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Nach dem Schlag ist vor dem Schlag

In Deutschland ereignen sich Schätzungen zufolge etwa 270.000 Schlaganfälle pro Jahr. Bei rund 70.000 handelt es sich um Rezidivereignisse. Das Risiko für einen erneuten Apoplex innerhalb der ersten fünf bis zehn Jahre nach einem ersten Schlaganfall beträgt etwa 20 %. Mit welchen Strategien lässt sich dieses Risiko möglichst weit reduzieren? Antworten auf diese Frage liefert ein Autorenteam um Dr. Moritz Schmidbauer vom LMU Klinikum München.
Die Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfälle birgt ein enormes therapeutisches Potenzial. Dieses adressiert zum einen die Rezidivhäufigkeit, zum anderen beeinflussbare kardiovaskuläre Risikofaktoren. Welche Strategie man dabei genau verfolgt, richtet sich individuell nach der Ätiologie des ersten ischämischen Ereignisses.
So empfehlen die Autoren bei nicht-kardioembolischen Schlaganfällen eine Thrombozytenfunktionshemmung (TFH), welche an die jeweilige Krankheitsphase angepasst wird. Bei leichten nicht-kardioembolischen Schlaganfällen sollte in der Postakutphase eine duale TFH erwogen werden, entweder mit ASS plus Clopridogrel für 21 Tage oder mit ASS plus Ticagrelor für 30 Tage. Danach erfolgt eine Deeskalation auf eine einfache TFH. Zusätzliche Protonenpumpeninhibitoren sollten nur bei entsprechendem Risiko (z.B. Alter > 75 Jahre) verschrieben werden.
Auch bei kryptogenen Schlaganfällen ist nach Ansicht der Autoren eine TFH sinnvoll. Weiterhin gibt es Hinweise darauf, dass Patienten mit bestehender KHK und/oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit von ASS und der zweimaligen Gabe von niedrig dosiertem Rivaroxaban profitieren.
Bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern sind NOAK Mittel der ersten Wahl. Dr. Schmidbauer und Kollegen weisen ausdrücklich darauf hin, dass eine Dosiseinschränkung nur dann erfolgen sollte, wenn sie nach den Zulassungskriterien eindeutig indiziert ist. Die Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten ist aufgrund des höheren Risikos für intrakranielle Blutungen nur noch in Sonderfällen, beispielsweise bei Patienten mit mechanischem Klappenersatz oder valvulärem Vorhofflimmern angezeigt.
Persistierendes Foramen ovale ggf. verschließen
Im Fall eines persistierenden Foramen ovale kann der interventionelle Verschluss gegenüber einer rein medikamentösen Therapie vorteilhaft sein. Da der kausale Zusammenhang zwischen der segelförmigen Öffnung und zerebrovaskulären Ereignissen bislang jedoch noch nicht abschließend geklärt ist, empfiehlt sich eine sorgfältige Selektion der Patienten nach bewährten Scoring-Systemen wie RoPE (Risk of Paradoxical Embolism) und PASCAL (Patent Foramen Ovale-Associated Stroke Causal Likelihood).
Nach dem Verschluss sollte für ein bis drei Monate eine duale Thrombozytenfunktionshemmung mit ASS plus Clopidogrel erfolgen, daran schließt sich eine einfache TFH mit einer der beiden Substanzen für weitere 12 bis 24 Monate an.
Bei Patienten mit koexistierender Atherosklerose oder einer anderen zusätzlichen Indikation zur TFH (z.B. KHK) ist eine ggf. lebenslange Dauertherapie mit ASS angezeigt.
Insgesamt sind Apoplexrezidive bei Dissektionen der hirnversorgenden Arterien eher selten. Bei jungen Patienten gehören sie jedoch zu den häufigsten Ursachen für Schlaganfälle. In der Sekundärprophylaxe haben sich TFH und orale Antikoagulanzien grundsätzlich als gleichwertig erwiesen.
Bei symptomatischen intrakraniellen Stenosen empfiehlt sich eine duale TFH für drei Monate mit anschließender lebenslanger ASS-Einnahme, so die Autoren. Darüber hinaus ist es in diesen Fällen besonders wichtig, kardiovaskuläre Risikofaktoren zu reduzieren.
Stellschrauben sind Lipide, Blutdruck und Zuckerwerte
Zu den modifizierbaren Risikofaktoren für einen ischämischen Schlaganfall gehören unter anderem fehlende körperliche Aktivität, Alkoholkonsum und Rauchen, psychosozialer Stress und Übergewicht. Darüber hinaus haben kardiale Erkrankungen, arterielle Hypertonie, Dyslipidämie und Diabetes mellitus einen erheblichen Einfluss auf das Risiko.
Die allgemeinen Ziele der Sekundärprophylaxe sind ein LDL-Cholesterin < 70 mg/dl, ein Blutdruck < 130/80 mmHg und ein optimierter Lebensstil. Erfahrungen aus der Primärprävention deuten darauf hin, dass regelmäßige körperliche Betätigung und eine gesunde Ernährungsweise, z.B. im mediterranen Stil und salzarm, auch in der Sekundärprävention vorteilhaft sind.
Die Autoren empfehlen, diese Therapieziele regelmäßig ambulant zu kontrollieren. Entsprechende Disease-Management-Programme und ein Ausbau der digitalen Infrastruktur erachten sie als wünschenswert. So könnten z.B. Wearables die Evaluation von Risikofaktoren erleichtern und die strukturierte Erfassung von Symptomen oder Versorgungsdefiziten vorantreiben.
Quelle: Schmidbauer M et al. Inn Med (Heidelb) 2023; 64: 1171-1183; DOI: 10.1007/s00108-023-01615-w
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