Neuropathie-Symptome im Griff behalten

Dr. Dorothea Ranft, Foto: fotolia, Africa Studio

Ein Patient mit neuropathischen Schmerzen spricht auf die medikamentöse Therapie nicht an? Dann lohnt sich ein Blick auf den zugrunde liegenden Schädigungsmechanismus. Ein erfahrener Neurologe erläutert, wie Sie diese Schmerz-Phänotypen mit einfachen Bedside-Tests erkennen.

Eine kürzlich publizierte Metaanalyse* zur Behandlung neuropathischer Schmerzen ermittelte die beste Evidenz für duale Reuptake-Hemmer (SSNRI**), trizyklische Antidepressiva und Antikonvulsiva, erklärte Professor Dr. Christian Maihöfner, Klinikum Fürth. Als zweite Wahl werden Tramadol und topisches Capsaicin bzw. Lidocain angeführt.

An dritter Stelle rangieren starke Opioide (und Botulinumtoxin). Kombinationen ermöglichen ggf. bessere Analgesie bei geringer Nebenwirkungsrate. Falls Sie mit den genannten Substanzen Ihr Ziel nicht erreichen, kann eine mechanismen-basierte Therapie weiterhelfen.

Wirkstoffe gegen 
Neuropathieschmerz
Antidepressiva
  • 
TCA: Amitriptylin, Nortriptylin, 
Desipramin
  • SSNRI: Venlafaxin, Duloxetin
Antikonvulsiva

  • Pregabalin, Gabapentin, Carbamazepin, Oxcarbazepin, Lamotrigin
Opioide
  • 
Tramadol, Morphin, Oxycodon

Antidepressiva dämpfen den Neuropathie-Schmerz am besten!

Dass es unterschiedliche Schmerz­phänotypen gibt, verdeutlichte Prof. Maihöfner u.a. am Beispiel eines Patienten mit beidseitigen neuropathischen Schmerzen im Ausbreitungsgebiet Th9 nach schwerem Wirbelsäulentrauma. Pregabalin (Enddosis 450 mg/d) wirkte gut auf der rechten Seite, wo die sensorische Funktion weitgehend erhalten war, links aber kaum – wahrscheinlich weil die präsynaptische Blockade der Ionenkanäle (aufgrund der Deafferenzierung) nicht zum Tragen kam.

Auch bei der HIV-assoziierten Neuropathie richtet sich der Therapieerfolg nach dem Schmerzmechanismus. Patienten mit schwerer Hyperalgesie im Pinprick-Test – was sich leicht mit einem Zahnstocher prüfen lässt – sprechen gut auf Pregabalin an.

Verschieden Schmerz-"Typen" erfordern differenzierte Therapie

Bei Oxcarbazepin scheint die Erfolgschance ebenfalls vom Phänotyp abzuhängen. In einer Studie zur peripheren Neuropathie profitierten vor allem Patienten mit thermischer und/oder mechanischer Hyperalgesie („irritable nociceptors“).

Das zur Therapie der diabetischen Neuropathie zugelassene Duloxetin erzielt vor allem bei Patienten mit guter deszendierender Schmerzhemmung gute Erfolge. Prüfen lässt sich die Inhibition z.B. mit dem Eiswassertest. Wenn sich der Schmerz am Fuß durch die Kälteapplikation an der Hand bessert, können Sie den SNRI einsetzen, verdeutlichte Prof. Maihöfner.

Allerlei Schmerzqualitäten auch bei Zoster-Neuropathie
Auch innerhalb einer Erkrankung gibt es verschiedene Schmerzmechanismen, wie Prof. Maihöfner am Beispiel der Post-Zoster-Neuralgien darlegte:

Ein Patient hatte eher eine Deafferenzierung der dünnen und dicken Fasern, mit mechanischen und taktilen sowie Temperatur-Hypästhesien.

Der zweite wies eine Hyperalgesie für Hitze und Druck auf, Kardinalphänomene einer peripheren Sensibilisierung wie beim Sonnenbrand.

Capsaicin ermöglicht Dosisreduktion der Komedikation

Die Indikation für topisches Capsaicin umfasst periphere neuropathische Schmerzen unterschiedlicher Genese – einschließlich Diabetes. Durch die einmalige Anwendung des Pflasters erreicht man eine Schmerzreduktion über mindestens zwölf Wochen. Besonders gut ist die Wirkung bei Brennschmerz bzw. tonischer Hyperalgesie (Schmerzverstärkung bei Druck auf die Haut) – und wenn das Medikament frühzeitig eingesetzt wird. Prof. Maihöfner schätzt Capsaicin auch als Kombinationspartner, der eine Dosisreduktion anderer Wirkstoffe ermöglicht und so die Nebenwirkungen reduziert.

Das Pflaster mit Lidocainhydrogel (5 %) ist zwar speziell für Post-Zoster-Schmerzen zugelassen, Prof. Maihöfner setzt es aber auch erfolgreich „off-label“ bei anderen territorialen Neuropathien, Allodynien und M. Sudeck (CRPS) ein. Es wird für 12 Stunden aufgeklebt, dann folgen 12 Stunden Pause. Je nach Größe des schmerzenden Bereichs sind bis zu drei Pflaster erlaubt. Besonders gut wirkt Lidocain bei Patienten mit „Faserverlust“ (Nozizeptordegeneration) und erhöhter Hitzehemmschwelle). Letztere lässt sich einfach mittels Thermostab ermitteln.

*Nanna B. Finnerup et al., Lancet Neurology 2015; 14: 162-173; doi: 10.1016/S1474-4422(14)70251-0

**Selective Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Inhibitor

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