Mit gezielten Therapien haben Erkrankte die Chance auf eine bessere Prognose

Josef Gulden

Sequenztherapien können bei Pankreastumoren, bei welchen eine Resistenz vorliegt, sehr von Vorteil sein. Sequenztherapien können bei Pankreastumoren, bei welchen eine Resistenz vorliegt, sehr von Vorteil sein. © Jo Panuwat D – stock.adobe.com

Pankreastumoren weisen teilweise Mutationen auf, für die es mittlerweile bei anderen Entitäten eine Auswahl von wirksamen Medikamenten gibt. Anhand von zwei Kasuistiken aus Deutschland und den USA demonstrierten Kolleg:innen, wie man dabei selbst in metastasierten Stadien lange Überlebenszeiten erreichen kann. Liegt eine Resistenz vor, können Sequenztherapien sehr attraktiv sein.

Das Team um Dr. ­Theresa ­Reutter, Uniklinik Köln, berichtete über eine Patientin, die 2017 im Alter von 55 Jahren die Diagnose Pankreaskarzinom mit Metastasen in Leber und Lymphknoten erhielt.1 Sie wurde in mehreren Therapielinien – Fluorouracil/Irinotecan/Oxaliplatin, Gemcitabin/Erlotinib, liposomales Irinotecan/Fluorouracil sowie Gemcitabin/liposomales Paclitaxel – behandelt, bis sich der Zustand im August 2020 innerhalb von Wochen stark verschlechterte und die Kolleg:innen eine Progression feststellten. 

Mittels Next Generation Sequencing hatten sie neben anderen Mutationen eine Fusion des ROS1- mit dem SLC4A4-Gen gefunden. Da für die Therapie des NSCLC mit ROS1-Rearrangements mehrere TKI zugelassen sind, wurde eine Off-Label-Behandlung mit Crizotinib begonnen, unter der sich binnen Tagen Symptome und Allgemeinzustand deutlich verbesserten. Nach zwei Monaten war in Kernspin- und Computertomografie die gesamte Läsionslast um 43 % reduziert, was einer partiellen Remission entsprach.

Die Gatekeeper-Mutation

Parallel war nach 67 Tagen das Genfusionsprodukt aus der Liquid Biopsy verschwunden und tauchte erst nach etwa zwölf Monaten im Kontext einer klinischen Progression wieder auf. Allerdings fand sich hier nun die Gatekeeper-Mutation p.L2026M, die eine Resistenz gegenüber Crizotinib vermittelt, sowie eine c-MYC-Amplifikation, deren klinische Bedeutung unklar ist. Auf Basis dieser Befunde stellten die Forschenden die Therapie auf Lorlatinib um, woraufhin sich wiederum Symptome und Tumorlast rasch reduzierten. Das pathogene Fusionsprodukt war im Blut wieder nicht mehr nachweisbar, und ein Jahr nach Beginn erhält die Patientin nach wie vor Lorlatinib.

Abseits vom NSCLC ist die Behandlung mit gegen ROS1-Mutationen gerichteten Substanzen noch experimentell, so die Autor:innen, aber der vorliegende Fall legt nahe, dass sich die Ergebnisse von der Lunge auf andere Tumorentitäten übertragen lassen. Der Nachweis pathogener Mutationen im Blut als prognostischer und möglicherweise sogar prädiktiver Faktor wird derzeit bei vielen Krebsarten untersucht; im Falle des Pankreaskarzinoms korreliert er mit dem krankheitsfreien Überleben, und das Wiederauftauchen nach zeitweiligem Verschwinden könnte einer radiologischen Progression vorausgehen. 

Wirkung der HER2-Therapien ist wahrscheinlich

Das polypragmatische Vorgehen im zweiten Fall erschwert eine Zuschreibung des Therapieerfolgs zu bestimmten Medikamenten. Die Autor:innen erzeugten aber aus dem Tumorgewebe Organoide und entsprechende Experimente deuten auf eine Wirkung von HER2-gerichteten Therapien und der Vakzine hin. Bezüglich der Immuncheckpoint-Blockade steht ein abskopaler Effekt durch die zuvor gegebene Bestrahlung zur Diskussion, für den es beim kolorektalen und Pankreaskarzinom Hinweise gibt.

Der vorliegende Fall ist laut der Wissenschaftler:innen der erste, in dem sich eine Sequenztherapie mit gegen ROS1-Fusionen gerichteten Substanzen beim Adenokarzinom des Pankreas als wirksam erwiesen hat. Er unterstreicht die Bedeutung einer breiten molekularen Testung auch für Tumorentitäten, für die entsprechende Substanzen noch nicht formal etabliert sind.

In einer zweiten Kasuistik beschreiben Prof. Dr. Dr. Daniel A. ­King, Northwell Health Cancer Institute, Lake Success, und Kolleg:innen den Fall einer 58-jährigen Patientin.2 Nach einem Anstieg der CA-125-Titer detektierten die Forschenden große Tumormassen in beiden Ovarien und im Pankreas sowie mindestens zwei Leberfiliae. Nach Hysterektomie, bilateraler Salpingo-Oophorektomie und infragastrischer Omentektomie verblieben ein nicht-resezierbarer Tumor im distalen Pankreaskörper sowie Metastasen in Leber und Zwerchfell. Die Histologie der entfernten Geschwulste belegte die Herkunft aus einem Pankreaskarzinom. Im Rahmen einer Phase-1/2-Studie gingen unter Gemcitabin, proteingebundenem Paclitaxel und Indoximod, einem Inhibitor der Indolamin-2,3-Dioxygenase, die ­CA19-9-Titer zurück.

In einer neu aufgetretenen peritonealen Metastase war HER2 amplifiziert und überexprimiert, worauf im Rahmen des TAPUR*-Registers eine Behandlung mit Trastuzumab und Pertuzumab begonnen wurde. Steigende CA19-9-Werte bei ansonsten stabiler Erkrankung führten zur Zugabe einer experimentellen, personalisierten Tumorvakzine, die im Rahmen eines Compassionate-Use-Programms zum Einsatz kam. Da sich der Pankreaskrebs intervallartig vergrößerte und zwei kleine Lungenmetastasen langsam wuchsen, empfahl ein Tumorboard die stereo­taktische Radiotherapie der oligometastatischen Erkrankung sowie die nachfolgende Gabe von Ipilimumab (nach sechs Monaten abgesetzt) und Nivolumab. Off label wurde schließlich noch Trastuzumab-Deruxtecan dazugegeben. Die CA19-9-Titer kehrten in den Normbereich zurück, und nach vier Monaten war in der Bildgebung kein Tumor mehr zu sehen. Die Patientin erhält nur noch die Vakzine und ist auch nach zwei Jahren noch krebsfrei und asymptomatisch.

*    Targeted Agent and Profiling Utilization Registry

Quellen:
1.    Reutter T et al. JCO Precision Oncol 2023; 7: e2200467; DOI: 10.1200/PO.22.00467
2.    King Da et al. JCO Precision Oncol 2023; 7: e2200489

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