Mit Epilepsiepatientinnen früh über Kinderwunsch sprechen

Dr. Katharina Arnheim

Sprechen Sie mit Epilepsiepatientinnen frühzeitig über einen möglichen Kinderwunsch. Sprechen Sie mit Epilepsiepatientinnen frühzeitig über einen möglichen Kinderwunsch. © Pixabay

Sprechen Sie mit Epilepsiepatientinnen frühzeitig über einen möglichen Kinderwunsch. Denn für jede Umstellung der antikonvulsiven Therapie sollte man mindestens ein Jahr einkalkulieren. Von einer Umstellung der Medikation während der Schwangerschaft raten Epileptologen aber ab.

Nach intrauteriner Exposition gegenüber einer antikonvulsiven Monotherapie ist das Risiko für große Fehlbildungen um das Zwei- bis Dreifache erhöht. Mit der Zahl eingenommener Substanzen steigt das Risiko weiter an, informiert Professor Dr. Bettina Schmitz von der Klinik für Neurologie des Vivantes Humboldt-Klinikums in Berlin.


Um die substanzspezifischen Risiken alter und neuer Antiepileptika besser einschätzen zu können, wurden in den letzten Jahren mehrere Schwangerschaftsregister, darunter das EURAP, initiiert. In diesem 1999 gestarteten europäischen Register werden inzwischen über 6400 abgeschlossene Schwangerschaften prospektiv erfasst. Für dieses Jahr steht die erste Auswertung des EURAP in puncto substanzspezifische Risiken an.

Hohe Rate normaler Schwangerschaften

Bisherigen Daten zufolge liegt die Fehlbildungsrate insgesamt bei knapp 6 %. Unter einer Monotherapie ist sie mit 5,3 % etwas niedriger als bei Polytherapie mit 7,7 %. Ganz wichtig wertet Prof. Schmitz die hohe Rate normaler Schwangerschaften von 94,3 %. Sie weist darauf hin, dass es sich nicht bei jeder großen Fehlbildung gleich um einen Neuralrohrdefekt handelt.


Definitionsgemäß fällt unter diesen Begriff jede operativ zu behandelnde Anomalie, beispielweise auch eine Leistenhernie. Grundsätzlich nimmt nicht nur die Rate, sondern auch die Schwere der Fehlbildungen bei Polytherapie zu. Die Daten des britischen und des US-Registers ebenso wie die Meldungen deutscher Zentren an das EURAP zeigen übereinstimmend, dass die Fehlbildungsraten unter Valproat erhöht sind, während sie unter Lamotrigin und Carbamazepin vergleichbar niedrig sind.

Ersteinstellung auf Valproat wegen erhöhter Fehlbildungsraten vermeiden

Zudem geht aus einer Metaanalyse von sieben Kohortenstudien hervor, dass Kinder, die intrauterin Kontakt mit Valproat hatten, einen niedrigeren Intelligenzquotienten haben als Kontrollen (84 vs. 102). Prof. Schmitz betont jedoch, dass dieser Effekt ebenso wie die übrigen teratogenen Wirkungen von Valproat dosisabhängig sind: Ein ungünstiger Effekt auf die Intelligenz wurde nur in der Hochdosisgruppe von 1000 mg Valproat und mehr registriert.

Diese Daten haben die Deutsche Gesellschaft für Epileptologie (DGfE) dazu veranlasst, Empfehlungen zum Einsatz von Valproat für Frauen im gebärfähigen Alter zu erarbeiten: Valproat wird bei Patientinnen mit fokalen Epilepsien als Reservepräparat betrachtet, dessen Einsatz nur bei Resistenz gegenüber Antikonvulsiva der ersten und zweiten Wahl zu erwägen ist. Allerdings ist eine Umstellung bei unter Valproat anfallsfreien Patientinnen laut DGfE-Leitlinie kritisch zu prüfen.

Nutzen-Risiko-Abwägung bei idiopathisch generalisierten Epilepsien etwas anders

Schwieriger ist die Situation bei idiopathisch generalisierten Epilepsien, bei denen sich Valproat als hoch wirksames Medikament bewährt hat. Doch auch hier spricht sich die DGfE dafür aus, eine Ersteinstellung auf Valproat möglichst zu vermeiden. Nur wenn die klinische Notwendigkeit einer raschen und zuverlässigen Anfallskontrolle besteht und gleichzeitig ein sicherer Empfängnisschutz gegeben ist, kann man bei gut aufgeklärten Patientinnen ausnahmsweise von dieser Empfehlung abweichen.„Grundsätzlich gilt also: Nicht mit Valproat anfangen“, betont Prof. Schmitz.


Bei Frauen, die unter Valproat anfallsfrei sind und schwanger werden möchten, sollte man Absetzprognose des Epilepsiesyndroms, erforderliche Valproat-Dosis, psychosoziale Konsequenzen eines Anfallsrezidivs sowie die Dringlichkeit des Schwangerschaftswunsches sorgfältig abwägen. Therapeutische Alternativen sollten mit der Patientin, aber auch mit ihrem Partner, detailliert und mehrfach besprochen werden.

Kinderwunsch unter Valproat: Was gilt es bei der Umstellung zu beachten?

Möglich ist beispielsweise die Reduktion der Valproat-Dosis unter 1000 mg/Tag bzw. bis zur Anfallsschwelle oder eine Umstellung auf Lamotrigin, die allerdings aufgrund der geringeren Potenz im Vergleich zu Valproat vor allem bei juvenilen myoklonischen Epilepsien mit einem hohen Anfallsrisiko assoziiert ist. Zudem sind bei Lamotrigin, dessen Clearance in der Schwangerschaft aufgrund einer forcierten Glukoronidierung um im Mittel 250 % ansteigt, engmaschige Kontrollen des Serumspiegels notwendig. „Das bedeutet in der Praxis einen ganz erheblichen Monitoring-Aufwand“, so Prof. Schmitz.


Beim Switch zu Levetiracetam gibt sie zu bedenken, dass diese Substanz für die Monotherapie idiopathischer generalisierter Epilepsien nicht zugelassen ist. Inwieweit Spiegelkontrollen auch bei Levetiracetam und Oxcarbazepin erforderlich sind, ist noch unklar. Bei vielen anderen Substanzen, z.B. Topiramat, sind die Daten zur Teratogenität bislang ungenügend.

In der Umstellungsphase auf zuverlässige Kontrazeption achten

Da für jeden Switch mindestens ein Jahr einkalkuliert werden muss, ist in dieser Phase eine zuverlässige Kontrazeption unverzichtbar. Wegen der langen Dauer der Umstellung sollte man mit Patientinnen frühzeitig über Pläne zur Familiengründung sprechen und nicht erst dann, wenn der Kinderwunsch bereits sehr präsent ist, empfiehlt Prof. Schmitz.


Bei anfallsfreien Patientinnen sollte die Medikation während der Schwangerschaft nicht umgestellt werden. „Dieses Vorgehen ist mit großen Strapazen verbunden und geht häufig schief. Vielfach kehrt man schließlich doch zur ursprünglichen Therapie zurück“, so die Erfahrung der Neurologin.  

Prinzipiell spricht laut Prof. Schmitz nichts dagegen, dass Frauen mit Epilepsie und antiepileptischer Medikation schwanger werden. Für wichtig erachtet sie jedoch eine enge Kooperation zwischen dem betreuenden Neurologen und dem Gynäkologen. Zusätzliche Beratung bieten epileptologische Schwerpunktpraxen und Epilepsieambulanzen an.


EURAP: European Registry of Antiepileptic Drugs in Pregnancy

Empfehlungen zum Einsatz von Valproat bei jungen Frauen


•    so niedrig wie möglich dosieren
•    Retardpräparate einsetzen, um hohe, mit der teratogenen Wirkung assoziierte Spitzenspiegel zu vermeiden
•    Kombinationen, insbesondere Valproat plus Lamotrigin (> 10%iges Fehlbildungsrisiko), vermeiden
•    hoch dosierte Folsäure-Prophylaxe (4 bis 5 mg/Tag) vor der Konzeption und im ersten Trimenon
•    Schwangerschaften unter Valproat als Risikoschwangerschaften ab der 13. Woche durch Sonographie-Feinuntersuchungen überwachen
•    bei Umstellungswunsch: Aufklärung über Risiken und Dauer

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