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Oligometastasen stereotaktisch bestrahlen

Mehr und mehr versucht man heute, zahlenmäßig begrenzte Fernmetastasen zu operieren oder zu bestrahlen – in durchaus kurativer Absicht. Bislang gibt es dazu keine randomisierten Studien, aber zwei große Analysen zeigen nun, dass ein solches Vorgehen – hier mit stereotaktischer Bestrahlung – durchaus Erfolge vorweisen kann.
Die Grenze zwischen der lokalen und der fernmetastasierten Situation ist seit geraumer Zeit durchlässig geworden: Beim kolorektalen Karzinom zum Beispiel, das wenige und gut behandelbare Lebermetastasen ausgebildet hat, ist deren Operation mittlerweile beinahe Routine – mit guten Erfolgen. Auch für andere Tumoren wurde bereits 1995 in den USA das Paradigma der Oligometastasierung entwickelt: Ihm zufolge können anatomische und physiologische Faktoren bei bestimmten Tumoren die Anzahl der Fernmetastasen begrenzen und ihr Auftreten auf ein oder wenige Organe beschränken. Eine aggressive Lokaltherapie dieser Oligometastasen – etwa mithilfe einer stereotaktischen ablativen Radiotherapie –, so die daraus entstandene Hypothese, könnte bei manchen Patienten zu einer dauerhaften Kontrolle des malignen Wachstums führen.
Aderhautmelanom als Indikation für Radiochirurgie
Quelle: Parker T et al. Lancet Oncol 2020; 21: 1526-1536; DOI: 10.1016/S1470-2045(20)30459-9
Stereotaxie gut verträglich und wirksam
In der ersten Übersicht wurden 21 zwischen 2004 und 2020 publizierte prospektive Studien analysiert. Eingeschlossen waren 943 Patienten aus USA, Kanada, Europa und Australien mit insgesamt 1290 Oligometastasen (maximal fünf).1 Endpunkte umfassten akute und späte Nebenwirkungen vom Grad 3–5 sowie die Ein-Jahres-Daten zu lokaler Tumorkontrolle, Gesamt- und progressionsfreiem Überleben. Die Krebskranken hatten zu Beginn der jeweiligen Studie ein median Alter von 63,8 Jahren. Das mediane Follow-up belief sich auf 16,9 Monate. Knapp zwei Drittel der Tumoren betrafen Prostata, Kolorektum, Brust und Lunge, schreiben die Wissenschaftler um Dr. Eric J. Lehrer vom Department of Radiation Oncology der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York. Die Teilnehmer vertrugen die Bestrahlung meist gut: Akute schwere Toxizitäten traten bei 1,2 % der Patienten auf und Spätreaktionen vom Grad 3–5 bei 1,7 %. Zwei Einzelstudien fielen mit Raten der späten Nebenwirkungen um 10 % aus der Reihe. Die Lokalkontrollrate nach einem Jahr lag mit 94,7% sehr hoch, die Gesamtüberlebensrate erreichte 85,4 %. Etwa die Hälfte der Patienten (51,4 %) lebten nach einem Jahr noch progressionsfrei. Die zweite Publikation ist den Autoren um Dr. Ian Poon vom Sunnybrook Odette Cancer Centre der University of Toronto zufolge die größte bisher zu dem Thema publizierte Fallserie.2 Aus sechs universitären Zentren in den USA, Kanada, Italien und Australien sammelten die Forscher die Daten von 1033 Patienten. Diese erhielten zwischen 2008 und 2016 insgesamt 1416 mal eine stereotaktische Radiatio. Die Patienten waren etwas älter als in der Metaanalyse (median 68 Jahre) und die mediane Nachbeobachtungsdauer fiel mit zwei Jahren etwas länger aus.Etwa 3,5 Jahre verstrichen, bis neue Fernmetastasen auftraten
Gut die Hälfte der Teilnehmer hatte lediglich eine Metastase außerhalb des Primarius, ein knappes Viertel zwei. Das Maximum betrug hier ebenfalls fünf Absiedlungen. Zielgrößen waren Gesamt- und progressionsfreies Überleben, das Auftreten weiterer Fernmetastasen, Rezidiv-Muster und Faktoren, die das Gesamtüberleben beeinflussten. Die mediane Gesamtüberlebensdauer betrug beinahe vier Jahre (44,2 Monate), 41,9 % der Patienten starben im Beobachtungszeitraum. Die progressionsfreie Überlebenszeit erreicht nur etwa ein Jahr (12,9 Monate), während bis zu einer zusätzlichen Fernmetastasierung median 42,5 Monate vergingen. Die Überlebensraten nach einem, drei und fünf Jahren bezifferten sich auf 84,1 %, 56,7 % bzw. 35,2 %. Progressionsfrei waren nach drei bzw. fünf Jahren 23,0 % bzw. 14,8 % der Erkrankten am Leben, ohne weitere Fernmetastasen 45,2 % bzw. 54,5 %. Diese Zahlen weisen darauf hin, dass seltener neue Fernmetastasen eine Krankheitsprogression bedingten, sondern vielmehr Rezidive der ursprünglichen Oligometastassen. Tatsächlich verursachte in etwa ein Drittel der Fälle das erste Rezidiv eine solche Progression. Von den Betroffenen unterzogen sich rund zwei Drittel noch einmal einer ablativen Behandlung aller bekannten Metastasen. Überdies identifizierten die Kollegen eine Reihe von Faktoren, die in einer multivariaten Analyse das Überleben beeinflussten: Günstig wirkte es sich aus, wenn die Oligometastasen- als metachrone Metastasen mehr als zwei Jahre nach dem Primärtumor diagnostiziert worden waren (Hazard Radio [HR] 0,63; p < 0,001),
- wenn sie nur in der Lunge auftraten (HR 0,58; p < 0,001) bzw.
- wenn es sich lediglich um Lymphknoten- oder Weichteilmetastasen handelte (HR 0,49; p = 0,02).
- die Brust (HR 3,73; p < 0,001),
- das Kolorektum (HR 5,75; p < 0,001),
- die Niere (HR 4,67; p < 0,001),
- die Lunge (HR 10,61; p < 0,001) sowie
- alle übrigen Tumorlokalisationen zusammen (HR 12,00; p < 0,001).
Hypothese sollte in Studien verifiziert werden
Beide Publikationen sprechen für einen positiven Effekt der stereotaktischen Bestrahlung von bis zu fünf Oligometastasen, wobei sich Unterschiede hinsichtlich Tumortyp sowie dem Zeitpunkt und der Lokalisation der Filiationen andeuten. Da bisher offenbar keine einzige kontrollierte Studie existiert, können diese Daten allerdings nur als hypothesengenerierend betrachtet werden. Sie stellen aber eine gute Basis für das Design weiterer großer, prospektiver und kontrollierter Studien dar. Eine Reihe solcher Untersuchungen läuft bereits, darunter auch welche, die sich auf bestimmte Histologien konzentrieren oder Patienten mit bis zu zehn Oligometastasen einschließen.Quellen:
1. Lehrer EJ et al. JAMA Oncol 2020; DOI: 10.1001/jamaoncol.2020.6146
2. Poon I et al. JAMA Netw Open 2020; 3: e2026312; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2020.26312
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