
Neuropathischer Schmerz – was ist im Alter anders?
Hinsichtlich der Verdachtsmomente für eine neuropathische Schmerzgenese (z.B. brennende, einschießende Sensationen) unterscheiden sich Senioren nicht von jüngeren Patienten. Dennoch stehen einer suffizienten Schmerzdiagnostik im Alltag zahlreiche Hindernisse im Wege, erklärte Privatdozent Dr. Albert Lukas vom Malteser Krankenhaus in Bonn. So berichten viele ältere Patienten nicht von selbst über Schmerzen, teils auch weil sie diese als altersbedingt und irreparabel einstufen.
Der Kollege empfiehlt deshalb, immer gezielt nach Schmerzen zu fragen, ruhig in einfacher Sprache („Tut’s da weh?“), weil kognitiv eingeschränkte Patienten diese leichter verstehen. Wer Rating-Skalen benutzt, sollte verbale wählen (z.B. leicht, mittel, schwer), denn damit kommen ältere Patienten besser zurecht als mit numerischen Skalen oder Smileys.
Alte Patienten kommen mit Smiley- und Schmerz-Skalen nicht zurecht
Eine besondere Herausforderung stellt die Untersuchung Demenzkranker dar. Denn diese Patienten verstehen Worte nicht mehr zuverlässig und antworten beispielsweise auf die Frage nach Schmerzen mit „Nein“, obwohl sie daran leiden. Oft lässt sich das Befinden nur an nonverbalen Zeichen (wie Mimik, Laute) ablesen.
Ein „Wahrnehmungstraining“ im Internet, das der Referent empfahl, soll Ärzte dabei schulen. Gefragt sind realistische Ziele, zum Beispiel eine Schmerzreduktion um 30 bis 50 % sowie eine Verbesserung des Schlafs und der Lebensqualität. Senioren wollen vor allem ihre Selbstständigkeit im Alltag erhalten, deshalb lautet der am häufigsten geäußerte Wunsch: „Ich will wieder gehen können“.
Demente Patienten besser verstehen
Schmerztherapie zurückhaltend beginnen
Bei der medikamentösen Behandlung gilt gerade im Senium das Motto: Mit niedriger Dosis beginnen und langsam steigern („start low, go slow“). Wichtig sind regelmäßige Erfolgskontrollen (Algesie, Depressivität, Schlaf) und Geduld bei der Bewertung des Therapieerfolgs: Erst frühestens nach zwei bis drei Wochen darf eine Behandlung als wirkungslos eingestuft werden.Gastrointestinale Resorption und renale Elimination nehmen mit dem Alter meist deutlich ab. Schon bei einem „normalen“ Kreatinin-Wert von 1,1 muss man bei bis 80-jährigen Patienten mit einer GFR von 30 ml/min rechnen. Zudem entwickeln die meist polymorbiden Senioren vermehrt Nebenwirkungen und Interaktionen.
Bei neuropathischem Schmerz helfen Antikonvulsiva und SSNRI
Therapeutisch werden bei neuropathischen Schmerzen vor allem Antikonvulsiva, Antidepressiva (SNRI) und Opioide eingesetzt. Für Gabapentin empfiehlt Dr. Lukas eine Startdosis von 300 mg/d, bei Pregabalin sollte man mit 25 mg/d beginnen und diese langsam steigern, vielen betagten Patienten genügt schließlich eine Tagesdosis von 75 mg. Womit man rechnen muss: Beide Antiepileptika können Müdigkeit, Schwindel und Verwirrtheit auslösen – vor allem bei zu rascher Aufdosierung.Trizyklika wie Amitriptylin meidet der Bonner Geriater wegen deren anticholinerger und kardialer Nebenwirkungen. Im Alter verträglicher erscheinen SNRI* Duloxetin (Startdosis 30 mg/d) und Venlafaxin (2 x 37,5 mg/d). Allerdings muss man unter den SNRI mit Hyponatriämien (Verwirrtheit, Gangstörungen) rechnen, warnte der Referent. Unter den Opioiden der WHO-Stufe 2 setzt Dr. Lukas vor allem Tilidin/Naloxon ein, das vergleichbar wirksame Tramadol führe vermehrt zu Übelkeit.
Hydromorphon verursacht wenige Nebenwirkungen
Bei anhaltenden Schmerzen oder intolerablen Nebenwirkungen kommt eine Kombinationstherapie mit verschiedenen Wirkprinzipien infrage oder der Einsatz hochpotenter Opioide wie Hydromorphon, das vom Nebenwirkungsspektrum im Alter besonders günstig ist.Schmerz-App
*Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Inhibitor
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