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Neue Zielstrukturen stehen im Fokus

Die Weiterentwicklung von Therapien bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn läuft auf Hochtouren. Über den aktuellen Stand berichtete Prof. Dr. Silvio Danese von der Vita-Salute San Raffaele Universitätsklinik in Mailand. Eine neue relevante Zielstruktur ist der TNF-like-Ligand 1A (TL1A), der nicht nur für die inflammatorische Kaskade, sondern auch bei der Aktivierung von Fibroblasten eine Rolle spielt. Daher verspricht die Hemmung von TL1A gleichzeitig eine antiinflammative und antifibrotische Wirkung. In einer Phase-2-Studie führte die Therapie von Menschen mit moderater bis schwerer Colitis ulcerosa mit dem TL1A-Antikörper Tulisokibart zu signifikant mehr klinischen Remissionen als mit Placebo (26,5 % vs. 1,5 %). Mit einem genetischen Test, der die Wahrscheinlichkeit für ein Ansprechen abschätzt, wurden noch höhere klinische Remissionsraten erzielt (33 % vs. 11 %). Auch ein bispezifischer Antikörper mit diesem Wirkmechanismus befindet sich in der Entwicklung. Prof. Danese hält es für sehr wahrscheinlich, dass diese Art der Therapie in die Klinik kommt.
In die Inflammationskaskade bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen ist auch MicroRNA (miRNA) involviert. Ein erster Vertreter einer Wirkstoffgruppe, die darauf Einfluss nimmt, ist Obefazimod, eine orale Substanz, die spezifisch und selektiv die Expression von miRNA-124 hochreguliert und so antiinflammativ wirken soll.
Über 50 % Remissionsrate unter Obefazimod
In einer Phase-2-Studie wurden mit Obefazimod zur Therapie von Menschen mit moderater bis schwerer Colitis ulcerosa über die Studiendauer von 96 Wochen klinische Remissionsrate von über 50 % erreicht. Eine Phase-3-Studie ist fast abgeschlossen und die Substanz wird auch als Kombinationspartner für andere Therapien untersucht.
Die Tyrosinkinase 2 (TYK2) gehört zur Familie der Januskinasen (JAK) und vermittelt über Signalwege des angeborenen und adaptiven Immunsystems Entzündungsreaktionen. Inhibitoren der Januskinase sind bereits zur Therapie von CED etabliert. Ein neuer TYK2-Inhibitor (Zasocitinib) befindet sich gerade in der Weiterentwicklung für die Indikation CED.
Ein anderer Therapieansatz ist die Modulation des Immunmetabolismus sowohl über einen intrazellulären als auch einen parallel stattfindenden extrazellulären Mechanismus. Ein Beispiel ist NX-13, ein NLRX1*-Agonist. Intrazellulär reduziert er reaktive Sauerstoffspezies. Extrazellulär moduliert er gleichzeitig inflammatorische Signalwege, die bei der Entzündungsreaktion im Zusammenhang mit Symptomen und Schüben bei Colitis ulcerosa eine Rolle spielen. In einer Phase-1b-Studie sprachen bei einer Dosis von 250 mg NX-13 72 % der Patientinnen und Patienten klinisch an und 36 % nach vier Wochen endoskopisch beziehungsweise histologisch.
Ein weiteres in der Entwicklung befindliches Therapieprinzip ist die Hemmung der intrazellulären Serin/Threonin-Kinase RIPK1**. Sie ist ein zentrales Molekül bei der Regulation verschiedener proinflammatorischer Signalwege und ist ebenso an der Steuerung von Apoptose und Nekroptose beteiligt. Ein erster Vertreter eines RIPK1-Inhibitors (SAR443122) wird aktuell in einer Phase-2-Studie placebokontrolliert bei Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer Colitis ulcerosa geprüft.
Immer wieder werden in Studien bei Patientinnen und Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen nach einem Jahr klinische Remissionsraten von 30 bis 40 % erreicht, aber es gelingt kaum, diese Raten deutlich zu erhöhen. Um diesen Deckeneffekt zu durchbrechen, ist ein noch besseres Verständnis der Pathogenese und der Treiber der Krankheitsaktivität wichtig, betonte Prof. Danese. Wünschenswert wäre die Entwicklung einer molekularen Klassifikation, um das zielgerichtete Management von CED zu verbessern.
Aktuell gibt es bei vielen verschiedenen Therapieoptionen keine Evidenz für eine optimale Therapiesequenz bei Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa. So geben die entsprechenden aktualisierten S3-Leitlinien der AWMF*** für die bestehenden Therapeutika bei CED keine Priorisierung vor, sondern nennen die verfügbaren fortgeschrittenen Therapien in alphabetischer Reihenfolge. Die Therapie basiert weiterhin auf einer individuell auf jede einzelne Patientin bzw. jeden einzelnen Patienten zugeschnittenen Entscheidung – demnächst wahrscheinlich bei noch mehr Behandlungsoptionen.
* nucleotide-binding oligomerization domain (NOD)-like receptor
** Receptor-interacting serine/threonine-protein kinase
*** Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V.
Quelle: Viszeralmedizin 2024
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