Mit Vitamin-B12-Spritzen gegen Ermüdungserscheinungen der Stimme?

Bei Sängern und professionellen Sprechern stehen Vit­amin-B₁₂-Injektionen hoch im Kurs. Jeder Dritte sagt, die Spritzen hätten seiner Stimme gutgetan, beispielsweise eine vorzeitige Ermüdung verhindert. HNO-Kollegen wollten nun wissen, was an der behaupteten Wirkung dran ist.

Dr. Hagit Shoffel-Havakuk vom Rabin Medical Center in Petach Tikva und Kollegen starteten eine randomisierte Doppelblindstudie im Cross-over-Design. Teilnehmer waren 20 aktive Sänger ohne bekannten oder vermuteten Vitamin-B₁₂-Mangel. Alle klagten über leichte Stimmbeschwerden, hatten aber keine Dysphonie. Eine Hälfte der Probanden erhielt 1000 µg Cyanocobalamin in den Deltamuskel gespritzt, die andere physiologische Kochsalzlösung. Nach einer Auswaschphase von mindesten vier Wochen wurde die Behandlung umgedreht – die ehemaligen Placebo-Patienten bekamen nun das Vitamin, die anderen das Scheintherapeutikum.

Ohne Vitaminmangel keine Injektion

Der Einfluss auf die Stimmbeschwerden wurde anhand von verschiedenen Stimm-Scores erfasst, u.a. dem Singing Voice Handycap Index-10. Die 72 h nach der Injektion berichtete Verbesserung war in beiden Gruppen vergleichbar und zu gering für eine klinische Relevanz. Von den 20 Teilnehmern erreichten nur vier eine bedeutsame Symptomlinderung, schreiben die Autoren, und diese stammten aus beiden Gruppen. Sie raten deshalb von Vitamin-B₁₂-Injektionen ab, solange kein Mangel besteht. Cyano­cobalamin gilt zwar sogar in höherer Dosierung als sicher, bei der Applikation kann es jedoch in seltenen Fällen zu einem anaphylaktischen Schock kommen.

Quelle: Shoffel-Havakuk H et al. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg 2020; DOI: 10.1001/jamaoto.2020.4026