Neues Hüftgelenk im hohen Alter en vogue

Dr. Dorothea Ranft

Welche Faktoren vor und nach der Op. wichtig sind! Welche Faktoren vor und nach der Op. wichtig sind! © thinkstock

Immer mehr hochbetagte Menschen lassen sich ein neues Hüftgelenk einbauen, um ihre Mobilität zu erhalten. Dieser Eingriff ist selbst bei über 80-Jährigen sicher – wenn man das individuelle Risikoprofil erfasst und bereits im Vorfeld Anzeichen einer möglichen Komplikation entgegensteuert.

Mit zunehmendem Alter steigt auch die Zahl der Begleiterkrankungen wie Diabetes, Herzinsuffizienz und Harnwegsinfekte, die das Risiko für periprothetische Infektionen erhöhen. Dabei sollte perioperativ vor allem auf einen gut eingestellten Blutzuckerspiegel geachtet werden, raten Privatdozent Dr. Tim Claßen und Kollegen vom orthopädischen Universitätsklinikum Essen. Auch die asymptomatische Bakteriurie, an der vor allem ältere Frauen häufig leiden, kann Keime ans neue Gelenk locken und muss deshalb vor dem Eingriff saniert werden. Die einmalige präoperative Antibiotikagabe reicht dabei nicht aus.

Hohe Proteinzufuhr beugt Stürzen vor

Ein weiterer wichtiger Risikofaktor für Infekte ist die Mangelernährung, die zunehmend adipöse Patienten betrifft. Vor allem an Eisen, Vitamin B12, Kalzium und Vitamin D fehlt es ihnen oft, als wichtiger Fingerzeig gilt ein erniedrigtes Serumalbumin. Die Ernährung spielt darüber hinaus eine entscheidende Rolle u.a. bei der Sturzprävention.

Ältere Menschen mit hoher Proteinzufuhr zeigen im Vergleich zu denjenigen mit niedriger Eiweißaufnahme einen um 40 % geringeren Muskelabbau. Eine Rehabilitation mit speziellem Ernährungsprogramm zusätzlich zur Physiotherapie stärkt nachweislich Muskelmasse und Kraft. Im Vergleich zur „Standard-Reha“ kommt es seltener zu Stürzen, die Lebensqualität steigt und die Mortalitätsrate sinkt.

Mit vermehrten Thromboembolien muss man bei über 70-Jährigen generell rechnen, betroffen sind vor allem Frauen und Patienten mit einem BMI > 30 kg/m2. Die Niereninsuffizienz sorgt erstaunlicherweise erst im dialysepflichtigen Stadium für eine deutlich vermehrte Komplikationsrate.

Herzrisiko besteht noch acht Jahre nach dem Eingriff

Dringend achten sollte man bei der Auswahl und Vorbereitung der Operationskandidaten auf das Herz-Kreislauf-Risiko, so die Empfehlung der Autoren: In einer Studie mit mehr als 90 000 Patienten war die kardiovaskuläre Morbidität selbst mehr als acht Jahre nach der Implantation einer Totalendoprothese (TEP) des Hüftgelenks noch signifikant erhöht.

Über 3000 Prothesen

Zwischen 2010 und 2015 wurden in der orthopädischen Universitätsklinik Essen 3166 Patienten primär endoprothetisch (Hüfte und Knie) versorgt, 439 Patienten waren älter als 80 Jahre. Unter den Komplikationen dominierte das internistischallgemeinchirurgische Risiko mit 7 %, die intraoperative Komplikationsrate lag bei 1,14 %, das Risiko, bei postoperativen Stürzen eine Fraktur oder Subarachnoidalblutung zu erleiden, bei 1,4 %. Die Patienten wurden im Mittel einen Tag vor der Operation aufgenommen und elf Tage postoperativ entlassen – fast alle in eine stationäre Rehabilitation.
Für weitere Probleme kann der bei älteren Menschen oft erhöhte Bedarf an allogenen Bluttransfusionen sorgen. Knapp die Hälfte der Patienten im Renten-alter leidet an einer Anämie – wegen diverser Erkrankungen, aber auch wegen des verbreiteten Defizits an Eisen, Folsäure und Vitamin B12. Gleichzeitig ist die Kompensationsfähigkeit bei Sauerstoffmangel beeinträchtigt.

Schmerzen teils auch bei gut sitzender TEP

Selbst wenn die Prothesen nach Implantation regelrecht sitzt, besteht im Alter zunehmend die Gefahr, chronische Schmerzen zu entwickeln. Außerdem fällt es gerade bei kognitiv eingeschränkten Patienten oft schwer, den Analgetikabedarf richtig einzuschätzen. Mit zunehmendem Alter steigt zudem das Risiko für ein postoperatives Delir, an dem bis zu 10 % der endoprothetisch versorgten Patienten erkranken. Vorsicht ist nach dem Eingriff mit Benzodiazepinen geboten, denn diese steigern dosisabhängig den Bedarf für Revisionsoperationen.

Ultraschnelle häusliche Entlassungen innerhalb einer Woche („fast track surgery“) sind bei über 80-Jährigen mit elektivem Hüftersatz meist ebenso wenig möglich wie bei Senioren mit psychischen Erkrankungen. Das ändert aber nichts daran, dass auch die Älteren zeitnah mobilisiert werden sollten. Das gelingt am besten mit einem zementierten Implantat, denn rein knöchern verankerte Endoprothesen sind in den ersten sechs Wochen oft nur eingeschränkt belastbar. Als weiteres Argument für Knochenzement führen die Autoren die oft begleitende Osteo- porose an. Betroffene erleiden mit zementfreier Versorgung häufiger intraoperative Frakturen.

Quelle: Claßen et al. Orthopäde 2017; 46: 25-33 

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Welche Faktoren vor und nach der Op. wichtig sind! Welche Faktoren vor und nach der Op. wichtig sind! © thinkstock
TEP links, TEP rechts – letztlich soll mehr Mobilität dabei rausspringen. TEP links, TEP rechts – letztlich soll mehr Mobilität dabei rausspringen. © thinkstock