Masern: Ziel Ausrottung klar verfehlt

Dr. med. Anja Braunwarth, Foto: thinkstock

Die WHO will bis zum Jahr 2015 die Masern europaweit ausrotten. Deutschland scheint davon weit entfernt. Die Zahl der Erkrankungsfälle ist um das Zehnfache angestiegen.

Im Jahr 2012 sah alles noch ganz gut aus: Dem Robert Koch-Institut (RKI) wurden 165 Masernfälle gemeldet. Doch 2013 schnellten die Meldungen in die Höhe – bis zum 31. Oktober wurden bereits 1721 Fälle registriert. Das entspricht einer Inzidenz von 21 Fällen pro Million Einwohner. Der Schwerpunkt lag in Berlin und Oberbayern. Als Indikator für das Ziel der WHO gilt eine Zahl von weniger als einem Fall pro Million Einwohner.

Wer soll sich impfen lassen?

Die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) zur Masern-Impfung (in Kombination mit der Vakzine gegen Mumps und Röteln) lauten:

  • alle Kinder im Alter zwischen 11 und 14 Monaten
  • Auffrischung im Alter zwischen 15 und 23 Monaten
  • alle Erwachsenen, die nach 1970 geboren wurden und keine oder nur eine Impfung in der Kindheit hatten bzw. bei denen der Impfstatus unklar ist

In Berlin wurde diese Empfehlung auch auf Menschen, die vor 1970 geboren wurden, ausgeweitet.

Ähnliche „Ausrutscher“ ließen sich hierzulande auch 2006 und 2011 beobachten. Mit diesen wiederkehrenden Ausbrüchen befindet sich Deutschland hinsichtlich der Ausrottung in der sogenannten Präeliminationsphase ohne erkennbare Besserungstendenz.

Viele Eltern warten zu lange mit der Impfung

Die höchste altersspezifische Inzidenz fand sich wie in den Vorjahren bei Kindern im ersten Lebensjahr und Einjährigen.


Das RKI nennt dafür mehrere Gründe. Zum einen kann erst ab dem 11. Monat geimpft werden und viele Eltern warten sogar noch länger damit.


Da gleichzeitig der Nestschutz durch die Mütter abnimmt (keine eigene Immunität, nachlassender natürlicher Boostereffekt), sind die Kinder bis zur ersten Impfung nur unzureichend mit Antikörpern versorgt.

Subakute Panenzephalitis bisher weit unterschätzt

Gerade bei Säuglingen ist aber die Gefahr von Komplikationen einer Maserninfektion besonders hoch. Inzwischen geht man auch von einer sehr viel höheren Inzidenz der sub­akuten sklerosierenden Panenzephalitits (SSPE) aus als früher (1 : 1000 bis 1 : 5000 Masern-Erkrankungen). Die zeitgerechte Impfung der Kinder sowie die Nachholimpfungen ungeschützter junger Erwachsener ist daher essenziell.


Insgesamt wurden bis Oktober 2013 bei 4,8 % der Patienten Masernkomplikationen (Pneumonie, Otitis media, Enzephalitis) gemeldet. Von den unter 2-Jährigen mussten zirka 30 %, von den 25- bis 39-Jährigen etwa 52 % stationär behandelt werden.

Masern-Erkrankungen auch im höheren Alter möglich

Ein hoher Anteil der Masern-Erkrankungen betraf im vergangenen Jahr auch Jugendliche und junge Erwachsene und rund jeder zehnte Patient war mindestens 40 Jahre alt. Da die Infektion als Kinderkrankheit gilt, wird sie in höherem Lebensalter oft spät erkannt, dadurch lassen sich Infektionsketten schlechter unterbrechen.


Die ersten Häufungen im Jahr 2013 standen vermutlich in Zusammenhang mit einer internationalen Messe in Berlin, genotypisch dominierte erstmals „D8-Frankfurt-am-Main“. Aus den epidemiologischen Daten ergibt sich eine Übertragungskette von bisher 37 Wochen, was die Etablierung einer endemischen Zirkulation (> 12 Monate) befürchten lässt.


85 % aller Betroffenen mit bekanntem Impfstatus waren ungeimpft, 73 % nur einmal. Laut RKI sind also die Ausbrüche vor allem auf die große Zahl ungeschützter Menschen zurückzuführen.

Elimination erfordert Impfquoten > 95 %

Nach Erhebungen aus verschiedenen Bundesländern liegen die Impfquoten in Schulen (6.–10. Klasse) zwischen 91,6 und 94,8 %. Für eine Elimination der Masern wäre aber eine dauerhafte Immunität bei mindestens 95 % der Bevölkerung nötig. Die Gründe für verpasste Impfungen sind vielfältig.


Echte Ablehnung ließ sich in einer Umfrage nur bei etwa 1 % der Eltern ermitteln, aber 35 % hegten Vorbehalte gegen einzelne Vakzinen. Das RKI hofft, diese Menschen mit Kommunikationsmethoden vom Nutzen der Immunisierung überzeugen zu können, und setzt dabei auch auf die Mithilfe von niedergelassenen Ärzten und Praxismitarbeitern.


Quelle: Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 48/2013

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