Lungenembolie: Jede siebte CT-Angio ist unnötig

Manuela Arand

Bei hohem Risiko sollte gleich die Bildgebung erfolgen, in der Regel eine CT-Angiographie. Bei hohem Risiko sollte gleich die Bildgebung erfolgen, in der Regel eine CT-Angiographie. © wikipedia/James Heilman, MD

Der Verdacht auf akute Lungenembolie fordert umgehendes Handeln. Das bedeutet aber nicht, dass alle Patienten zur CT oder auf die Intensivstation müssen. Ein Kollege gibt Tipps zum Management.

Bitte folgen Sie bei der Diagnose von Patienten mit Verdacht auf akute Lungenembolie den Leitlinien “, betonte Professor Dr. David Jiménez, Chef der Pneumologie am Hospital Ramón y Cajal in Madrid. Er zitierte eine Studie, die zeigt, wie wichtig das korrekte Vorgehen ist: Von 529 Patienten, bei denen keine adäquate Diagnostik erfolgte, starben innerhalb eines Vierteljahres 29, aber nur drei von 418, die korrekt gemanagt wurden. Auch tödliche und nicht-tödliche Embolien traten in der nicht ordnungsgemäß diagnostizierten Gruppe signifikant häufiger auf.

Eine gute Diagnostik bei Lungenembolieverdacht ist kein Kunststück: Zuerst gilt es, anhand der Klinik die Wahrscheinlichkeit abzuschätzen, dass eine Embolie vorliegt. Bei hohem Risiko sollte gleich die Bildgebung erfolgen, in der Regel eine CT-Angiographie. Besteht ein niedriges bis intermediäres Risiko, sind im nächs­ten Schritt die D-Dimere fällig. Ein Messergebnis über dem altersadjustierten Grenzwert bedeutet, dass eine Bildgebung erfolgen muss, eines unter dem Grenzwert schließt die Lungen­embolie aus.

Neuer Algorithmus hilft bei der Entscheidung

„Klinische Wahrscheinlichkeit und D-Dimere helfen, die Ergebnisse der CT-Angio zu interpretieren“, so Dr. Jiménez:

  • So sinkt der negative prädiktive Wert des unauffälligen CT-Angiogramms bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit.
  • Wer unter dem altersadjustierten Grenzwert der D-Dimere liegt, hat ein verschwindend geringes Risiko, ohne Antikoagulation eine thromboembolische Komplikation zu entwickeln.

Die Grenzen der CT-Angio

Warum nicht jeden Patienten zur CT-Angiographie schicken? Prof. Jiménez führte drei Argumente an:
  1. Die Technik ist nicht überall verfügbar und relativ kostspielig.
  2. Es kommen Komplikationen vor, wenn auch nicht sehr häufig – kontrastmittelinduzierte Nephropathien zum Beispiel.
  3. Die Strahlenbelastung darf nicht vernachlässigt werden, auch wenn moderne CT mit weniger Strahlung auskommen.

Kürzlich wurde ein Algorithmus für den Weg zur CT-Angiographie entwickelt, berichtete der Kollege. Er fragt ab, ob klinische Zeichen einer tiefen Venenthrombose vorliegen, der Patient Blut hustet und die Ärzte eine Lungenembolie für die wahrscheinlichste Diagnose halten. Weist der Patient einen oder mehrere dieser Faktoren auf und liegen die D-Dimere über 500 ng/ml, erscheint die Bildgebung indiziert. Sind alle genannten Parameter negativ, begründet ein D-Dimer-Wert über 1000 ng/ml die Indikation zur CT-Angio. „Mit dieser Strategie können wir rund 15 % der CT bei LE-Verdacht einsparen.“

Individuelles Risiko mit klinischem Score einschätzen

Um das individuelle Risiko des Patienten sowie die Möglichkeit zur frühen Entlassung oder gar ambulanten Therapie abzuschätzen, sind klinische Scores besser geeignet als Biomarker oder apparative Untersuchungen, erklärte Dr. Jiménez. Ein gutes Beispiel sei der simplified Pulmonary Embolism Severity Index (sPESI). In ihn gehen Alter, Vorerkrankungen (onkologisch, kardial, pulmonal), Blutdruck, Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung ein. Patienten mit stabiler Hämodynamik und negativem sPESI zählen zur Niedrigrisikokategorie, und wenn sie dann noch keines der HESTIA-Kriterien erfüllen (s. Kasten), steht einer ambulanten Therapie wenig im Wege. Low-Risk-Patienten mit positivem HESTIA-Resultat können die Klinik meist nach wenigen Tagen verlassen.

Ambulant oder stationär?

Elf Fragen, die sich an den Einschlusskriterien der HESTIA-Studie orientieren, helfen bei der Entscheidung, ob ein Patient mit Lungenembolie (weiter) in der Klinik behandelt werden muss.
  • Ist der Patient hämodynamisch instabil?
  • Ist eine Thrombolyse oder Embolektomie notwendig?
  • Blutet der Patient oder besteht ein hohes Blutungsrisiko?
  • Hat er länger als 24 Stunden Sauerstoff benötigt, um die Sauerstoffsättigung über 90 % zu halten?
  • Ereignete sich die Lungenembolie unter Therapie mit Antikoagulanzien?
  • Erfordern starke Schmerzen i.v. Analgetika über mehr als 24 Stunden?
  • Sprechen medizinische oder soziale Gründe für eine stationäre Therapie (Infektion, Malignität, keine Unterstützung)?
  • Liegt die Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min?
  • Hat der Patient einen schweren Leberschaden?
  • Ist die Patientin schwanger?
  • Hatte der Patient schon einmal eine heparininduzierte Thrombozyto­penie?

NOAK so effektiv wie Cumarine, aber risikoärmer

Für die allermeisten stabilen Patienten ist die orale Antikoagulation mit einem Faktor-Xa- oder einem Thrombininhibitor die Therapie der Wahl. Inzwischen liegt eine Meta­analyse vor, welche die Überlegenheit der nicht-Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulanzien (NOAK) belegt. Sie beugen weiteren thromboembolischen Komplikationen mindestens so effektiv vor wie Cumarine, reduzieren aber das Blutungsrisiko erheblich.„Stellen Sie sich das mal umgekehrt vor: Wir hätten NOAK seit 50 Jahren und nun kämen Vitamin-K-Antagonisten, die genauso wirksam sind, aber das Risiko für schwere und intrakranielle Blutungen verdoppeln – wie viele von uns würden empfehlen, auf VKA zu wechseln?“, meinte Dr. Jiménez.

Quelle: Kongressbericht ERS* International Congress 2018

* European Respiratory Society

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Bei hohem Risiko sollte gleich die Bildgebung erfolgen, in der Regel eine CT-Angiographie. Bei hohem Risiko sollte gleich die Bildgebung erfolgen, in der Regel eine CT-Angiographie. © wikipedia/James Heilman, MD
Diesen Patienten hat es gleich doppelt getroffen. Diesen Patienten hat es gleich doppelt getroffen. © wikipedia/James Heilman, MD