Oligometastasen stereotaktisch bestrahlen

Josef Gulden

Ist die Anzahl der Metastasen begrenzt, scheint die stereotaktische Bestrahlung erfolgsversprechend. Ist die Anzahl der Metastasen begrenzt, scheint die stereotaktische Bestrahlung erfolgsversprechend. © iStock/Design Cells

Krebspatienten mit Metas­tasen außerhalb regionaler Lymphknoten erhielten früher oft nur eine systemische Therapie. Bei zahlenmäßig begrenzten Metas­tasen hat sich die Strategie mittlerweile gewandelt und man setzt auf Resektion oder Bestrahlung der Läsionen. Mit Erfolg, wie aktuelle Analysen belegen.

Mehr und mehr versucht man heute, zahlenmäßig begrenzte Fernmetastasen zu operieren oder zu bestrahlen – in durchaus kurativer Absicht. Bislang gibt es dazu keine randomisierten Studien, aber zwei große Analysen zeigen nun, dass ein solches Vorgehen – hier mit stereotaktischer Bestrahlung – durchaus Erfolge vorweisen kann.

Die Grenze zwischen der lokalen und der fernmetastasierten Situation ist seit geraumer Zeit durchlässig geworden: Beim kolorektalen Karzinom zum Beispiel, das wenige und gut behandelbare Lebermetastasen ausgebildet hat, ist deren Operation mittlerweile beinahe Routine – mit guten Erfolgen. Auch für andere Tumoren wurde bereits 1995 in den USA das Paradigma der Oligometastasierung entwickelt: Ihm zufolge können anatomische und physiologische Faktoren bei bestimmten Tumoren die Anzahl der Fernmetastasen begrenzen und ihr Auftreten auf ein oder wenige Organe beschränken. Eine aggressive Lokaltherapie dieser Oligometastasen – etwa mithilfe einer stereotaktischen ablativen Radiotherapie –, so die daraus entstandene Hypothese, könnte bei manchen Patienten zu einer dauerhaften Kontrolle des malignen Wachstums führen.

Aderhautmelanom als Indikation für Radiochirurgie

Die stereotaktische Bestrahlung eignet sich nicht nur zur schonenden Therapie von Oligometastasen, sondern wird häufig bei intrakraniellen Tumoren (primär oder metastasiert) angewendet. Weil sie sich zur ablativen Behandlung von Malignomen in prekären und vulnerablen anatomischen Lokalisationen eignet, kommt sie auch immer wieder für intraokuläre Tumoren zum Einsatz. Kollegen an den Universitäten von Oxford und Pittsburgh nahmen in einer weiteren Metaanalyse diese Indikation – vor allem Aderhaut­melanome – in den Fokus. Sie untersuchten den Zeitraum von 60 Jahren zwischen 1960 und 2020 und identifizierten von 109 voll publizierten Studien 52, in denen die Tumoren mittels „Gamma Knife“ bestrahlt worden waren. Insgesamt 1010 Patienten hatten Aderhautmelanome und 34 intraokuläre Metastasen. Von den Publikationen eigneten sich 28 Studien für die Metaanalyse. Diese ergab, dass von 898 Erkrankten aus insgesamt 19 Studien die Therapie bei 840 eine lokale Tumorkontrolle erzielte (96 %). In 16 Studien hatten die Forscher analysiert, ob der Tumor schrumpfe, was bei 378 von 478 Patienten eintrat (81 %). Das Vorgehen scheint als primärer Behandlungsansatz für diese schwer zugänglichen Krebserkrankungen gut zu wirken und die Malignome zuverlässig zu kontrollieren. Gleichwohl, so die Autoren, wären randomisierte, kontrollierte Studienansätze wünschenswert, um Sicherheit und Wirksamkeit des „Gamma Knife“ zweifelsfrei nachzuweisen.

Quelle: Parker T et al. Lancet Oncol 2020; 21: 1526-1536; DOI: 10.1016/S1470-2045(20)30459-9

Dieses Therapiekonzept stand seitdem öfter auf dem Prüfstand, allerdings noch nie in einem gro­ßen, multizentrischen, randomisierten und kontrollierten Ansatz. Immerhin legen nun zwei Arbeitsgruppen eine Metaanalyse sowie eine retrospektive Fall­serie mit insgesamt hohen Patientenzahlen vor. Die Ergebnisse beider Publikationen sind vielversprechend und könnten als Basis für systematischere Untersuchungen dienen.

Stereotaxie gut verträglich und wirksam

In der ersten Übersicht wurden 21 zwischen 2004 und 2020 publizierte prospektive Studien analysiert. Eingeschlossen waren 943 Patienten aus USA, Kanada, Europa und Australien mit insgesamt 1290 Oligometastasen (maximal fünf).1 Endpunkte umfassten akute und späte Nebenwirkungen vom Grad 3–5 sowie die Ein-Jahres-Daten zu lokaler Tumorkontrolle, Gesamt- und progressionsfreiem Überleben. Die Krebskranken hatten zu Beginn der jeweiligen Studie ein median Alter von 63,8 Jahren. Das mediane Follow-up belief sich auf 16,9 Monate. Knapp zwei Drittel der Tumoren betrafen Prostata, Kolorektum, Brust und Lunge, schreiben die Wissenschaftler um Dr. Eric­ J. Lehrer­ vom Department of Radiation Oncology der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York. Die Teilnehmer vertrugen die Bestrahlung meist gut: Akute schwere Toxizitäten traten bei 1,2 % der Patienten auf und Spätreaktionen vom Grad 3–5 bei 1,7 %. Zwei Einzelstudien fielen mit Raten der späten Nebenwirkungen um 10 % aus der Reihe. Die Lokalkontrollrate nach einem Jahr lag mit 94,7% sehr hoch, die Gesamtüberlebensrate erreichte 85,4 %. Etwa die Hälfte der Patienten (51,4 %) lebten nach einem Jahr noch progressionsfrei. Die zweite Publikation ist den Autoren um Dr. Ian­ Poon­ vom Sunnybrook Odette Cancer Centre der University of Toronto zufolge die größte bisher zu dem Thema publizierte Fallserie.2 Aus sechs universitären Zentren in den USA, Kanada, Italien und Australien sammelten die Forscher die Daten von 1033 Patienten. Diese erhielten zwischen 2008 und 2016 insgesamt 1416 mal eine stereotaktische Radia­tio. Die Patienten waren etwas älter als in der Metaanalyse (median 68 Jahre) und die mediane Nachbeobachtungsdauer fiel mit zwei Jahren etwas länger aus.

Etwa 3,5 Jahre verstrichen, bis neue Fernmetastasen auftraten

Gut die Hälfte der Teilnehmer hatte lediglich eine Metastase außerhalb des Primarius, ein knappes Viertel zwei. Das Maximum betrug hier ebenfalls fünf Absiedlungen. Zielgrößen waren Gesamt- und progressionsfreies Überleben, das Auftreten weiterer Fernmetastasen, Rezidiv-Muster und Faktoren, die das Gesamtüberleben beeinflussten. Die mediane Gesamtüberlebensdauer betrug beinahe vier Jahre (44,2 Monate), 41,9 % der Patienten starben im Beobachtungszeitraum. Die progressionsfreie Überlebenszeit erreicht nur etwa ein Jahr (12,9 Monate), während bis zu einer zusätzlichen Fernmetastasierung median 42,5 Monate vergingen. Die Überlebensraten nach einem, drei und fünf Jahren bezifferten sich auf 84,1 %, 56,7 % bzw. 35,2 %. Progressionsfrei waren nach drei bzw. fünf Jahren 23,0 % bzw. 14,8 % der Erkrankten am Leben, ohne weitere Fernmetastasen 45,2 % bzw. 54,5 %. Diese Zahlen weisen darauf hin, dass seltener neue Fernmetastasen eine Krankheitsprogression bedingten, sondern vielmehr Rezidive der ursprünglichen Oligometastassen. Tatsächlich verursachte in etwa ein Drittel der Fälle das erste Rezidiv eine solche Progression. Von den Betroffenen unterzogen sich rund zwei Drittel noch einmal einer ablativen Behandlung aller bekannten Metastasen. Überdies identifizierten die Kollegen eine Reihe von Faktoren, die in einer multivariaten Analyse das Überleben beeinflussten: Günstig wirkte es sich aus, wenn die Oligometastasen
  • als metachrone Metastasen mehr als zwei Jahre nach dem Primärtumor diagnostiziert worden waren (Hazard Radio [HR] 0,63; p < 0,001),
  • wenn sie nur in der Lunge auftraten (HR 0,58; p < 0,001) bzw.
  • wenn es sich lediglich um Lymphknoten- oder Weichteilmetastasen handelte (HR 0,49; p = 0,02).
Die Art des Primarius spielte ebenfalls eine Rolle: Verglichen mit einem Prostatakarzinom gingen andere Tumortypen mit einem höheren Mortalitätsrisiko einher, darunter
  • die Brust (HR 3,73; p < 0,001),
  • das Kolorektum (HR 5,75; p < 0,001),
  • die Niere (HR 4,67; p < 0,001),
  • die Lunge (HR 10,61; p < 0,001) sowie
  • alle übrigen Tumorlokalisationen zusammen (HR 12,00; p < 0,001).
Die Behandlung erwies sich als relativ sicher: Es kam laut den Autoren zu 66 Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher (6,4 %), darunter einem Todesfall (0,1 %).

Hypothese sollte in Studien verifiziert werden

Beide Publikationen sprechen für einen positiven Effekt der stereotaktischen Bestrahlung von bis zu fünf Oligometastasen, wobei sich Unterschiede hinsichtlich Tumortyp sowie dem Zeitpunkt und der Lokalisation der Filiationen andeuten. Da bisher offenbar keine einzige kontrollierte Studie existiert, können diese Daten allerdings nur als hypothesengenerierend betrachtet werden. Sie stellen aber eine gute Basis für das Design weiterer gro­ßer, prospektiver und kontrollierter Studien dar. Eine Reihe solcher Untersuchungen läuft bereits, darunter auch welche, die sich auf bestimmte Histologien konzentrieren oder Patienten mit bis zu zehn Oligometas­tasen einschließen.

Quellen:
1. Lehrer EJ et al. JAMA Oncol 2020; DOI: 10.1001/jamaoncol.2020.6146
2. Poon I et al. JAMA Netw Open 2020; 3: e2026312; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2020.26312

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Ist die Anzahl der Metastasen begrenzt, scheint die stereotaktische Bestrahlung erfolgsversprechend. Ist die Anzahl der Metastasen begrenzt, scheint die stereotaktische Bestrahlung erfolgsversprechend. © iStock/Design Cells