Modifiziertes Herpesvirus macht kindliche Gliome immunologisch angreifbar

Josef Gulden

Das modifizierte Herpes-Virus zeigt erste Anzeichen einer Wirksamkeit. Das modifizierte Herpes-Virus zeigt erste Anzeichen einer Wirksamkeit. © Kateryna_Kon – stock.adobe.com

Etwa jeder zehnte kindliche Hirntumor ist ein hochmalignes Gliom. Damit geht eine schlechte Prognose einher, die sich in den letzten 30 Jahren nicht verändert hat. Ein genetisch modifiziertes Herpesvirus könnte die Aussichten nun deutlich verbessern.

Immuntherapien sind zur Behandlung von Hirntumoren zunächst nicht sehr vielversprechend. Der Grund: Sie sind immunologisch „kalt“ und kaum von Immunzellen infiltriert. In präklinischen Versuchen sprachen sie aber auf ein genetisch modifiziertes Herpes-simplex-Virus vom Typ 1 mit der Bezeichnung G207 an, schreiben Dr. Gregory K. Friedman, University of Alabama, Birmingham, und Kollegen.

Virus ins Innere des Tumors gebracht

In einer Phase-1-Studie wurden nun zwölf Patienten zwischen 7 und 18 Jahren behandelt, die an rezidivierenden/progredienten hochmalignen Gliomen litten. Ihnen wurden stereotaktisch bis zu vier Katheter ins Tumorinnere gelegt. Darüber infundierte man am Folgetag über sechs Stunden 107–108 plaquebildende Einheiten des modifizierten Virus. Die Hälfte der Teilnehmer erhielt zudem innerhalb von 24 Stunden nach der Infusion eine Bestrahlung des Tumorvolumens mit 5 Gy.

Wirkungsweise des Virus

Das neurotrope Virus ist in normalen Hirnzellen nicht replikationsfähig, wohl aber in Tumorzellen. Neben der direkten Infektion und Lyse von Tumorzellen kann es auch die Infiltration mit Immunzellen und die Präsentation von Tumorantigenen erheblich steigern, erläutern die Studienautoren. In Tiermodellen wurde außerdem die Replikation und Ausbreitung des Virus im Tumor und dadurch die therapeutische Wirksamkeit durch eine einzelne Bestrahlungsdosis erhöht.

Primäre Endpunkte waren Verträglichkeit und Toxizität: Es gab keine dosislimitierenden oder schweren toxischen Effekte. Lediglich 20 Grad-1-Nebenwirkungen sind den Autoren zufolge möglicherweise auf das Virus zurückzuführen. Die Kontrolle von Speichel, Tränenflüssigkeit und Blut mittels Kultur und Polymerase-Kettenreaktion ergab keine Hinweise auf eine Ausscheidung des Virus, schreiben sie weiter. Aber auch erste Signale für eine Wirksamkeit beobachteten die Forscher. Darunter waren ein beträchtlicher Anstieg tumorinfiltrierender Lymphozyten und in elf Fällen radiologische, neuropathologische und/oder klinische Zeichen für ein Ansprechen. Das mediane Gesamt­überleben fiel mit 12,2 Monaten etwa doppelt so lang aus wie in historischen Kontrollkollektiven, schreiben Dr. Friedman­ und Kollegen. Vier von elf Patienten lebten auch 18 Monate nach der Behandlung noch. Das modifizierte Herpesvirus kann also immunologisch „kalte“ in „heiße“ Gliome umwandeln, resümieren die Wissenschaftler. Sie wollen eine multizentrische Phase-2-Studie starten, um die Ergebnisse zu bestätigen und den Einsatz von G207 bei pädiatrischen Gliomen weiter zu untersuchen.

Quelle: Friedman GK et al. N Engl J Med 2021; 384: 1613-1622; DOI: 10.1056/NEJMoa2024947 

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Das modifizierte Herpes-Virus zeigt erste Anzeichen einer Wirksamkeit. Das modifizierte Herpes-Virus zeigt erste Anzeichen einer Wirksamkeit. © Kateryna_Kon – stock.adobe.com