Mit antiviraler Therapie so krank wie ohne

Dr. Elke Ruchalla

Risikogruppen müssen neu definiert werden. Risikogruppen müssen neu definiert werden. © Andrey Popov - stock.adobe.com

Ungeimpfte mit hohem Risiko für einen COVID-19-Verlauf profitieren von einer antiviralen Therapie mit Nirmatrelvir/Ritonavir. Bei den übrigen Erkrankten scheint die Kombinationstherapie jedoch nichts zu bringen

Bei Ungeimpften mit hohem Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf senkt die Kombination Nirmatrelvir plus Ritonavir die Gefahr für stationäre Einweisungen oder Tod um fast die Hälfte. So lautete das Ergebnis der 2022 publizierten EPIC-HR-Studie. Um herauszufinden, wie das Präparat bei Geimpften oder Personen ohne Risikofaktoren wirkt, starteten Dr. Jennifer Hammond vom Pharmaunternehmen Pfizer in Collegeville und Kollegen eine Folgestudie.

In ihre Untersuchung schlossen die Forscher 1.288 Patienten mit einer im Labor gesicherten SARS-CoV-2-Infektion ein. Die Patienten waren entweder vollständig geimpft bei mindestens einem Risikofaktor für einen schweren Verlauf oder seit zwölf Monaten und länger ungeimpft und ohne bekannte Risikofaktoren. Die Wissenschaftler wiesen die Erkrankten innerhalb von fünf Tagen nach Symptombeginn randomisiert einer von zwei Behandlungsgruppen zu. Teilnehmer der Gruppe 1 erhielt eine Kombination aus 300 mg Nirmatrelvir und 100 mg Ritonavir, Gruppe 2 bekam Placebo – jeweils alle zwölf Stunden über fünf Tage.

Geschmacksstörungen und Durchfälle unter dem Verumpräparat

Während der Einnahme mussten die Patienten Tagebuch über den Schweregrad von vorab festgelegten Symptomen führen. Zu diesen gehörten unter anderem Husten, Schnupfen, Kurzatmigkeit, Fiebergefühl und Kopfschmerzen. 

Im Zuge der Auswertung stellten die Forscher fest, dass es bis zum anhaltenden Abklingen der Beschwerden in den beiden Gruppen ähnlich lang gedauert hatte: 12 Tage unter Nirmatrelvir/Ritonavir und 13 Tage unter Placebo. Auch Nebenwirkungen traten gleichermaßen bei etwa jedem Vierten auf. Dabei klagten die Patienten unter dem Verum-Präparat vor allem über Geschmacksstörungen und Durchfälle.

Warum nach den positiven Effekten, die die Wirkstoffkombination in EPIC-HR gezeigt hatte, nun dieses ernüchternde Ergebnis? Dieser Frage gehen Prof. Dr. Rajesh Gandhi und Prof. Dr.  Martin Hirsch vom Massachusetts General Hospital Boston in ihrem Kommentar nach.

Es könnte unter anderem daran liegen, dass die aktuell behandelte Gruppe deutlich weniger Risikofaktoren für schwere Verläufe aufwies. So waren etwa Personen ab 65 Jahre, Immunkompromittierte und Teilnehmer mit schweren Herz-Lungen-Erkrankungen deutlich unterrepräsentiert. Generell müsse angesichts der inzwischen breiten Immunität der Bevölkerung reevaluiert werden, welche Patienten am stärksten gefährdet sind.

Solange keine weiteren Daten zur Verfügung stehen, sollte die Tablettenkombination Hochrisikogruppen vorbehalten bleiben. Weitere Untersuchungen zur optimalen Behandlungsdauer und zu potenziellen Vorteilen von Mono- oder Kombinationstherapien sind dringend nötig. Außerdem muss die Follow-up-Dauer verlängert werden, um Zusammenhänge zwischen Akuttherapien und der Entstehung von Long COVID aufzuzeigen.

Quellen:

1. Hammond J et al. N Engl J Med 2024; 390: 1186-1195; DOI: 10.1056/NEJMoa2309003
2. Gandhi RT, Hirsch M. N Engl J Med 2024; 390: 1234-1236; DOI: 10.1056/NEJMe2402224

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