
Neuere Antidepressiva plus kognitive Verhaltenstherapie sind erste Wahl

Um eine Angststörung zu klassifizieren und ihren Schweregrad zu erfassen, muss eine umfassende Anamnese der Symptomatik erfolgen. Diese schließt strukturierte Interviews, Rating-Skalen sowie Selbst- und Fremdeinschätzungen ein. Um komorbide Störungen nicht zu übersehen und mögliche andere Ursachen auszuschließen, muss die Diagnostik durch eine körperliche Untersuchung sowie Laboranalyse und apparative Untersuchungen (EKG, Bildgebung, eventuell EEG) ergänzt werden. Den aktuellen Stand der Behandlung von Angsterkrankungen gemäß internationaler Leitlinien und Diagnosekriterien haben Prof. Dr. Erich Seifritz von der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich und seine Kollegen zusammengefasst.
Es gibt eine Reihe von relevanten Aspekten, die für die Einleitung einer Therapie berücksichtigt werden müssen. Dazu gehören Begleiterkrankungen, frühere Behandlungsversuche und deren Erfolg sowie der Schweregrad der Erkrankung. Ein Therapieansatz, der sich aus Psychopharmaka und Psychotherapie zusammensetzt, ist in der Regel erfolgreicher als deren alleinige Anwendung.
Neuere Antidepressiva gelten als Medikamente der ersten Wahl in der lang- und mittelfristigen Therapie von Angsterkrankungen. Denn sie machen nicht abhängig und haben ein relativ günstiges Nebenwirkungsprofil. Ihre Wirkung tritt jedoch verzögert ein, worüber man die Patienten unbedingt vorher aufklären muss, schreiben die Experten. Hat die Therapie den Patienten in Remission gebracht, sollte sie noch für weitere sechs bis zwölf Monate weiterlaufen. Nach längerer Anwendung müssen Patienten die Antidepressiva langsam ausschleichen, um kein Absetzsyndrom zu riskieren.
Zur langfristigen Therapie von Panikstörung oder Agoraphobie sollten primär SSRI (Citalopram, Escitalopram, Paroxetin, Sertralin) oder das SNRI Venlafaxin eingesetzt werden. In zweiter Linie kommt das Trizyklikum Clomipramin in Betracht. Escitalopram und Paroxetin sowie die SNRI Duloxetin und Venlafaxin sind auch Medikamente der ersten Wahl bei generalisierter Angststörung, ebenso Agomelatin und Pregabalin. Eine starke akute Angstsymptomatik mit schwerer Unruhe, z.B. eine Panikattacke, kann für maximal drei bis vier Wochen auch mit einem Benzodiazepin in adäquater Dosis, z.B. 1–2,5 mg Lorazepam, behandelt werden.
Auch eine soziale Phobie sollte zunächst mit Escitalopram, Paroxetin, Sertralin oder Venlafaxin behandelt werden. Wenn dies nicht erfolgreich war oder nicht toleriert wurde, kommt Moclobemid in Betracht.
Analog zu Depressionen kann man bei Angststörungen von einer Therapieresistenz ausgehen, wenn zwei ausreichend dosierte Medikamente nach jeweils vier bis sechs Wochen nicht genügend wirksam waren. Dabei sollten Spiegelkontrollen eine zuverlässige Einnahme sichern.
Als Psychotherapie der Wahl wird bei allen Formen von Angsterkrankungen die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) eingesetzt. Wenn sie nicht zum Erfolg geführt hat, nicht verfügbar ist oder der Patient eine andere Art der Therapie vorzieht, steht die psychodynamische Psychotherapie an zweiter Stelle. Bei Angsterkrankungen im Kindesalter hat die KVT hohe Wirksamkeit gezeigt. Für eine zusätzliche (oder alternative) Medikation sind in erster Linie SSRI geeignet (Sertralin oder Fluvoxamin), in zweiter Linie auch Venlafaxin oder Duloxetin.
Der Blick auf das Nebenwirkungs- und Interaktionsprofil wird bei älteren Menschen besonders bedeutsam. Diese Patienten sind anfälliger für anticholinerge Effekte (z.B. Trizyklika oder Paroxetin), extrapyramidalmotorische Symptome, orthostatische Hypotonie oder EKG-Veränderungen.
Therapiepause in der Schwangerschaft ist riskant
In der Schwangerschaft scheinen SSRI und Trizyklika und auch Benzodiazepine relativ sicher zu sein. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Einnahme dieser Medikamente zu fetalen Komplikationen, Missbildungen oder Frühgeburtlichkeit führt. Lediglich für Paroxetin lassen sich Bedenken nicht vollständig ausräumen. Problematischer für das Ungeborene ist auf jeden Fall eine unbehandelte psychische Erkrankung der Mutter.
Patienten mit generalisierter Angststörung oder Panikstörung haben ein hohes Risiko für andere psychische Folgeerkrankungen, vor allem Depressionen, somatoforme Störungen, Alkoholabhängigkeit oder eine andere Angsterkrankung. Solche Komorbiditäten dominieren manchmal die Symptomatik. Es ist wichtig, dabei die zugrunde liegende Angsterkrankung nicht zu übersehen und adäquat zu behandeln.
Quelle: Seifritz E et al. Swiss Med Forum 2024; 24: 194-199; DOI: 10.4414/smf.2024.1398963534
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).