Paraneoplasien: Begleitsymptome einer Krebserkrankung

Manuela Arand

Antikörper schwächen die Reizweiterleitung vom Nerv auf den Muskel. Antikörper schwächen die Reizweiterleitung vom Nerv auf den Muskel. © fotolia/Sagittaria

Neurologische Syndrome können auch als Paraneoplasie auftreten – teilweise schon vor der malignen Erkrankung. Bei einigen ist die Tumorsuche obligat und kann sogar die Überlebensprognose verbessern. Ein Beispiel für eine neurologische Paraneoplasie ist das Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom.

Professor Dr. Arthur Melms, Facharztpraxis für Neurologie und Psychiatrie, Stuttgart, erläuterte: „Eine besondere Herausforderung sind immunvermittelte paraneoplastische Syndrome am Nervensystem.“ Jedes Element des peripheren oder zentralen neuronalen Systems kann betroffen sein, vom Gehirn bis zu neuromuskulärer Synapse und Muskel. Hinzu kommt, dass die Verteilung auch polytopen Mustern folgen kann, also z.B. Polyneuropathie und Myositis gemeinsam auftreten. Paraneoplastische Syndrome am Nervensystem laufen oft abnorm beschleunigt ab. Manche sind fast immer auf eine Tumorerkrankung zurückzuführen, wie die Opsoclonus-Myoclonus-Syndrome, die mit chaotischen, ungerichteten Augenbewegungen, Schwindel und Doppelbildern einhergehen. Die Diagnostik erfordert oft einen beträchtlichen Aufwand und ohne Bildgebung wird es in den meisten Fällen nicht gehen.

Eine Reihe von Tumoren geht gehäuft mit neurologischen Paraneoplasien einher. Ein Beispiel ist das kleinzellige Bronchialkarzinom (SCLC), das aufgrund seines neuro­ektodermalen Ursprungs viele Antigene trägt, die T- und B-Zellen aktivieren und auf synaptische Strukturen hetzen können. Das Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom (LEMS) ist eine regelmäßig auftretende Paraneoplasie beim SCLC.

Symptome des LEMS

  • ausgeprägte Muskelschwäche vor allem im Becken- und Schultergürtel
  • schwache Muskeleigenreflexe, die nach mehrfacher Auslösung stärker werden
  • Mundtrockenheit
  • Gastroparesen
  • autonome Symptome

Antikörperbildung als erfolgreiche Tumorabwehr

Häufig finden sich beim LEMS Antikörper, die gegen Kalziumkanäle gerichtet sind. Diese Antikörper richten sich auch gegen die Tumorzellen selbst: „Manche Tumorzellen benötigen offenbar diese Kalziumsignale zum Wachstum“, so der Neurologe. „Die Antikörperbildung ist also als Folge der erfolgreichen immunologischen Tumorabwehr zu betrachten.“ Tatsächlich haben Patienten mit SCLC, die ein LEMS entwickeln, eine etwas bessere Prognose hinsichtlich des Überlebens. Hinzu kommt, dass der Tumor bei LEMS-Patienten oft früher entdeckt wird, was die Therapiechancen verbessert. Inzwischen gibt es ein zugelassenes Arzneimittel für das LEMS auch nicht-paraneoplastischer Genese: Diaminopyridin. Die Patienten profitieren nach Erfahrung von Prof. Melms sehr deutlich davon. Die European Neurological Society empfiehlt bei Patienten mit LEMS wie bei allen Paraneoplasie-verdächtigen Syndromen eine Tumor­suche. Bleibt sie negativ, sollte sie nach drei bis sechs Monaten und dann halbjährlich wiederholt werden. Beim LEMS reichen zwei Jahre Tumorscreening aus, „dann kann man mit einiger Sicherheit von einer sporadischen Autoimmunerkrankung ausgehen“, so Prof. Melms. Bei anderen Syndromen sollte das Screening bis zu vier Jahre dauern. Obligat ist die Tumorsuche, wenn eine limbische Enzephalitis mit kognitiven und Verhaltensauffälligkeiten diagnostiziert wird. Infrage kommen neben dem SCLC auch Keimzelltumoren, Mamma- oder Prostatakarzinome, Lymphome und Thymome.

Tumor oder nicht? Der DELTA-P-Score

Die Wahrscheinlichkeit, dass hinter einem LEMS ein Tumor steckt, lässt sich schon anhand von sechs Punkten recht zuverlässig abschätzen.
D: Dysarthrie, Dysphagie und Schwäche der Hals- oder Kaumuskeln
E: erektile Dysfunktion
L: Gewichtsverlust (loss of weight)
T: Tabakkonsum
A: Alter bei Symptombeginn über 50 Jahre
P: Performance (Karnofsky-Score schlechter als 90) Treffen drei dieser Punkte zu, erreicht die Wahrscheinlichkeit für eine paraneoplastische Genese fast 90 %.

Autoantikörper können zu irreversiblen Schäden führen

Enzephalomyelitiden und Hirnstammenzephalitiden sind nicht so häufig mit Tumoren assoziiert. Zusätzlich können fokal-neurologische Symptome auftreten, auch zerebrale Krampfanfälle mit EEG-Veränderungen kommen vor. Der Beginn ist oft subakut, im Liquor findet sich eine Pleozytose. Natürlich müssen andere Ursachen ausgeschlossen werden, beispielsweise eine Multiple Sklerose. Syndrome, die mit Autoantikörpern gegen intrazelluläre Antigene assoziiert sind, führen zu Zelltod und neuronalen Zellverlusten und damit zu irreversiblen Schäden. Diese Patienten werden allen therapeutischen Bemühungen zum Trotz nicht von ihren neurologischen Ausfällen genesen. Paraneoplasien durch Autoantikörper gegen Oberflächenantigene, Ionenkanäle oder Rezeptoren sind dagegen zumindest teilweise reversibel. Einige der neuen Therapien scheinen neurologische Paraneoplasien zu begünstigen. So gibt es Berichte über Neuerkrankungen, aber auch Exazerbationen von Myasthenia gravis unter Checkpoint-Inhibitoren, die meist kurz nach Therapiebeginn auftraten und oft einen schweren Verlauf nahmen.

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Antikörper schwächen die Reizweiterleitung vom Nerv auf den Muskel. Antikörper schwächen die Reizweiterleitung vom Nerv auf den Muskel. © fotolia/Sagittaria