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Natur trifft Schulmedizin

Schulmedizin und Pflanzenheilkunde werden gerne in verschiedene Ecken gestellt. Dabei müssen sie nicht im Widerspruch stehen. „Der Diabetes-Garten zeigt sehr schön die Verbindung, da zahlreiche Medikamente pflanzlichen Ursprungs sind“, erklärte Ralf Jung, Chefarzt der Diabetologie am DGD-Krankenhaus Sachsenhausen. Metformin ist aus dem Alltag der Diabetologinnen nicht wegzudenken und geht auf das Galegin der Geißraute (Galega officinalis) zurück.
Zusammen mit Hans Lauber, der den Diabetes-Garten 2012 mit dem damaligen Chefarzt angelegt und die Pflanzen ausgewählt hat, führt er die Besucher durch die Beete im Hinterhof der Klinik. Jedes Beet greift ein Problem auf, das bei Typ-2-Diabetes häufig ist: Übergewicht, reduzierte Insulinwirkung (Insulinresistenz) und Entzündungszustände sowie (schlecht heilende) Wunden und die psychische Belastung durch die Erkrankung. Ob man die Naturheilkunde dabei als Lösung für diese Probleme oder als Unterstützter der Schulmedizin sieht, hängt von dem persönlichen Ausgangspunkt bzw. Fokus ab.
Pflanzliche Lösungen für diabetesspezifische Probleme
Dem Kliniker Ralf Jung begegnen in seinem Umfeld hauptsächlich Patienten in kritischen Situationen, z.B. akuten Stoffwechselentgleisungen oder Komplikationen wie das diabetische Fußsyndrom. „Dabei bauen wir auf die Erkenntnisse der Schulmedizin und setzen Insulin, injizierbare und orale Medikamente ein.“, erklärte er. Heilpflanzen spielen da eine eher untergeordnete Rolle. Ein Beispiel findet sich dennoch: „Wir nutzen die antimikrobielle Wirkung der Kamille in Form von Mundspülungen bei Gingivitiden, die bei Diabetes häufiger zu finden sind.“ Kamille wächst im Beet der „Entzündungshemmer“, unter anderem neben Spitzwegerich, Thymian, Echinacea und Holunder.
Laubers Grundintention ist dagegen die Prävention. Er will den Besucherinnen zeigen, dass sich ein beginnender Lifestyle-Diabetes, wie er den Typ-2-Diabetes bezeichnet, durch eine Änderung des Lebensstils weitgehend ohne (oder mit wenigen) Medikamenten in Griff kriegen lässt. Dabei greift er auf seine eigene Erfahrung zurück: Er kam nach seiner Diabetes-Diagnose jahrelang ohne Medikamente aus. Der Diabetes-Garten solle zeigen, dass es für die Probleme beim Diabetes auch pflanzliche Lösungen gebe.
Eingeteilt werden können die Beete daher in Grundursachen und Diabetes-Folgen. Bei den „Schlankmachern“ stehen – wie der Name schon sagt – Pflanzen, die einem Übergewicht entgegenwirken. Dazu gehören beispielsweise Meerrettich, Erdmandel, Spargel, Weißkohl oder Löwenzahn. Die Entzündungshemmer leisten ebenfalls einen Beitrag zur Prävention. Denn Entzündungen beeinträchtigen die Insulinfunktion, wie Ralf Jung erklärte. Mit einer verbesserten Insulinfunktion beschäftigt sich dagegen das Beet der „Insulin-Intensivierer“, in dem auch die anfangs erwähnte Geißraute wächst, aber auch die Kaktusfeige oder Bitter-Gurke.
Wer sich über „Wundenheiler“ und „Seelenbalancierer“ infomieren möchte, wird in den anderen beiden Beeten fündig. Dort wachsen z.B. typische Heilpflanzen wie Ringelblume, Aloe oder Blutwurz. Einen positiven beruhigenden Einfluss auf die Psyche haben z.B. Pfefferminz, Lavendel oder Hopfen. Bei einigen der Pflanzen beschränkt sich der positive Effekt aber nicht nur auf einen Bereich. Johanniskraut und Melisse haben sowohl einen positiven Effekt auf die Psyche als auch auf Wunden, Kamille ist ebenfalls auch bei den Wundheilern anzutreffen. Ähnliches gilt für Beinwell, den man außerdem aus bekannten Schmerzsalben kennt.
Alte Bekannte wecken neues Interesse
Wer einen genauen Blick auf die Zusatzbezeichnungen auf den Schildern wirft, dem wird einiges bekannt vorkommen, z.B. das „Heilgel“ Aloe Vera. Andere Schilder lassen einen dagegen erst einmal stutzen und machen Lust, sich weiter mit dem Thema auseinanderzusetzen. So findet man z.B. in einem Beet ein Lebensorakel (Thyimian), in einem anderen wächst der Ginseng des Westens (Löwenzahn).
„Unsere Vorfahren haben die Pflanzen nicht nur unter stofflichen Gesichtspunkten betrachtet, sondern immer auch die spirituelle Ebene gesehen. Das gilt vor allem für ätherische Pflanzen wie Thymian, Rosmarin, Dachwurz, denen prophetische Gaben attestiert wurden“, erklärte Hans Lauber. „War etwa jemand schwer krank, bedeutete eine plötzlich blühende Pflanze Hoffnung für den Kranken. Starb die Pflanze ab, war das auch kein gutes Zeichen für die Gesundheit.“ Zusammen mit der Freiburger Heilpflanzenexpertin Ursel Bühring verfasste Lauber das Buch „TDM Traditionelle Deutsche Medizin“. „Sie hat den Begriff „Ginseng des Westens“ geprägt – auch um auf die enge Verbindung zwischen der östlichen und der westlichen (Pflanzen) Medizin hinzuweisen.“
„Wunderbare grüne Rückzugsoase“ mitten in der Großstadt
Den Diabetes-Garten gibt es nun seit zehn Jahren. Und sowohl Hans Lauber als auch Ralf Jung, der den Garten mit dem Chefarztposten mit übernommen hat, stehen weiter hinter dem Projekt. „Natürlich habe ich mir gewünscht, dass der Garten möglichst lange besteht. Dass wir nun aber in 2022 das Zehnjährige feiern können, ist auch glücklichen Umständen zu verdanken. Ohne das Interesse und Engagement von Chefarzt Ralf Jung gäbe es den Garten wahrscheinlich nicht mehr“, fügt Lauber hinzu.
Aber auch der Kliniker weiß den Diabetes-Garten zu schätzen: „Der Garten stellt eine wunderbare grüne Rückzugsoase mitten im hektischen Alltagstreiben der Großstadt dar. Hier lässt es sich bei einer Pause schön verweilen.“ Zudem ist der Garten fester Bestandteil der Diabetes-Schulungen. „Für die Patienten ist der Besuch immer eine willkommene Abwechslung zum Klinikalltag, der gerne angenommen wird. Einmal pro Woche unternimmt die Gruppe einen Ausflug zu den Beeten und wässert diese ausgiebig.“ Man schätze die entspannte Atmosphäre sowie die neuen Kenntnisse zum naturheilkundlichen Aspekt, wie Pflanzen evtl. unterstützend eingesetzt werden können.
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