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Leitlinien zu Diabetes-Problemen bei Schwangeren
Im Jahr 2010 hatten fast 24 000 Mütter in Deutschland bei der Entbindung einen Gestationsdiabetes – Tendenz steigend. Vor allem mit Ernährungs- und Sporttherapie lasse sich dem gegensteuern, heißt es in der aktuellen Leitlinie zum Schwangerschaftsdiabetes.
Die meisten Gestationsdiabetikerinnen sind übergewichtig und bewegen sich eher wenig. Der klassische Schwangerschaftsdiabetes sei daher bei einer Großzahl der Patientinnen als eine Art „Prä-Typ-2- Diabetes“ zu sehen, schreiben die Leitlinien-Autoren der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG)*.
Übergewicht in der Schwangerschaft - ein häufiges Problem
Ein Gestationsdiabetes hat unmittelbare Folgen für Mutter und Kind. Das Risiko für Infektionen, Präeklampsie und Frühgeburten ist erhöht. Makrosomien, Schnitt- entbindungen und Schulterdystokien kommen häufiger vor. Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes werden im Anschluss häufig zu Typ-2- Diabetikerinnen: In einer prospektiven deutschen Studie lag das Diabetesrisiko in den acht Jahren nach der Entbindung bei über 50 %. Auch ist das Wiederholungsrisiko in einer erneuten Schwangerschaft mit 35 bis 50 % hoch.
Generelles Screening wird empfohlen
Typische Folge beim Kind sind Makrosomie mit vermehrter Adipogenese, die sich vor allem in einem vergrößerten Bauchumfang zeigt, sowie postnatale Hypoglykämien. Der Nachwuchs trägt zudem durch die Prägung im Mutterleib ein erhöhtes Risiko, später selbst übergewichtig oder adipös zu werden, einen Diabetes und ein metabolisches Syndrom zu entwickeln.
In der Leitlinie wird ein generelles Screening von Schwangeren empfohlen. Denn bei Beschränkung der Blutglukose-Diagnostik auf Frauen mit Risikofaktoren wie Übergewicht, höheres Alter oder Gestationsdiabetes in der Anamnese würden etwa 40 % der Schwangerschaftsdiabetikerinnen nicht erkannt.
Den Schwangerschaftsdiabetes mit einem Suchtest aufspüren
Als Goldstandard für die Diagnose gilt ein oraler Glukose-Toleranztest (oGTT) mit 75 g Glukose. Als Screening für die Praxis ist er jedoch sehr aufwendig. Der Nüchternblutzucker ist aber wenig spezifisch, die Gelegenheits-Blutglukosemessung zu wenig sensitiv. Auch Harnzucker-, HbA1c- und Fructosamin-Messungen sind ungeeignet. Empfohlen wird ein 50-g-Glukose-Suchtest, bei dem die Schwangere 50 g Glukose aufgelöst in 200 ml Wasser trinkt – unabhängig von Uhrzeit oder vorheriger Nahrungsaufnahme. Ein Wert von ≥ 140 mg/dl im venösen Plasma eine Stunde nach dem Trinken gilt als positives Testergebnis und erfordert einen anschließenden oGTT.
Neue Grenzwerte für die Diabetes-Diagnose Die Testung auf Gestationsdiabetes sollte in der 24. bis 28. Schwangerschaftswoche erfolgen. Vorher ist bei Erstvorstellung der Schwangeren schon ein präexistenter manifester Diabetes auszuschließen.
Im oGTT sind die Grenzwerte für die Diagnose von einem internationalen Komitee aufgrund der großen HAPO-(Hyperglycaemia and Adverse Pregnancy Outcome-)Studie kürzlich neu festgelegt worden; sie liegen nun bei 92 mg/dl nüchtern, 180 mg/dl nach einer Stunde und 153 mg/dl nach zwei Stunden. Diese Werte entsprechen laut HAPO-Studie einem um rund 75 % erhöhten Risiko für Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen. Da das Risiko kontinuierlich mit steigenden Glukosewerten der Schwangeren steigt und kein klarer Cut-off existiert, hat die Expertengruppe diesen Kompromiss vorgeschlagen.
Ganz wichtig für die Schwangere: Nicht so viel zunehmen!
In der Behandlung geht es vor allem auch darum, dass die Schwangeren ihr Körpergewicht unter Kontrolle bekommen. „Neben den erhöhten Blutglukosewerten ist das Gewicht der Mutter der entscheidende Risikofaktor für das Kind“, erläuterte Privatdozent Dr. Michael Hummel vom Institut für Diabetesforschung im Helmholtz Zentrum München kürzlich auf der DDG-Herbsttagung in Berlin. Dabei helfen nach seiner Auskunft „in 90 % der Fälle einfache Veränderungen des Lebensstils, Ernährungs- und Bewegungstherapie“. Radeln und Walken gut fürs Baby im Bauch Empfohlen werden Sportarten wie Walking, Aerobic, Radfahren oder Schwimmen.
Regelmäßig Blutzucker kontrollieren
In einer großen Studie mit über 75 000 Schwangeren konnten Frauen, die sich mindestens dreimal wöchentlich für mindestens eine halbe Stunde bewegten, das Risiko für ein makrosomes Kind um etwa das 13-Fache reduzieren, berichtete Dr. Hummel.
Ein wichtiger Aspekt in der Betreuung von Schwangerschaftsdiabetikerinnen ist die regelmäßige Blutzucker-Selbstkontrolle. Damit lässt sich den Frauen auch die Auswirkung von richtiger Ernährung und regelmäßiger Bewegung gut veranschaulichen, betonte der Experte. Einstellungsziele sind eine Nüchtern-Plasmaglukose zwischen 65 und 95 mg/dl, eine Stunde postprandial unter 140 mg/dl und zwei Stunden nach dem Essen unter 120 mg/dl. Die Schwangeren sollten von Diabetologen mit betreut werden, heißt es in den Empfehlungen.
Individuelle Ernährungsberatung hilft bei der Gewichtskontrolle
In einer individuellen Ernährungsberatung, die auf Essgewohnheiten, Tagesrhythmus und soziokulturellen Status Rücksicht nimmt, sollen die Frauen über gesunde Ernährung informiert werden. Empfohlen wird eine Nährstoff-Zusammensetzung von 40 bis 50 % Kohlenhydraten, 20 % Protein und 30 bis 35 % Fett. Die Kost sollte zudem ballaststoffreich (mindestens 30 g/Tag) sein und einen niedrigen Glykämischen Index aufweisen.
Die Kohlenhydrate sollten auf drei nicht zu große Haupt- und zwei bis drei Zwischenmahlzeiten aufgeteilt werden, um ausgeprägte postprandiale Blutzuckerspitzen zu vermeiden. Gerade zum Frühstück sind wenig Kohlenhydrate empfehlenswert, da hier der Blutglukoseanstieg in der Regel am höchsten ist. Eine moderate Kalorienrestriktion in der Schwangerschaft ist erlaubt, eine zu starke Begrenzung der Energiezufuhr sollte allerdings vermieden werden, damit es nicht zu einer Hungerketose kommt.
Wenn Umstellung des Lebensstils nicht reicht, rasch zum Insulin greifen
Gelingt es mit Änderungen des Lebensstils nicht, die Zielwerte zu erreichen, ist relativ rasch eine Insulintherapie indiziert. Doch sollte dazu auch der Bauchumfang des Feten im Ultraschall bestimmt werden – er lässt Rückschlüsse auf die fetalen Insulinspiegel und das Makrosomie-Risiko zu. Humaninsulin ist erste Wahl, die kurz wirkenden Analoga Insulin aspart oder lispro sind möglich, wenn die Ziele mit Humaninsulin nicht erreicht werden.
Lang wirkende Analoga sollten dagegen laut Leitlinie in der Schwangerschaft nicht eingesetzt werden. Vom Einsatz oraler Antidiabetika wie Glibenclamid oder Metformin bei Schwangeren rät die Leitlinie ab – die Erfahrungen damit seien noch zu gering. In Einzelfällen könne bei unbefriedigender Blutzuckereinstellung und ausgeprägter Insulinresistenz ein Therapieversuch mit Metformin angezeigt sein. Alle anderen Antidiabetika sollten den Schwangeren nicht gegeben werden.
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