Neue Therapie bei Dyspareunie

Judith Lorenz; Foto: fotolia, Piotr Marczinski

Bei Mammakarzinomen leiden viele Patientinnen zusätzlich unter Dyspareunie. Niedrige Östrogenspiegel scheinen eine entscheidende Rolle zu spielen. Eine Studie mit topischem Lidocain kam zu spektakulären Ergebnissen.

Eine US-amerikanische Arbeitsgruppe um Dr. Martha F. Goetsch von der Universität Portland, Oregon, überprüfte, inwiefern die topische Applikation eines Lokalanästhetikums das sexuelle Wohlbefinden von Patientinnen mit Mammakarzinom verbessern kann. In ihre randomisierte, kontrollierte, doppelblinde Studie wurden 46 postmenopausale Patientinnen mit einem behandelten invasiven Mammakarzinom und mäßiger bis schwerer penetrativer Dyspareunie im Bereich des Vestibulum vaginae eingeschlossen.

Je 23 Patientinnen applizierten über vier Wochen jeweils unmittelbar vor dem Geschlechtsverkehr 4%iges wässriges Lidocain bzw. ein Placebo (physiologische Kochsalzlösung) im Bereich des Scheidenvorhofs mithilfe einer Kompresse. Zusätzlich verwendeten alle Probandinnen ein silikonhaltiges Gleitmittel.

Im Verlauf der folgenden zwei Monate wendeten alle Frauen das topische Lokalanästhetikum an. Die Outcome-Parameter umfassten die mittels numerischer Ratingskala (Werte zwischen 0 und 10) objektivierte Schmerzhaftigkeit bei mindestens zweimal wöchentlicher vaginaler Penetration. Zudem machten sich die Autoren der Studie mithilfe des validierten „Sexual Function Ques­tionnaire“ und des „Female Sexual Distress Score“ ein genaueres Bild von der Qualität des Sexuallebens insgesamt.

Jede Zweite verzichtet auf Sex

Zu Studienbeginn, so ergaben die Analysen, verzichtete jede zweite Patientin aufgrund der starken Schmerzen auf Geschlechtsverkehr. Der mediane Dyspareunie-Score betrug 8 von 10 (interquartile range, IQR 7–9). Bei allen Frauen wurden eine schwere vulvovaginale Atrophie sowie deutlich eine Beeinträchtigung des Sexuallebens (medianer „Sexual Distress Score“ 30,5; IQR 23–37) dia­gnostiziert. Während der einmonatigen verblindeten Interventionsphase berichteten die Patientinnen der Lidocaingruppe über eine Verringerung der Schmerzen um 87,5 % (media­ner Schmerzscore 1,0) und in der Placebogruppe um 38 % (medianer Schmerzscore 5,3).

Nach der zweimonatigen Open-Label-Lidocain-Behandlung war bei 37 von 41 Frauen (90 %) eine schmerzfreie vaginale Penetration möglich, und 17 von 20 zuvor abstinenten Frauen (85 %) hatten ihr Sexualleben wieder aufgenommen. Ferner zeigten sich eine signifikante Abnahme des „Sexual Distress Score“ (median 14; IQR 2–30) sowie eine Verbesserung der Sexualfunktion in sieben von acht Kategorien. Ein Rückgang der atrophischen Genitalveränderungen infolge der Behandlung konnte nicht nachgewiesen werden. Nebenwirkungen beim Sexualpartner traten im Übrigen nicht auf.

Lidocain-Creme verringert Schmerzen und verbessert Funktion

Störungen der Sexualfunktion bei Tumorpatientinnen können in Folge direkter operativer oder strahleninduzierter genitaler Schädigungen auftreten oder durch einen Östrogenmangel bedingt sein. Obwohl die Angst vor Einschränkungen des Sexuallebens infolge der Tumorerkrankung für viele Krebspatientinnen eine starke Belastung darstellt, kommen diese Befürchtungen im Rahmen der medizinischen Betreuung der Frauen – teils aus Schamgefühl, teils aus Mangel an Wissen, Ressourcen oder Zeit – nur selten zur Sprache.

„Let’s talk about sex!“ lautet daher der Appell der beiden Autorinnen des Editorials, Dr. Andrea Bezjak und Dr. Sarah E. Ferguson von der Universität Toronto, Kanada. Die Ergebnisse der kleinen Studie von Dr. Goetsch und Kollegen bestätigen die Hypothese, dass eine Vulvodynie bei Mammakarzinom-Patientinnen mit einem Östrogendefizit sowohl auf die atrophischen Genitalveränderungen als auch auf eine neurale Hyperreagibilität im Scheidenvorhof zurückzuführen ist.

Der von der US-amerikanischen Arbeitsgruppe beschriebene Behandlungsansatz, so Dr. Bezjak und Dr. Ferguson, ist eine einfach zu handhabende, nebenwirkungsarme und kostengünstige Therapiealternative für postmenopausale Mammakarzinom-Patientinnen mit Dyspareunie im Bereich des Introitus vaginae, bei welchen eine lokale Östrogentherapie kontraindiziert ist. Voraussetzung für eine effektive Behandlung sei jedoch die detaillierte Erfassung der genitalen Beschwerden, um diejenigen Frauen zu identifizieren, die von einer topischen Lokalanästhetika-Applikation im Scheidenvorhof profitieren.

Quelle:
M. F. Goetsch et al., JCO Oct 20, 2015
:3394-3400; DOI:10.1200/JCO.2014.60.7366.
A. Bezjak and S. E. Ferguson, JCO Oct 20, 2015:3370-3371; DOI:10.1200/JCO.2015.62.9899

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