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Den Nerv getroffen

Medikamente der ersten Wahl bei neuropathischen Schmerzen sind Amitriptylin, die Kalziumkanalblocker Gabapentin und Pregabalin sowie der Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Inhibitor Duloxetin. Alle diese Medikamente wirken aber nicht bei jedem Patienten, zudem limitieren Nebenwirkungen oft die Anwendung, sagte Privatdozentin Dr. Tanja Schlereth vom Fachbereich Neurologie der DKD Helios Klinik Wiesbaden. Man geht also in der Regel nach dem Prinzip „trial and error“ vor oder versucht es mit einer Kombination. Neue effektive und gut verträgliche Medikamente sind somit hochwillkommen.
Ein pathophysiologisch gut begründeter Ansatz bei neuropathischem Schmerz wäre die selektive Blockade von Natriumkanälen. Mehrere Natriumblocker befinden sich bereits anderswo im Einsatz. Dazu gehören Oxcarbazepin für die Epilepsie und das für Trigeminusneuralgie und diabetische Polyneuropathie zugelassene Carbamazepin, das aber zahlreiche Nebenwirkungen aufweist. Zu Lamotrigin gibt es kleine positive Studien bei HIV-Neuropathie und nach Rückenmarksverletzungen – gegen chemotherapieinduzierte Polyneuropathie zeigte es keine Wirkungen und gegen die diabetische Polyneuropathie nur in hoher Dosierung. Für das Antiepileptikum Lacosamid fand man leichte Effekte bei diabetischer Polyneuropathie, aber wiederum nicht bei allen Patienten.
Ein anderes mögliches Therapieprinzip wäre die Blockade von N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptoren. Ketamin lindert über die NMDA-Rezeptorblockade Schmerzen, muss aber intravenös angewandt werden und wirkt nur kurz. Zudem drohen Lebertoxizität und psychomimetische Wirkungen.
Botulinumtoxin wirkt lange und ist nebenwirkungsarm
Auch Opioide sind bei neuropathischen Schmerzen keine besonders gute Alternative und nur dritte Wahl. Nach aktuellen Daten profitiert nur etwa ein Drittel der Patienten von der Therapie, 14 % brechen sie wegen Unverträglichkeit ab. Unter dem Strich gibt es also zurzeit keine neuen Lichtstreifen am systemischen Horizont, so das Fazit der Neurologin.
Eine mögliche (Off-Label-) Alternative kann die lokale Anwendung von Botulinum-Neurotoxin A sein, wie Dr. Andreas Schwarzer von der Abteilung für Schmerzmedizin am BG Universitätsklinikum Bergmannsheil in Bochum ausführte. Der schmerzlindernde Effekt der Substanz wurde mehr oder weniger zufällig entdeckt und lässt sich vor allem für fokal begrenzte Beschwerden nutzen. Der genaue Wirkmechanismus ist nicht ganz geklärt – man diskutiert periphere Effekte auf die nozizeptiven Fasern sowie zusätzliche zentrale Wirkungen.
Die intradermale Injektion in die vom Schmerz betroffenen Hautareale lässt sich recht einfach durchführen. In einer Studie konnte die schmerzlindernde Wirkung mittels zweier Injektion im Abstand von zwölf Wochen über 24 Wochen aufrechterhalten werden. Prädiktor für ein gutes Ansprechen ist eine Allodynie bei erhaltender Thermorezeption.
Etwas aufwändiger gestaltet sich die perineurale Botolinumtoxin-Therapie, da sie ein Nerven-Sono erforderlich macht. Beide Verfahren sind aber nebenwirkungsarm und werden von den Patienten aufgrund der guten Langzeitwirkung sehr geschätzt.
Wann Capsaicin besser oder schlechter wirkt
Capsaicin für neuropathische Schmerzen jeder Art geeignet
Als weitere lokale Therapie bei neuropathischem Schmerz stellte Manon Sendel von der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, die Capsaicin-Applikation im betroffenen Areal vor. Nach initialer Hyperalgesie und neurogener Inflammation kommt es nachfolgend zu einer anhaltenden Analgesie. Capsaicin eignet sich für alle Formen neuropathischer Schmerzen. Die häufige Frage der Patienten, „ob es besser wirkt, wenn es anfangs mehr brennt“, muss mit nein beantwortet werden – es besteht dafür keine Korrelation. Aktuelle Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Anwendung von Capsaicin möglicherweise auch die Regeneration der geschädigten Nerven fördert.Quelle: Deutscher Schmerzkongress 2021
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