Finger weg von Opioiden bei neuropathischen Schmerzen

Dr. Michael Brendler

Abhängigkeit und Überdosierung statt Besserung. Abhängigkeit und Überdosierung statt Besserung. © fotolia/Victor Moussa

In der Therapie neuropathischer Schmerzen schaden Opiate offenbar mehr, als sie nutzen. Das ist die ernüchternde Erkenntnis aus einer großen Kohortenstudie.

Ärzte sind mit Opiaten viel zu geizig, das war jahrelang immer wieder zu hören. Inzwischen könnte eher das Gegenteil der Fall sein. Unter den Patienten mit neuropathischen Schmerzen dürften z.B. mehr als zwei Drittel der Betroffenen diese Medikamente erhalten, berichten Dr. Ernest M.Hoffman von der neurologischen Abteilung der Mayo Klinik in Rochester und Kollegen.

Welche Folgen das hat, untersuchte das Team in einer retrospektiven Kohortenstudie anhand der Daten von mehr als 17 000 Ambulanzpatienten. Knapp 3000 von ihnen hatten neuropathische Schmerzen. Beinahe 70 % bekamen dagegen Opioide, jeder Fünfte davon länger als 90 Tage.

Schwierigkeiten im Alltag, Depressionen und Arbeitsunfähigkeit

Gerade diese Nutzer standen auf dem Prüfstand. Als Ziel der Therapie gilt es bei ihnen, die Beschwerden zu lindern und den funktionellen Status zu bessern. Scheinbar ist aber das Gegenteil der Fall: Die Langzeittherapierten klagten im Vergleich mit kurzzeitig Versorgten nicht nur mehr als doppelt so häufig über weiter fortbestehende Schmerzsymptome, sie hatten auch mehr Schwierigkeiten, ihren Alltag zu bewältigen. Treppensteigen fiel ihnen schwerer, sie waren häufiger auf medizinische Hilfsmittel angewiesen und öfter arbeitsunfähig.

Nach 90 Tagen Opiat-Analgesie gesellten sich oft neue Probleme dazu: Depressionen, Überdosierungen, Abhängigkeiten vom Medikament oder anderen chemischen Substanzen. Die Forscher weisen zudem darauf hin, dass die meisten Patienten die Schmerzmittel gar nicht wegen der neuropathischen, sondern wegen muskuloskelettaler Probleme bekamen.

Noch nicht ganz geklärt sei allerdings eine Frage: Möglicherweise lässt sich das schlechte funktionelle Outcome unter längerer Behandlung dadurch erklären, dass gerade die am stärksten Geplagten am häufigsten ein Opiatrezept erhalten. „Aber selbst wenn sich das als richtig erweisen würde“, heißt es in dem Artikel, „deuten die Ergebnisse nicht darauf hin, dass sich der Status der Betroffenen dadurch verbessert hätte.“

Quelle: Hoffman EM et al. Jama Neurology 2017; 74: 773-779.

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