Paraneoplastischer Pruritus geht der Tumordiagnose voraus

Dr. Stefanie Kronenberger, Foto: thinkstock

Der paraneoplatische Pruritus kann schon lange vor einem Malignom auftreten. Sollten Sie nun jeden neu auftretenden Juckreiz ohne erkennbare Ursache diesbezüglich abklären?

Der paraneoplastische Pruritus wird definitionsgemäß nicht durch den Tumor oder die Metastasen verursacht. Er entwickelt sich begleitend, oft weit vom Krebs oder den Absiedlungen entfernt. Leider weiß man sehr wenig über dieses Phänomen und auch Prävalenz und Inzidenz sind unklar, bedauerte Professor Dr. Elke Weißhaar von der Klinischen Sozialmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg.

Aquagener Pruritus deutet oft auf Polyzythämie

Besonders eindrucksvoll: Der aquagene Pruritus, der häufig zusammen mit der Polycythaemia vera (PV) auftritt. Er ist gekennzeichnet durch Jucken, Schmerzen oder Missempfindungen, wie Brennen, Stechen oder Kribbeln nach Wasserkontakt. Dabei spielt die Temperatur des Wassers keine Rolle. In einer Kohortenstudie mit 441 PV-Patienten kam Pruritus bei 72 % der Patienten vor. Bei 68 % handelte es sich um einen aquagenen Juckreiz. Ein chronischer Pruritus ging der Diagnose in 44 % der Fälle voraus, im Mittel um fast drei Jahre. Der aquagene Pruritus war sogar bei fast 85 % der Patienten ein erster Hinweis auf den Krebs.


Eine weitere Untersuchung an 8744 Patienten mit chronischem Pruritus zeigte, dass der Juckreiz einen Risikofaktor für eine nicht dia­gnostizierte hämatologische oder eine Gallengangserkrankung darstellt. In einer Kohortenstudie an knapp 13 000 Patienten mit Pruritusdiagnose zeigte sich die Inzidenz einer Krebsdiagnose in den ersten drei Monaten nach Auftreten des Juckreizes auf das rund Zweifache erhöht.

Nicht gleich das volle Diagnostik- Arsenal auffahren

Andere Studien aber ergaben viel niedrigere Raten. So hat man 700 Patienten mit kürzlich diagnostiziertem Krebs auf Hautbefunde untersucht und fand bei nur 5,9 % einen Juckreiz. Und einer Untersuchung aus dem Jahr 2010 zufolge leidet weniger als 1 % der Patienten im palliativen Bereich unter Juckreiz.


Diese lückenhaften Daten und die fehlende allgemein gültige Defini­tion des paraneoplastischen Juckreizes machen die Zuordnung schwierig. Eine systematische Malignomsuche und regelmäßige Screeninguntersuchungen sind daher weder kosteneffektiv noch empfehlenswert.


Diagnostisch empfiehlt Prof. Weiss­haar zur Klärung der Frage „paraneoplastisch oder nicht“ folgendes Vorgehen: Sorgfältige Anamnese und vollständige körperliche Untersuchung, je nach Ergebnis eine Laboruntersuchung mit Blutbild, Leberwerte, LDH und Urintest. An bildgebenden Verfahren sind Röntgen-Thorax, Ultraschall, CT-Thorax und Abdomen zum Ausschluss von Lymphomen angezeigt.

Mangel an Präparaten: es wird immer off label therapiert

Knochenmarksuntersuchungen schließen ein hämatologisches Malignom aus. Je nach Befund können weitere Tests, z.B. urologische Untersuchungen oder eine Prostatabiopsie angezeigt sein. Eine effektive Therapie ist dringend angezeigt, da die Patienten oft sehr unter dem Pruritus leiden. Für die Tumorpatienten kann die Befreiung vom quälenden Juckreiz die Lebensqualität entscheidend verbessern. Das gilt auch besonders für palliative Patienten, so die Expertin. Für die Behandlung stehen keine für diese Indikationen zugelassenen Präparate zur Verfügung. Daher wird eigentlich immer off label therapiert.


Infrage kommen spezifisch gegen den Juckreiz wirkende Substanzen, wie µ-Opioid-Antagonisten (Naloxon, Naltrexon) und κ-Agonisten (Butorphanol, Nalfurafin), der Neurokinin-1-Rezeptor-Antagonist Aprepitant oder der für die Myelofibrose zugelassene Tyrosinkinaseinhibitor Ruxolitinib. Nicht spezifisch und meist mit unbekanntem Mechanismus wirken Gabapentin, Paroxetin plus Mirtazapin, Prednisolon und Thalidomid. Auch Versuche mit topischer Behandlung oder eine UVB-Phototherapie kommen infrage.


Quelle: Kongress der DGIM

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