Neue zielgerichtete Substanzen

EHA 2024 Dr. Madlen Jentzsch

Zwei Abstracts auf dem EHA-Kongress zeigen neue zielgerichtete Substanzen bei myeloischen Leukämien. Zwei Abstracts auf dem EHA-Kongress zeigen neue zielgerichtete Substanzen bei myeloischen Leukämien. © elenabsl – stock.adobe.com

Dieses Jahr schafften es auf dem EHA-Kongress gleich zwei Abstracts mit führender deutscher Beteiligung in die Plenary Session. Die Studienergebnisse belegen die Wirksamkeit zielgerichteter Substanzen bei myeloischen Leukämien. Welche Potenzial diese haben, in naher Zukunft die klinische Praxis zu verändern, ordnet PD Dr. Madlen Jentzsch vom Universitätsklinikum Leipzig ein.

Prof. Dr. Uwe Platzbecker, Direktor der Klinik für Hämatologie und Zelltherapie am Universitätsklinikum Leipzig, stellte die ersten Ergebnisse der APOLLO-Studie vor.1 Forschende verglichen bei Betroffenen mit akuter Promyelozytenleukämie (APL) und hohem Erkrankungsrisiko den Einsatz der zielgerichteten Therapien All-trans-Retinsäure und Arsentrioxid (ATRA-ATO) mit dem bisherigen Standard von ATRA in Kombination mit intensiver Chemotherapie. Das Prüfregime hatte sich schon vor Jahren als neuer Standard in der Therapie der APL mit niedrigem oder intermediärem Risiko etabliert.

Eingeschlossen wurden erwachsene Patient:innen bis 65 Jahre mit neu diagnostizierter Hochrisiko-APL (definiert als Leukozytenzahl bei Diagnose > 10 Gpt/l), stabilem Allgemeinzustand und adäquater Organfunktion. Obwohl die Rekrutierung aufgrund der Coronapandemie vorzeitig nach 133 der geplanten 280 Teilnehmenden endete, erreichte die Studie ihren primären Endpunkt. Nach einem medianen Follow-up von 31 Monaten zeigten Personen im ATRA-ATO-Arm ein signifikant längeres ereignisfreies Überleben (nach zwei Jahren 88 % vs. 77 %, p = 0,02). Darüber hinaus gab es in der Prüfgruppe auch eine signifikant niedrigere Rate an hämatologischen Toxizitäten mit weniger Thrombopenien und Neutropenien unter den Konsolidierungszyklen. 

Weitere typische behandlungsassoziierte Nebenwirkungen wie das Differenzierungssyndrom und Leberwertanstiege traten in beiden Studienarmen gleich häufig auf. Auch die Rate an frühen Todesfällen unterschied sich nicht signifikant (7 % ATRA-ATO, 10 % ATRA-Chemotherapie) und war weiterhin vor allem durch Blutungen zu Therapiebeginn bedingt. Auch wenn Updates der Studie mit längerem Follow-up abzuwarten bleiben, kann man davon ausgehen, dass sich ATRA-ATO aufgrund der sehr positiven Resultate der APOLLO-Studie in naher Zukunft auch als Standardtherapie der Hochrisiko-APL durchsetzt.

Direkt im Anschluss präsentierte Prof. Dr. Andreas Hochhaus, Direktor der Klinik für Hämatologie und internistische Onkologie am Universitätsklinikum Jena, die Daten der ASC4FIRST-Studie.2 Hier wurde Asciminib in der Erstlinientherapie gegen die bisherigen Standard-TKI getestet. Der Wirkstoff ist der erste Vertreter der STAMP-Inhibitoren (Specifically Targeting the ABL Myristoyl Pocket) und führt so zu einer relativ selektiven Hemmung der BCR::ABL1-Tyrosinkinase. 

Insgesamt 405 therapienaive erwachsene Patient:innen mit neu diagnostizierter CML in chronischer Phase nahmen teil. Randomisiert wurde Asciminib gegen einen von  den Behandler:innen festgelegten Standard-TKI. Als primärer Endpunkt galt das Erreichen einer Major Molecular Remission (MMR) nach 48 Wochen Therapie. Die Prüfsubstanz erreichte im Vergleich zu den anderen TKI eine höhere Rate an MMR nach 48 Wochen (67,7 % vs. 49 %, p < 0,001), auch die Rate an tieferen molekularen Remissionen zum gleichen Zeitpunkt fiel unter Asciminib numerisch höher aus. (MR4: 38,8 % vs. 20,6 % und MR4.5: 16,9 % vs. 8,8 %). 

Asciminib verträglicher als Zweitgenerations-TKI

Außerdem wurden die Ergebnisse auch separat nach Imatinib bzw. Zweitgenerations-TKI aufgeschlüsselt. Interessanterweise zeigte Asciminib hier im Vergleich zu Imatinib ebenfalls eine signifikant höhere Effektivität im Sinne einer MMR nach 48 Wochen von 69,3 % vs. 40,2 % (p < 0,001), trotz ähnlichem bis leicht günstigerem Nebenwirkungsprofil. Im Gegensatz dazu schien gegenüber Zweitgenerations-TKI die Wirksamkeit ähnlich (MMR nach 48 Wochen: Asciminib 66 % vs. Zweitgenerations-TKI 57,8 %), bei einer signifikant besseren Verträglichkeit des STAMP-Inhibitors. Dies galt v.a. für die Rate an unerwünschten Ereignissen vom Grad 3 oder höher, Therapieunterbrechungen und -abbrüchen. Die ASC4FIRST-Auswertung legt nahe, dass Asciminib aufgrund der guten Effektivität und der günstigen Nebenwirkungsrate in Zukunft einen Stellenwert in der Erstlinienbehandlung der CML haben wird. 

Quellen:
1. Platzbecker U et al. EHA 2024; Abstract S102
2. Hochhaus A et al. EHA 2024; Abstract S103

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Zwei Abstracts auf dem EHA-Kongress zeigen neue zielgerichtete Substanzen bei myeloischen Leukämien. Zwei Abstracts auf dem EHA-Kongress zeigen neue zielgerichtete Substanzen bei myeloischen Leukämien. © elenabsl – stock.adobe.com
Privatdozentin Dr. Madlen Jentzsch, Universitätsklinikum Leipzig Privatdozentin Dr. Madlen Jentzsch, Universitätsklinikum Leipzig © zVg