Neue Wirkstoffe verbessern die Prognose

Dr. Dorothea Ranft

Als Ultima Ratio kommt für einzelne, besonders schwer betroffene Patienten eine Lebertransplantation in Betracht. Als Ultima Ratio kommt für einzelne, besonders schwer betroffene Patienten eine Lebertransplantation in Betracht. © phonlamaiphoto – stock.adobe.com

Die homozygote familiäre Hypercholesterinämie ist lebensbedrohlich, wird aber oft erst spät erkannt und nicht adäquat behandelt. Dabei stehen inzwischen neue Therapiemöglichkeiten zur Verfügung.

Hochgradig verdächtig für die familiäre Form der Hypercholesterinämie (HoFH) ist ein LDL-Wert über 400 mg/dl. Dieser muss umgehend abgeklärt werden, um potenziell letale kardiovaskuläre Ereignisse zu verhindern. Für eine HoFH sprechen als weiteres Kriterium Xanthome an Haut und Sehnen vor einem Alter von zehn Jahren, heißt es in einem aktualisierten Konsensuspapier der European Athero­sclerosis Society.

Differenzialdiagnostisch müssen andere Erkrankungen ausgeschlossen werden, die das LDL erhöhen können (nephrotisches Syndrom, Hypothyreose etc.). Typisch für die HoFH sind biallelische Varianten in den Genen LDLR, APOB, PCSK9* oder LDLRAP1. Anhand dieser genetischen Konstellationen lässt sich die Erkrankung per Next-Generation-DNA-Sequenzierung von der ebenfalls hereditären Sitosterolämie und einem lyosomalen sauren Lipasemangel unterscheiden. Erstere spricht im Gegensatz zur HoFH gut auf eine Kostumstellung, Ezetimib und Ionenaustauscherharze an. Letzterer kann mit einer Enzymersatztherapie behandelt werden, so das Autorenteam um Prof. Dr. ­Marina ­Cuchel aus der Universität von Pennsylvania in Philadelphia.

Für eine rechtzeitige Diagnose der HoFH empfehlen Leitlinien ein Screening im Alter ≤ 2 Jahren, wenn ein erstgradiger Verwandter ungewöhnlich jung ein kardiovaskuläres Ereignis erlitten hat (Männer < 55 Jahre, Frauen < 60 Jahre). Außerdem sollten sich alle Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren einer Cholesterinkontrolle unterziehen. Dieser Rat wird jedoch oft nicht befolgt. Sinnvoll ist nach Einschätzung der Konsensusautoren auch ein Lipidscreening bei Neugeborenen, wenn beide Elternteile eine monoallele oder heterozygote familiäre Hypercholesterinämie (HeFH) aufweisen.

Das Therapieziel ist für erwachsene Patienten ein LDL-Cholesterin < 70 mg/dl. Bei mindestens einem zusätzlichen Risikofaktor (z.B. erhöhtes Lp(a), Diabetes) sollten < 55 mg/dl angestrebt werden. Kinder und Jugendliche sollten möglichst einen Wert < 115 mg/dl erreichen, sofern noch keine Gefäßerkrankung vorliegt. Die Behandlung ist möglichst früh zu beginnen, am besten direkt nach der Diagnose.

Für den Anfang wird eine Kombination von hochwirksamen Statinen und Ezetimib empfohlen. Innerhalb von acht Wochen sollte geprüft werden, ob der Patient von einer zusätzlichen, gegen PCSK9 gerichteten Behandlung profitiert. Wenn das LDL-Cholesterin nach ein bis zwei Dosen um mehr als 15 % sinkt, kann die Therapie fortgeführt werden, andernfalls ist ein Absetzen zu erwägen. Falls das LDL-Ziel auch unter Hinzunahme eines PCSK9-Hemmers (deutlich) verfehlt wird, plädieren die Autoren für den Einsatz von Lomitapid und/oder einer gegen ­ANGPTL3** gerichteten Behandlung. Diese neuen Therapien können allein oder in Kombination mit einer Lipoprotein­apherese eingesetzt werden.

Lomitapid ist ein oraler Inhibitor des mikrosomalen Triglyzerid-Transfer-Proteins, das die Produktion des VLDL, eine Vorstufe des LDL, verringert. Zusätzlich zur Standard­therapie angewandt, kann Lomitapid das LDL-C um etwa 60 % und das Lp(a) um 15 %. In einer weiteren Arbeit konnte eine Überlegenheit gegenüber der Apherese gezeigt werden. Einen anderen Ansatz verfolgen die gegen ANGPTL3 gerichteten Wirkstoffe. Sie modulieren den Lipo­protein-Metabolismus und haben zudem pleiotrope Effekte. Der mono­klonale Antikörper Evinacumab ist ab zwölf Jahren zugelassen und kann das LDL-C um 50 % senken, zusätzlich zur maximal tolerierten lipidsenkenden Therapie mit oder ohne Apherese. Seine Wirkung ist nicht abhängig von der Funktion des LDL-Rezeptors.

Die Lipoproteinapherese (LA) wird zusätzlich zu anderen cholesterinsenkenden Therapien eingesetzt und ist vor allem in Ländern ohne Zugang zu den neuen Pharmaka unverzichtbar. Die Therapie erfolgt üblicherweise alle 14 Tage oder wöchentlich. Wenn sie nicht zur Verfügung steht, ist alternativ ein Plasmaaustausch möglich. Regis­terdaten bescheinigen der LA eine gute Wirksamkeit und Sicherheit. Mit Einführung der neuen Medikamente Lomitapid und Evinacumab kann die Apheresefrequenz vermutlich gesenkt werden.

Als Ultima Ratio kommt für einzelne, besonders schwer betroffene Patienten eine Lebertransplantation in Betracht. In Fallberichten kam es innerhalb weniger Wochen zu einer Normalisierung der LDL-Werte, die bis zu 28 Jahre anhielt. Gentherapeutische Ansätze einschließlich CRISPR-basierter Verfahren werden derzeit noch erforscht.

*    Proprotein-Convertase-Subtilisin/Kexin Typ 9
**    Angiopoietin-like Protein 3

Quelle: Cuchel M et al. Eur Heart J 2023; 44: 2277-2291; DOI: 10.1093/eurheartj/ehad197

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