Sieht aus wie Rheuma, ist aber keins: Das paraneoplastische Syndrom

Dr. Sascha Bock

Die angedeuteten Uhrglasnägel und peripheren Gelenkschwellungen weisen auf ein Pierre-Marie-Bamberger-Syndrom hin. Die angedeuteten Uhrglasnägel und peripheren Gelenkschwellungen weisen auf ein Pierre-Marie-Bamberger-Syndrom hin. © Dr. Jörg Henes

Unklare Papeln an den Fingern, Raynaud bei einem 60-Jährigen – kommen Ihnen rheumatische Symptome suspekt vor, sollten Sie nach einem Tumor fahnden! Denn viele Malignome können sich tarnen und entzündliche Beschwerden imitieren.

Bei atypischer Erstmanifestation einer vermeintlich primär rheumatischen Erkrankung darf es ruhig etwas mehr Diagnostik sein, meint Privatdozent Dr. Jörg Henes, Abteilung Innere Medizin II des Universitätsklinikums Tübingen. Mitunter handelt es sich in Wirklichkeit um ein paraneoplastisches Syndrom. Folgende Konstellationen sollten hellhörig machen:
  • Gelenkschwellung: Ein 41-jähriger Mann stellt sich erstmalig mit Schmerzen und Schwellungen an Händen, Knie- und Sprunggelenken in der rheumatologischen Ambulanz vor. Er klagt über Nachtschweiß und einen Gewichtsverlust von 4 kg binnen zwei Monaten. Nach der körperlichen Untersuchung ist für die Kollegen klar: Eine klassische rheumatoide Arthritis liegt nicht vor.

    Eine leichte Rötung besteht vorwiegend an den Fingerendgelenken (DIP), zudem fallen angedeutet Uhrglasnägel auf (s. Abb.). Das Röntgenbild der Extremitäten weist schließlich auf eine Paraneoplasie hin: An den Diaphysen der langen Röhrenknochen finden sich suspekte Anbauten – typisch für eine hypertrophe Osteoarthropathie, besser bekannt als Pierre-Marie-Bamberger-Syndrom. Lungentumoren und Pleuramesotheliome können dieses Syndrom auslösen. Bei dem 41-jährigen Patienten wird die Diagnose eines nicht kleinzelligen Bronchialkarzinoms gestellt.

  • Synovitis: Mit Verdacht auf rheumatoide Arthritis DD Polymyalgia rheumatica wird ein 78-Jähriger eingewiesen. Die Handrücken sind massiv geschwollen, es bestehen Schmerzen im Bereich der Schultern. Zusammen mit der im Ultraschall nachgewiesenen Synovitis passt diese Konstellation sehr gut zur rezidivierenden seronegativen symmetrischen Synovitis mit eindrückbarem Ödem (RS3PE-Syndrom), so der Referent. Dahinter können sich Lymphome, ein Endometriumkarzinom oder – wie im Fall des Patienten – ein myelodysplastisches Syndrom (MDS) verbergen.

    Ein MDS ist generell sehr häufig mit systemischen rheumatischen Erscheinungen vergesellschaftet. Diese Paraneoplasien betreffen laut Dr. Henes bis zu 50 % der MDS-Kranken. Sie umfassen z.B. Vaskulitiden, Polyarthritiden und Lupus. "Bei suspekten immunologischen Phänomenen sollte man immer an ein myelodysplastisches Syndrom denken – besonders bei älteren Patienten", betonte der Kollege.

  • Gottron‘sche Papeln: Das Bild einer Dermatomyositis geht bei jedem Dritten mit einer malignen Grunderkrankung einher; das der Polymyositis in 6–15 % der Fälle. Klinisch lassen sich diese para­neo­­plas­tischen inflammatorischen Myo­pathien jedoch nicht von primären unterscheiden. So auch bei einer 51-Jährigen mit Lungenfibrose, die sich wegen Belastungsdyspnoe und unklaren Hautveränderungen über den Fingerstreckseiten vorstellt. Die Veränderungen entpuppen sich als Gottron-Papeln (s. Abb.), pathognomonisch für die Dermatomyositis.

    Die weitere Diagnostik ergibt ein mäßig differenziertes Mammakarzinom. Grundsätzlich kommen auch Melanome sowie Ovarial-, Nieren-, Lungen- und kolorektale Karzinome infrage. Dr. Henes empfiehlt daher, vor allem bei Myositiden immer eine Tumorsuche durchzuführen.

  • Raynaud-Syndrom: Innerhalb weniger Wochen treten bei einem 52-Jährigen Raynaud-Beschwerden und Fingerkuppennekrosen auf, weshalb u.a. eine Sklerodermie im Raum steht. Schon seit fünf Monaten leidet der Mann unter Gelenkschmerzen, die ambulant gut auf Steroide ansprachen. Weitere kutane Auffälligkeiten entdecken die Ärzte zwar nicht. Doch der Ultraschall­befund ist durchaus mit einer Arthritis bei systemischer Sklerose vereinbar, so Dr. Henes. Entsprechend wird zunächst behandelt. Im anschließenden Screening auf eine Lungenbeteiligung fällt dann aber ein Plattenepithelkarzinom auf.

    Eine Vielzahl von Malignomen können ein Raynaud-Syndrom verursachen. Dazu zählen Non-Hodgkin-Lymphome, Plasmozytom, Hodentumoren und Karzinome von Lunge, Leber, Nieren und Ovarien. Deshalb folgt der Referent der Devise: "Bei spätem Beginn und asymmetrischer Verteilung unbedingt nach einem Tumor suchen!"

Quelle: 52. Ärztekongress der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg

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Die angedeuteten Uhrglasnägel und peripheren Gelenkschwellungen weisen auf ein Pierre-Marie-Bamberger-Syndrom hin. Die angedeuteten Uhrglasnägel und peripheren Gelenkschwellungen weisen auf ein Pierre-Marie-Bamberger-Syndrom hin. © Dr. Jörg Henes
Flache, rötliche oder livide Papeln und Plaques unterschiedlicher Größe kennzeichnen
die Dermatomyositis. Flache, rötliche oder livide Papeln und Plaques unterschiedlicher Größe kennzeichnen die Dermatomyositis. © Dr. Jörg Henes