Für laterale Begleitläsionen sprechen eine vermehrte Außenrotation im Dial-Test (s. Link) und eine verstärk­te laterale Aufklappbarkeit unter Varus-Stress. Entsprechend deutet eine gesteigerte mediale Aufklappbarkeit auf mediale Bandläsionen hin. Zu beachten ist, dass eine Verletzung posteromedialer Strukturen auch zu einer vermehrten Außenrotation führen kann.

MRT deckt Schäden von Menisci und Knorpel auf

In der bildgebenden Diagnostik steht das konventionelle Röntgen nach wie vor an erster Stelle. Frakturlinien an der tibialen Eminentia intercondylaris im a.-p. Strahlengang weisen auf knöcherne Avulsionsverletzungen hin. MRT-Aufnahmen dienen bei der akuten HKB-Verletzung vor allem der Einschätzung von Begleitschäden an Menisken und Knorpel. Röntgen-Stressaufnahmen in vorderer und hinterer Schublade werden bei chronischen HKB-Schäden ebenso eingesetzt wie zur Kontrolle der konservativen Therapie bei akuter Ruptur. Sie erlauben zudem eine Aussage über den Schweregrad der Verletzung. Zwar ist das optimale therapeutische Vorgehen nach Angaben der Autoren noch in der Diskussion, aber i.d.R. werden Patienten mit akuter isolierter HKB-Ruptur konservativ behandelt. Bei korrekter Indikation lässt sich eine gute Gelenkfunktion mit suffizienter Stabilität erreichen. Allerdings muss der Therapieerfolg kontrolliert werden, um das Fortbestehen einer höhergradigen Bandinsuffizienz mit entsprechender Arthrosegefahr auszuschließen.

Nach der Op. mindestens 12 Wochen Orthesentherapie

Die operative Behandlung wird vor allem bei Kombinationsverletzungen empfohlen. Dabei sollten so viele Restfasern des nativen Kreuzbandes erhalten bleiben wie möglich, denn diese verbessern die Stabilität. Ungeklärt ist bisher, ob eine HKB-Plastik mit Rekonstruktion beider Sehnenbündel der Single-Bundle-Technik überlegen ist. Selbst die „doppelte“ Plas­tik erreicht nicht die Festigkeit des natürlichen Kreuzbands. Nach einer Operation des HKB muss der Patient ebenso wie unter konservativer Therapie sechs Wochen lang eine immobilisierende Orthese tragen. Diese schiebt die Tibia aus der hinteren Schublade nach vorn und fixiert sie dort. Anschließend trägt der Patient weitere sechs Wochen eine dynamische HKB-Rahmenorthese, die einen langsamen Bewegungsaufbau erlaubt. Eine Anspannung der Kniegelenkflexoren soll der Patient ebenso unterlassen wie Rotationsbewegungen. Nach zwölf Wochen und positiver Erfolgskontrolle wird die Orthese abtrainiert.

Quelle: Aus der Fachliteratur
Schüttler KF et al. Unfallchirurg 2017; 120: 55-68

Den Lachman- und Dial-Test sowie weitere wegweisende Tests finden Sie als Video unter: www.thestudentphysicaltherapist.com/knee.html

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