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Medikamente über die Ernährungssonde geben – das ist dabei zu beachten

In der Ernährungsmedizin gilt der Grundsatz: „If the gut works, use it“ (auf Deutsch: Wenn der Darm funktioniert, dann nutze ihn auch). Dieses Prinzip lässt sich auf die Darreichungsform von Arzneimitteln per Sonden übertragen, erklärt Apotheker Dr. Markus Messerli von der Pharmaceutical Care Research Group der Universität Basel. Man nutzt also, wenn vorhanden, orale Formulierungen. Aber das muss nicht die klassische Tablette sein: Setzen Sie z.B. den Wirkstoff als Saft oder Suspension ein. Auch Brausetabletten, aufgelöst in 50–100 ml Flüssigkeit, bieten eine Möglichkeit. Sie alle rutschen wesentlich einfacher durch den Schlauch als noch so liebevoll zermörserte Pillen.
Polyurethansonden sind dünner als Silikonprodukte
Das gilt umso mehr bei dünnen Sonden – wobei es auf den Innendurchmesser ankommt, der logischerweise geringer ist als der meist angegebene Außendurchmesser. Die Wände von Polyurethansonden sind dünner als die von Silikonvarianten. PVC-Sonden stellen aufgrund der enthaltenen Weichmacher und damit verbundenen Folgekomplikationen wie Drucknekrosen nur eine kurzfristige Option dar.
Keine Medikamente durch ein Lumen unter 4 mm jagen
Über den Daumen gepeilt lässt sich sagen, dass der innere Durchmesser um 0,7–1 mm geringer ist als der äußere. Und falls der Hersteller nur Charrière als Maßeinheit für die Dicke angibt: 1 Ch = 0,33 mm. Sonden mit einem inneren Lumen von weniger als 12 Ch, also ca. 4 mm, eignen sich nicht für die Gabe von Medikamenten, egal in welcher Form. Derartige Sonden liegen im Allgemeinen bei Säuglingen und Kleinkindern.
Auch wenn es das Mittel nur in fester Form gibt, benötigt man nicht unbedingt einen Mörser, schreibt der Fachmann. Prüfen Sie zuerst, ob eine Tablette innerhalb von 15 min im Wasser zerfällt. Falls das funktioniert, können Sie die Pille einfach in einer 20-ml-Spritze auflösen und durch die Sonde applizieren.
Kapseln lassen sich meist einfach öffnen und der Inhalt lösen. Jedoch hat der Hersteller sich beim Verkapseln etwas gedacht. Soll dies nur einen suboptimalen Geschmack überdecken, lässt sich der aufgelöste Inhalt problemlos verwenden. Verändert sich aber die Resorption, ist Vorsicht angezeigt. Bei Dabigatran etwa steigt die Bioverfügbarkeit um bis zu 75 %, wenn die Kapsel wegfällt – die Blutung ist dann schon fast programmiert. In diesem Fall müssen Sie zu einem alternativen Wirkstoff greifen, z.B. Edoxaban.
Fallen all diese Möglichkeiten weg, müssen Sie die Tablette tatsächlich zerkleinern. Das geschieht am besten mit einem sogenannten Pill Crusher. Er verhindert, dass Teile des Medikaments sich quasi in Luft auflösen, also zerstäuben. Das würde zum einen die Dosis, die der Kranke erhält, verringern, zum anderen ist der Staub nicht unbedenklich. Filmtabletten können Sie meist pulverisieren. Achten Sie jedoch darauf, dass Filmrückstände nicht in das Pulver gelangen, aufquellen und potenziell die Sonde verstopfen. Ähnliches gilt für Dragees. Cave: Zerkleinern verbietet sich bei Retard-Tabletten (s. Teil 1 der Serie) und bei MUPS (Multi Unit Pellet Systems). Letztere müssen Sie in Wasser suspendieren.
Davor, währenddessen und danach mit Wasser spülen
Grundsätzlich sollte zwischen Nahrungs- und Medikamentengabe 1–2 h Abstand liegen. Vor, zwischen und nach der Verabreichung wird mit Wasser gespült. So vermeiden Sie, dass die Sonde verstopft. Dafür eignet sich frisches Leitungswasser mit Zimmertemperatur oder – z.B. bei Immunsupprimierten – abgekochtes Wasser bzw. physiologische Kochsalzlösung. Mit Tee, Fruchtsäften und allem Kohlensäurehaltigen klappt es nicht: Die Flüssigkeiten können Blähungen verursachen und die Säure fällt möglicherweise Arzneimittel oder Hilfsstoffe aus.
Auch wenn Sie geklärt haben, welche Medikamente Ihr Patient in welcher Form über die Sonde erhalten kann, die Gabe braucht seine Zeit. Dafür sind geschulte Kräfte notwendig. Informieren Sie also die Leitung des Pflegedienstes, damit sie das im Zeitplan berücksichtigt. Ansonsten können Sie früher oder später mit Komplikationen rechnen (s. Kasten), weil beispielsweise Tabletten nicht lange genug aufgelöst wurden oder das Spülen der Sonde nach jeder einzelnen und nach der letzten Medikamentengabe weggelassen wird, um Zeit zu sparen.
Vier Eskalations-Schritte bei verstopfter Sonde
- vor Beginn 20–50 ml
- nach jedem einzelnen Medikament 10–15 ml
- zum Schluss 20–50 ml
- dazu das Volumen, in dem das Arzneimittel gelöst wurde (jeweils zwischen 10–100 ml)
1. Messerli M. Swiss Med Forum 2019; 19: 637-641; DOI: https://doi.org/10.4414/smf.2019.08348
2. Messerli M. A.a.O: 669-675; DOI: https://doi.org/10.4414/smf.2019.08349
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