Nephrotisches Syndrom: Steroidtherapie ändert das Verhalten
Über mehrere Monate täglich oder alternierend hoch dosiert Prednisolon geben – das ist heute der therapeutische Standard beim idiopathischen nephrotischen Syndrom. Doch nicht wenige Eltern betroffener Kinder berichten, dass sich ihre Sprösslinge nach Beginn der Behandlung auffällig anders verhalten. Ob sich dieser Elterneindruck verifizieren lässt, prüfte eine indisch-deutsche Arbeitsgruppe in einer prospektiven Studie an 131 Kindern mit steroidsensiblem nephrotischem Syndrom.
Die Patienten waren zwischen 1,5 und 15 Jahre alt, berichtete Privatdozent Dr. Rolf Beetz vom Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsklinik Mainz. Bei 52 Kindern lag eine Erstmanifestation des Krankheitsbildes vor. 40 litten unter häufigen, 39 unter seltenen Rezidiven.
Verändertes Verhalten allein schon durch die Grunderkrankung?
Das Verhalten der Patienten wurde jeweils von den Eltern anhand eines Fragebogens mit 100 Items (Achenbach Child Behaviour Checklist) erfasst, aus den Angaben errechneten die Studienautoren einen sog. T-Score. Ein Score über 70 wurde als Hinweis auf eine Verhaltensstörung gewertet.
Kinder, die erstmals an einem nephrotischen Syndrom erkrankt waren, zeigten schon vor Therapiebeginn mit Prednisolon – gemessen am T-Score – signifikant mehr „Zurückgezogenheit“ und somatische Beschwerden als eine Vergleichsgruppe von 50 nicht renal erkrankten Kindern aus der Klinikambulanz, erklärte der Kollege.
DAs Verhalten ändert sich mit der kumulativen Steroiddosis
Nach der standardmäßigen Steroidtherapie über zwölf Wochen waren bei ihnen dann auch die T-Scores in den Bereichen Ängstlichkeit/Depression, emotionale Reaktivität, Aufmerksamkeitsprobleme und aggressives Verhalten erhöht.
Ähnliche Ergebnisse zeigten sich bei Kindern mit seltenen Rezidiven eines nephrotischen Syndroms. Patienten mit häufigen Rezidiven und solche mit Steroidresistenz wiesen deutlich schwerwiegendere Verhaltensstörungen auf. In allen Bereichen korrelierten die Verhaltensauffälligkeiten positiv mit der kumulativen Steroiddosis.
Eltern, aber auch Erzieher sollten darüber aufgeklärt werden, dass es zu steroidbedingten Verhaltensänderungen und auch -störungen kommen kann, meinte der Kollege. Dadurch könnten Fehl- und Überreaktionen vermieden werden.
Ist die Wachstumsstörung unter Steroidtherapie unvermeidlich?
Als nahezu unvermeidlich erschien dagegen bisher die Wachstumsretardierung durch eine länger dauernde Steroidbehandlung. Dass diese Annahme falsch ist, zeigt eine retrospektive Beobachtungsstudie von 41 Kindern mit steroidabhängigem nephrotischem Syndrom. Im Mittel wurden die Patienten 4,2 Jahre beobachtet. Zu Behandlungsbeginn waren sie 1,9 bis 13 Jahre alt und erhielten eine mittlere Tagesdosis von 0,44 mg/kg KG Prednisolon.
Negativ auf die Wachstumsgeschwindigkeit wirkten sich nur kumulative Tagesdosen > 0,75 mg/kg KG aus. Niedrigere Dosen hatten einen geringen Einfluss und bei kumulativen Tagesdosen von maximal 0,25 mg/kg KG war gar kein wesentliches Wachstumsdefizit zu erwarten, zumal in steroidfreien Phasen ein Aufholwachstum möglich ist.
Zweite Studie sieht auch kein Wachstumsdefizit durch Steroide
Eine weitere Untersuchung an 60 Patienten, die im mittleren Alter von 5,4 Jahren an einem steroidsensiblen nephrotischen Syndrom erkrankten, spricht ebenfalls gegen die Hypothese vom Wachstumsdefizit durch Steroidgabe.
Als „Ausgewachsene“ (Mindestalter 19 Jahre bzw. Tannerstadium 4) wichen die Patienten nicht von der genetischen Zielgröße, die sich aus den Längen der Eltern errechnete, ab. Schwankungen in der Wachstumsgeschwindigkeit während der Steroidphasen hatten keinen Einfluss auf die Endlänge. Der genetische Hintergrund scheint also für das Längenwachstum der entscheidende Faktor zu sein.
Vortrag auf dem 4. Pädiatrie-Update-Seminar in Wiesbaden 2011
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