Placeboeffekt: Wie die Erwartungen der Patienten den Therapieerfolg beeinflussen

Dr. Daniela Erhard

Es kann sich durchaus lohnen, für ein Medikament mal ein gutes Wort einzulegen. Es kann sich durchaus lohnen, für ein Medikament mal ein gutes Wort einzulegen. © iStock/TanyaJoy

Placebo- und Noceboeffekte lassen sich auf neuronaler Ebene nachvollziehen. Positive Erwartungen führen beispielsweise zur Ausschüttung endogener Opioide, Dopamin oder Oxytocin, negative vermehren den Angstbotenstoff Cholezystokinin.

Als wären die tatsächlichen Nebenwirkungen nicht genug, muss man sich auch noch mit den „herbei gefürchteten“ Symptomen herumschlagen. Um den sogenannten Noceboeffekt so klein wie möglich zu halten, legen sich die forschenden Kollegen ganz schön ins Zeug. Trotzdem brechen bis zu einem Viertel der Probanden unter Scheinmedikation ihre Teilnahme an den Studien ab oder nehmen die Präparate nur halbherzig ein, schreiben Professor Dr. Luana Colloca von der Universität von Maryland in Baltimore und Professor Dr. Arthur J. Barsky von der Harvard Medical School in Boston. Aufgrund von unerwünschten Begleiterscheinungen.

Schlagzeilen sorgten für 2000 Mal mehr Nebenwirkungen

Dabei reicht schon eine Information darüber, dass eine bestimmte Nebenwirkung möglich ist. Der Betablocker Atenolol und der Arzneistoff Finasterid beispielsweise verursachten in Studien mehr als doppelt so häufig Potenzprobleme, wenn die Patienten zuvor über diese Nebenwirkung aufgeklärt wurden. Mit Presse und Fernsehen lassen sich Noceboeffekte ebenfalls initiieren. Nach einer Anzahl negativer Medienbeiträge über ein Schilddrüsenpräparat schnellten die Meldungen von Nebenwirkungen um das 2000-Fache nach oben – und das betraf nur jene Symptome, von denen berichtet worden war.

Mitunter verlieren sogar potente Wirkstoffe ihren Nutzen. Sind Patienten beispielsweise überzeugt, statt einer remifentanilhaltigen eine wirkstofffreie Creme zu erhalten, lindert das Produkt keine Schmerzen mehr – selbst wenn das Opioid enthalten ist. Und auch Rizatriptan half in einer Studie bei Migräne schlechter, wenn es als Placebo gekennzeichnet wurde. Anders herum kann ein Placeboeffekt den Therapieerfolg fördern. So wirkte in einer Untersuchung z.B. Morphin postoperativ signifikant besser, als den Patienten erklärt wurde, dass der Stoff die Schmerzen deutlich lindert.

Konditionierung über Geruch oder Geschmack möglich

Im besten Fall kann ein Placebo sogar helfen, Wirkstoffdosen zu reduzieren, wie eine Studie mit Psoriasispatienten verdeutlichte. Darin konnte man einen Teil der Glukokortikoide durch ein Scheinpräparat ersetzen, die Rate an Rückfällen blieb der unter voller Dosis gleich. Reduzierte man sie jedoch ersatzlos, flammte die Erkrankung dreimal häufiger wieder auf. Interessant: Erwartungseffekte lassen sich konditionieren. Verknüpft man die Wirkung beispielsweise von einem Schmerzmittel mit einem bestimmten Geschmack oder Geruch, lässt sich die analgetische Wirkung später auch mit einem Placebo erzielen, wenn der Geschmack/Geruch dazu präsentiert wird.

Alles Einbildung? Nein, denn die Reaktionen lassen sich auf neuronaler Ebene nachvollziehen. So enthält der Noceboeffekt vermutlich eine Angstkomponente, die über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse vermittelt wird. Verstärkt man Schmerzen allein über Worte, lässt sich eine verstärkte Ausschüttung von Cholezystokinin feststellen. Das Neuropeptid scheint an der Entstehung von Angst und Panik beteiligt zu sein. Zudem steigern negative Schmerzerwartungen die Weiterleitung entsprechender Signale vom Rückenmark ins Gehirn.

Was Placeboeffekte fördert und Noceboeffekte schwächt

  • vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arzt und Patient
  • Behandlung realistisch, aber positiv beschreiben: Wer profitiert von der Therapie? Bei wem gab es keine Nebenwirkungen?
  • Patienten nach Erwartungen und negativen Erfahrungen fragen, um ggf. die Sorgen ausräumen zu können
  • auf nonverbale Kommunikation achten
  • gut informierte Patienten über Placebo- und Noceboeffekte aufklären

Placeboeffekte wiederum sind mit der Ausschüttung endogener Opioide und Cannabinoide, Dopamin, Oxytocin oder Vasopressin assoziiert. Je nachdem, welche Erkrankung therapiert bzw. welches Zielsystem angesteuert wird. Dopamin spielt zum Beispiel für den Placeboeffekt in der Parkinsontherapie eine Rolle, nicht aber bei Schmerzbehandlungen.

Einfühlsamer Arzt senkt die Entzündungswerte

Natürlich wäre es hilfreich zu wissen, bei welchen Patienten solche Wirkungen zu erwarten sind. So weit ist die Forschung jedoch noch nicht. Bis dahin bleibt das A und O eine gute Arzt-Patienten-Beziehung (siehe Kasten). Schon bei einer normalen Erkältung berichten Patienten, die ihren Arzt als empathisch erleben, schwächere und kürzer anhaltende Symptome. Zudem zeigen sie niedrigere Level von Entzündungsmarkern.

Quelle: Colloca L, Barsky AJ. N Engl J Med 2020; 382: 554-561; DOI: 10.1056/NEJMra1907805

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