Mit Beckenbodentraining die Inkontinenz beherrschen

Maria Weiß, Foto: fotolia, animaflora

Durch Lebensstiländerungen und konservative Therapien bessert sich bei vielen Frauen eine Belastungsinkontinenz deutlich. Medikamente spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Eher kommt es darauf an, den eigenen Beckenboden zu spüren und zu stärken – auch mithilfe moderner Geräte.

An erster Stelle sollte man mit betroffenen Frauen über die Möglichkeiten einer Lebensstiländerung sprechen, sagte Professor Dr. Daniela Schultz-Lampel vom Kontinenzzentrum Südwest des Schwarzwald-Baar-Klinikums in Villingen-Schwenningen. Dies gilt vor allem für übergewichtige Frauen, bei denen eine Gewichtsreduktion um 5 bis 10 % die Zahl der Inkontinenzepisoden bereits halbieren kann.

Auch Rauchstopp, ausgewogene Ernährung und ein angepasstes Trinkverhalten kann man den Damen ans Herz legen. Zusätzliche Inkontinenz-Mittel wie Pessare oder spezielle Tampons haben sich vor allem bei situativem Einsatz z.B. beim Sport bewährt.

Beckenbodentraining für Therapie entscheidend

Als zentraler Punkt der konservativen Therapie gilt das Beckenbodentraining. Hier geht es mit einem Wahrnehmungs-Training zuerst darum, die Beckenbodenmuskeln überhaupt zu spüren und zu beherrschen, in einem zweiten Schritt wird die Muskulatur dann gekräftigt. Durch eine Verhaltensmodifikation können die Frauen dann lernen, den Beckenboden vor Belastungen wie Husten, Niesen oder Heben willkürlich anzuspannen und so das Malheur zu verhindern. Bei jüngeren Frauen zwischen 40 und 50 Jahren scheint der Effekt noch größer zu sein als bei älteren.

Zu Beginn des Trainings sollten die Patientinnen eine kompetente individuelle Anleitung von einem erfahrenen Physiotherapeuten erhalten – eine Broschüre auf die Hand reicht nicht aus, betonte die Expertin. Biofeedback mit visueller oder akustischer Rückmeldung der Beckenbodenkontraktion sei zusätzlich „nice to have“. Eine Überlegenheit gegenüber dem Beckenbodentraining ohne Überwachung wurde aber bisher nicht gezeigt.

Elektrostimulation und Magnetstuhl helfen beim Training

Auch verschiedene Gerätschaften können zur Stärkung des Beckenbodens genutzt werden. Die nicht invasive Elektrostimulation führt zu passiven Kontraktionen der Muskulatur und kann bei der Wahrnehmung der Beckenbodenkontraktion helfen. Vor allem bei zusätzlicher Drangkomponente der Inkontinenz hat sich das Verfahren bewährt. Die Möglichkeit des Heimtrainings erleichtert die Anwendung.

Ein Magnetstuhl mit hochenergetischem Magnetfeld kann die Beckenbodenwahrnehmung verbessern. Bei 20 Minuten „Sitzzeit“ zweimal wöchentlich über 10 bis 12 Wochen konnte in einer Studie bei 88 % der Teilnehmer eine Besserung und bei 42 % eine Heilung gezeigt werden. Ein Drittel gab allerdings vorher auf – meist wegen der relativ hohen Kosten oder der langen Anfahrtswege. Auch hier sind die Erfolge am besten, wenn zusätzlich ein „normales Beckenbodentraining“ durchgeführt wird, betonte die Kollegin.

SNRI-Behandlung enttäuscht Erwartungen

Das Training auf einer Vibrationsplatte schult die Wahrnehmung der Muskulatur und kann auch zusammen mit dem klassischen Beckenbodentraining zum Erfolg führen. Magnetstuhl und Vibrationstraining sind vor allem dann geeignet, wenn ein schneller Therapieerfolg gewünscht wird.

Nicht ganz die Erwartungen erfüllt hat die medikamentöse Behandlung mit dem Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Duloxetin: Die Inkontinenz wird nicht geheilt, die Erfolgsrate bei der Reduktion von Belastungs- und Dranginkontinenzepisoden liegt bei 37 %. Aufgrund der hohen Nebenwirkungsrate von 71 % muss das Medikament auf jeden Fall einschleichend dosiert werden. Zwei Drittel der Frauen brechen die Behandlung wieder ab, erklärte Prof. Schultz-Lampel.

Muskelstraffungs-OP als letzte Option

In den aktuellen Leitlinien** zur Belastungsinkontinenz der Frau wird Duloxetin für Patientinnen empfohlen, die eine „vorübergehende Verbesserung der Inkontinenzbeschwerden anstreben“. Eine lokale Östrogenisierung mit Estriol kann bei bis zu 70 % der Betroffenen Harndrangbeschwerden und Infektionsrate – jedoch nicht die Belastungsinkontinenz an sich – verbessern.

Fruchtet die konservative Therapie nicht, besteht immer noch die Möglichkeit eines operativen Eingriffs. Vor allem Frauen über 55 Jahre, mit höherer Schulbildung, höherem Inkontinenzgrad und stärkerer Beeinträchtigung landen dann doch häufig irgendwann auf dem Op.-Tisch, berichtete die Kollegin. Von einem vorausgegangenen Beckenbodentraining würden aber auch diese Patientinnen profitieren.

*Deutsche Gesellschaft für Urologie
**www.awmf.org

Quelle: 67. Kongress der DGU, Hamburg, September 2015

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