Neue europäische Leitlinie zur Systemtherapie

Dr. Melanie Söchtig

Patienten mit atopischem Ekzem brauchen eine systemische Therapie. Patienten mit atopischem Ekzem brauchen eine systemische Therapie. © Marina Terekhova – stock.adobe.com

Patienten mit atopischem Ekzem brauchen eine systemische Therapie, z.B. wenn weder Topika noch UV-Lichttherapie für die Krankheitskontrolle ausreichen. Oder wenn sie für Letztere über längere Zeiträume große Mengen potenter TCS einsetzen müssten. Im Folgenden werden die Empfehlungen aus der aktuellen europäischen Leitlinie EuroGuiDerm­ zusammengefasst.

Die Verfügbarkeit neuer systemischer Medikamente hat die Therapie des atopischen Ekzems um einiges vorangebracht. Gleichzeitig hätten die Zulassungsprogramme der Small Molecules und Biologika mittlerweile Evidenzlevel geschaffen, die die älterer Therapeutika übertreffen, schreiben die Autoren der aktuellen europäischen Leitlinie EuroGuiDerm zum atopischen Ekzem.

Bevor man auf eine Systemtherapie eskaliert, sollten relevante Differenzialdiagnosen (u.a. kutanes T-Zell-Lymphom, primäre Immundefizienz-Syndrome) abgeklärt worden sein. Außerdem gilt es sicherzustellen, dass Triggerfaktoren z.B. im Rahmen einer allergischen Kontaktdermatitis, verhaltensbedingte sowie erzieherische Gründe für das schlechte Ansprechen der Topika nicht verantwortlich sind.

Eine Systemtherapie erfolgt immer zusätzlich zur Basispflege mit Emollienzien sowie bei Bedarf zusätzlich zu einer topischen antientzündlichen Therapie. Bei akuten Schüben oder um die Zeit bis zum Ansprechen langsam wirkender Therapeutika zu überbrücken, kann auf Substanzen mit schnellem Wirk­eintritt zurückgegriffen werden. Neben Ciclosporin haben hier auch systemische Glukokortikoide noch einen Platz. Abseits der Notfalltherapie sollte man sie aufgrund der besseren Alternativen nicht mehr verwenden, von einem langfristigen Einsatz raten die Leitlinienautoren explizit ab.

Alles eine Frage der Zulassung

In der Leitlinie sind die Januskinaseinhibitoren Baricitinib und Upadacitinib mit gleicher Empfehlungsstärke aufgeführt. „Abrocitinib wäre da auch gelandet, ist aber ein bisschen zu spät zugelassen worden“, erklärte Prof. Dr. Anderas Wollenberg­ im Rahmen einer DermaLive-Sendung. Der JAK-Inhibitor konnte daher nicht mehr in die Leitlinienempfehlungen aufgenommen werden. „Wenn wir jetzt die deutsche Leitlinie überarbeiten und wenn die erste Überarbeitung der europäischen Leitlinie kommt, wird es sicher mit dabei sein“, fügte der Experte und Leitlinienautor seine persönliche Einschätzung hinzu. Der Grund, warum der Therapie-Stufenplan bei Kindern reduzierter wirkt, ist ebenfalls den Zulassungen geschuldet. Ciclosporin ist ab 16 Jahren zugelassen, Upadacitinib ist ab zwölf Jahren, Dupilumab ab sechs Jahren. Die neueste Studie zu Dupilumab – gerade erst erschienen – zeige allerdings, dass auch im Alter von sechs Monaten bis fünf Jahren das Ganze hervorragend funktioniere, fügte Prof. Wollenberg hinzu.

Quelle: Derma Live „Atopische Dermatitis und Juckreiz“ vom 12.10.23, streamed-up.com

Ciclosporin

Ciclosporin wird weiterhin als Erstlinientherapeutikum empfohlen. Außerdem gilt es aufgrund der bisherigen Sicherheitsdaten als Mittel der Wahl bei Frauen, die während der Schwangerschaft nicht auf eine Systemtherapie verzichten können. Das Dosierungsschema sieht 2,5–5 mg/kgKG pro Tag vor, verabreicht in zwei Einzeldosen. Um ein schnelles Ansprechen zu erreichen, raten Prof. Dr. Andreas Wollenberg von der LMU München und die anderen Leitlinienautoren dazu, mit einer höheren Dosierung (4–5 mg/kgKG/d) zu beginnen. Ein Ansprechen ist dann bereits nach ein bis zwei Wochen zu erwarten. Patienten, die Ciclosporin erhalten, sollten allerdings engmaschig auf mögliche Blutdruckerhöhungen und Anzeichen einer Nierenfunktionsstörung überwacht werden. Außerdem rät das Leitliniengremium davon ab, den T-Zell-Inhibitor mit einer UV-Therapie zu kombinieren.

Biologika

Innerhalb der Klasse der Biologika haben Dupilumab und Tralokinumab beide eine starke Empfehlung von den Experten erhalten. Der Anti-IL-4/13-Antikörper Dupilumab ist ab sechs Jahren zugelassen. Bei einem Körpergewicht über 60 kg beträgt die empfohlene Dosierung 300 mg alle zwei Wochen nach einer Ladedosis von 600 mg zu Beginn der Behandlung. Die Injektionsintervalle des Anti-IL-13-Antikörpers  Tralokinumab können nach Ermessen des Arztes auf vier Wochen gestreckt werden, heißt es, z.B. im Falle von Patienten, die nach 16 Wochen Behandlung bei einem IGA von 0/1 liegen. Als Vorteil von Dupilumab sehen die Leitlinienautoren, dass die Medikation auch positive Auswirkungen auf Typ-2-Komorbiditäten wie Asthma, allergische Rhinokonjunktivitis mit Nasenpolypen oder eosinophile Ösophagitis haben kann.

Lebrikizumab, ein weiterer IL-13-Blocker, und der Anti-IL-31-Antikörper Nemolizumab befanden sich zum Zeitpunkt der Leitlinien­erstellung noch im Zulassungsprozess. Auch wenn die Studienergebnisse der Zulassungsstudien positiv ausfielen, konnten sie daher (noch) nicht empfohlen werden.

JAK-Inhibitoren

Die vier Januskinasen (JAK1, JAK2, JAK3 und TYK2) steuern den intrazellulären Teil der Signalweiterleitung durch die aktivierten Zytokinrezeptoren. Sie interagieren mit Transkriptionsfaktoren (STAT, Signaltransduktoren und Aktivatoren der Transkription), die die Bildung von Entzündungsmediatoren regulieren. Aus diesem Grund könnte die spezifische Hemmung des JAK-STAT-Signalwegs wirksamer sein als die Inhibierung eines einzelnen Zytokins, schreiben die Autoren der europäischen  Leitlinie. Darüber hinaus zeigte eine JAK-Hemmung neben der schnellen Linderung des chronischen Juckempfindens auch einen positiven Effekt auf die Funktion der Hautbarriere durch Regulierung der Filaggrinexpression.

Eine starke Empfehlung für Patienten mit AE, die für eine Systemtherapie infrage kommen, geben die Leitlinienautoren für die beiden JAK-Inhibitoren Baricitinib und Upadacitinib (JAK1) ab. Baricitinib (JAK1/2) besitzt eine Zulassung im Erwachsenenalter, Upadacitinib bereits ab zwölf Jahren. 
Profitieren von den JAK-Hemmern könnten insbesondere Patienten mit anderen entzündlichen Begleiterkrankungen wie rheumatoide Arthritis, Psoriasisarthritis und Spondylitis ankylosans, da beide Medikamente auch über eine Zulassung in diesen Indikationen verfügen.

Die Standarddosierung von Baricitinib beträgt bei Erwachsenen 4 mg pro Tag; in Abhängigkeit vom Ansprechen ist unter Umständen auch eine Reduktion auf 2 mg pro Tag möglich. Upadacitinib kann in einer täglichen Dosierung von 15 oder 30 mg verabreicht werden. Für Patienten ab einem Alter von 65 Jahren wird die niedrigere 15-mg-Dosierung empfohlen. 

Als Basisscreening sollte ein großes Blutbild gemacht, Leber-, Nierenwerte und CK-Level gecheckt und das Lipidprofil angeschaut werden. Außerdem raten die Leitlinienautoren, die Patienten auf Hepatitis und Tbc zu screenen. Die Empfehlung für den dritten JAK-Hemmer im Bunde, Abrocitinib (JAK1), darf man für die nächste Leitlinie erwarten (siehe Kasten).

Alitretinoin beim chronischen ­Handekzem

Erwachsene Neurodermitispatienten mit schwerem chronischen Handekzem, das auf eine Therapie mit potenten topischen Kortikosteroiden nicht anspricht, können außerdem mit Alitretinoin behandelt werden. Die empfohlene Dosierung liegt bei 10–30 mg pro Tag (schwache Empfehlung). Die Pathogenese des Hand­ekzems spielt bei der Indikation für die Substanz keine Rolle. Allerdings sollte unbedingt auf deren Teratogenität geachtet werden.

Off-Label-Empfehlungen

Azathioprin (off label) kann bei einer schwer behandelbaren Neurodermitis in der üblichen Dosierung von 1–3 mg/kgKG pro Tag infrage kommen. Es handelt sich allerdings nur um eine schwache Empfehlung der Leitlinienautoren. Die Effektivität liegt unterhalb von Dupilumab oder Ciclosporin, aber ähnlich der von MTX. Wenn innerhalb von drei Monaten keine Verbesserung erzielt werden kann, sollte man überlegen, AZA wieder abzusetzen. MTX ist ebenfalls nur eine schwach empfohlene Off-Label-Alternative. Die initiale Dosierung bei Erwachsenen beträgt 5–15 mg/kgKG pro Woche, bei Kindern sind es 0,3–0,4 mg/kgKG. Die Maximaldosis liegt bei 25 mg pro Woche, empfohlen wird zudem eine parallele Folsäuresubstitution.

Quelle:  Wollenberg A et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2022; 36: 1409-1431; doi: 10.1111/jdv.18345

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Patienten mit atopischem Ekzem brauchen eine systemische Therapie. Patienten mit atopischem Ekzem brauchen eine systemische Therapie. © Marina Terekhova – stock.adobe.com