Mit der Seuche allein im fremden Land

Manuela Arand

Aus Angst vor Ausgrenzung und Repression suchen Aids-Kranke mit Migrationshintergrund oft sehr spät erst Hilfe. Für eine gute Behandlung verrinnt dann die Zeit.

Die Diagnose „HIV-positiv“ bedeutet für jeden einen Schock. Besonders hart aber trifft sie Menschen „mit Migrationshintergrund“, wie es auf Politikerdeutsch heißt. Ängste und Sprachprobleme sind Hauptgründe dafür, dass viele Betroffene lange warten, bevor sie medizinische und soziale Hilfe suchen. Nicht selten ist die Krankheit dann schon voll ausgebrochen.

„Den“ Migranten gibt es nicht und natürlich auch nicht „den“ HIV-infizierten Migranten. Die Betroffenen unterscheiden sich erheblich hinsichtlich ihres kulturellen Hintergrunds und ihres Verständnisses für die Krankheit. Das macht die Arbeit für Mediziner oft schwierig: Wie erklärt man einem Menschen, dass es wichtig ist, die antiviralen Medikamente regelmäßig und zuverlässig einzunehmen, wenn in seinem Weltbild so etwas wie ein Virus überhaupt nicht vorkommt? Wie macht man jemandem klar, dass er die Medikamente braucht, damit er nicht krank wird, wenn in seiner Vorstellung Medizin Heilen bedeutet und nicht Vorbeugen?

Angst blockiert die medizinische Behandlung

Die HIV-Therapie stellt hohe Anforderungen an die Patienten: Sie müssen mindestens 95 Prozent der Tabletten einnehmen, und zwar zum richtigen Zeitpunkt und unter Einhaltung bestimmter Vorschriften, damit die Medikamente optimal wirken und die Viren keine Resistenzen entwickeln. „Sie können noch so hoch entwickelte Hightechmedizin betreiben – und Aids-Therapie ist Hightechmedizin. Aber all das nutzt nichts, wenn der Mensch, um den es geht, nicht versteht, was er tun soll und warum“, sagt Privatdozent Dr. Keikawus Arastèh, Direktor der Klinik für Innere Medizin, Infektiologie/Gastroenterologie, am Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum in Berlin. „Wenn der Arzt als gottgleiches Wesen zum Patienten spricht, kommt nichts dabei heraus.“ Und das größte Problem stellt die tief sitzende Angst der Betroffenen dar. Viele haben in ihrem Heimatland Mediziner und Krankenhäuser als verlängerten Arm des Staates erlebt. Aus Angst vor Repressionen, Verfolgung und Abschiebung zögern sie den Besuch beim Arzt oder in der Klinik auch in Deutschland hinaus, bis sie schwer krank sind.

Schlimmer noch: Vor Aids versagen auch die Systeme, die Kranke ausländischer Herkunft sonst auffangen, nämlich die eigenen Landsleute und manchmal sogar die eigene Familie. „Aids kann für diese Menschen der soziale Tod sein“, sagt der Experte. Die Angst, dass die eigenen Leute von der Infektion erfahren, ist oft größer als die vor dem Staat. Das erschwert die Behandlung. „In einem Krankenzimmer, in dem ein Mensch einfach nur Angst hat, kann man kein Gespräch darüber führen, wann welche Tabletten wie zu nehmen sind“, so Dr. Arastèh. „Erst muss das Angstlevel auf ein Niveau gesenkt werden, auf dem das Gehirn wieder funktioniert, dann kann man sich dem Problem der Behandlung nähern.“

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