„Manche mögen’s heiß“ gilt auch für Viren und Vektoren

Tobias Stolzenberg

Ein Stich der Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus) löst in Deutschland keine Tropenkrankheiten aus – noch nicht. Aber die Erreger sind bereits im Anmarsch. Ein Stich der Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus) löst in Deutschland keine Tropenkrankheiten aus – noch nicht. Aber die Erreger sind bereits im Anmarsch. © ArturSniezhyn - stock.adobe.com

Die Klimakrise bringt nicht nur Hitzewellen, sondern auch Tropenkrankheiten nach Europa. In einer neuen Folge von O-Ton Innere Medizin diskutieren zwei Experten, welche Gefahren drohen und wie sich die Ärzteschaft vorbereiten sollte.

Weltweit stellt die Klimakrise Ärztinnen und Ärzte vor ganz neue Herausforderungen. Hitzewellen und Extremwetterereignisse, die sich zunehmend auch in Mitteleuropa bemerkbar machen, zwingen in vielen Bereichen zum Umdenken, so auch in der Medizin. Prof. Dr. Frank Lammert von der Medizinischen Hochschule Hannover und Sprecher der AG Klima und Gesundheit der DGIM* sowie Prof. Dr. Dr. Sören Becker, Experte für Tropenkrankheiten an der Universität des Saarlandes in Homburg, diskutieren im Podcast O-Ton Innere Medizin über drängende medizinische Folgen der Klimaveränderungen.

„Die Klimakrise ist in der Gesundheits- und Krankenversorgung angekommen“, betont Prof. Lammert zu Beginn. „Sie ist spürbar, und wir sehen die ganz vielfältigen Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheitssysteme, auf Praxen, Kliniken, Krankenhäuser.“

Den Folgen etwa der Hitze versuche man mit entsprechenden Schutz- und Aktionsplänen zu begegnen. Beim Bau und Betrieb von Kliniken und Arztpraxen müsse konsequent auf Hitzeschutz gesetzt werden, fordert Prof. Lammert.

Neben den direkten Hitzefolgen wie Dehydratation oder Hitzschläge bereitet insbesondere die weltweit zunehmende Ausbreitung tropischer Infektionskrankheiten Sorgen. In Deutschland sind es derzeit vor allem die Asiatische Tigermücke und die Hyalomma-Zecke, die man als Krankheitsüberträger im Blick haben muss, beschreibt es Prof. Becker. Die Mücke kann das Dengue- und das Chikungunyavirus übertragen, die Zecken gelten als Vektoren für Viren, die das Krim-Kongo-Fieber auslösen.

Keine autochthonen Fälle von Krim-Kongo-Fieber

Dabei ist der Nachweis der Vektoren keinesfalls gleichbedeutend mit dem Auftreten der Infektionen, gibt Prof. Becker vorsichtig Entwarnung. Noch sei es in Deutschland zu keinen autochthonen Fällen von Dengue-, Chikungunya- oder Krim-Kongo-Fieber gekommen, auch dort nicht, wo die Tigermücke fest etabliert ist oder wo die Hyalomma-Zecke vorkommt.

Doch dürfe man sich nicht in falscher Sicherheit wiegen: Nur wenige hundert Kilometer entfernt, am Gardasee, komme es immer wieder zu saisonalen Ausbrüchen etwa des Chikungunyafiebers. Und aus Spanien oder Bulgarien werden Jahr für Jahr vereinzelte Infektionen mit dem Krim-Kongo-Virus gemeldet.

Panik oder übertriebene Angst vor den Erregern sind also keineswegs angebracht, macht Prof. Becker deutlich. Aber differenzialdiagnostisch gilt es, solche Krankheiten heute schon zu berücksichtigen – auch wenn man im Studium gelernt hat, dass man diese sogenannten Tropenkrankheiten außer nach einer Afrika- oder Asienreise getrost vernachlässigen kann.

Auch die Schistosomiasis breitet sich in Europa wieder zusehends aus, berichtet der Infektionsmediziner. So habe es schon vor einigen Jahren bei Reisenden, die in einem bestimmten Fluss auf Korsika gebadet hatten, vermehrt Infektionen mit dem Wurm gegeben.

Eigentlich ist die Krankheit in Südeuropa ein alter Bekannter, beschreibt Prof. Becker. „Bis in die 1980er-Jahre gab es sie auch in Portugal oder anderen wärmeren Gebieten, in denen die entsprechenden Süßwasserbedingungen gegeben waren.“ Ihre Ausbreitung ist also nicht einseitig den Klimaveränderungen zuzuordnen. „Aber natürlich spielen auch da Temperaturerhöhungen eine wichtige Rolle.“

Für Furore hat in den vergangenen Jahren Candida auris gesorgt. Einer Hypothese zufolge konnte die vormals harmlose Hefe ihr humanpathogenes Potenzial erst im Zuge der Klimaerwärmung entwickeln, wie Prof. Becker im Podcast beschreibt. Vor allem in den USA und Lateinamerika hat der Pilz bereits zu gefährlichen Übertragungen in Krankenhäusern und größeren Ausbrüchen geführt. „In Deutschland ist er zum Glück noch sehr selten. Aber auch hier gibt es Infektionsfälle und Ausbrüche in einzelnen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen.“

* Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin

Medical-Tribune-Bericht

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Ein Stich der Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus) löst in Deutschland keine Tropenkrankheiten aus – noch nicht. Aber die Erreger sind bereits im Anmarsch. Ein Stich der Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus) löst in Deutschland keine Tropenkrankheiten aus – noch nicht. Aber die Erreger sind bereits im Anmarsch. © ArturSniezhyn - stock.adobe.com