
Pneumonie von der Erkältungssalbe

Eigentlich wollte sich die 23-jährige Patientin nur etwas Gutes tun. Um sich bei ihren allergisch bedingten Atemwegsbeschwerden nachts freie Luftwege zu verschaffen, rieb sie sich allabendlich etwas Erkältungssalbe unter die Nase. Das ging auch einige Zeit gut. Irgendwann aber stand sie wegen seit mehr als vier Wochen anhaltendem Husten, Atemnot und Fieber in der Pneumologischen Abteilung des Prathima Institute of Medical Sciences im indischen Karimnagar. Und dort gab sie Dr. Hemanth Kilaru und seinen Kollegen erst mal Rätsel auf:
Auskultatorisch pathologische Geräusche basal über beiden Lungenflügeln, milde restriktive Ventilationsstörung, bilateral noduläre Lungeninfiltrate in der Computertomographie – zusammen mit der erhöhten Temperatur sprach viel für eine atypische Pneumonie oder eine Tuberkulose. Allerdings fanden sich bei der Bronchoskopie bzw. der bronchoalveolären Lavage keine Anzeichen dafür. Diagnostisch zum Ziel führte erst die transbronchiale Lungenbiopsie: Die histologische Untersuchung sprach dafür, dass bei der jungen Patientin eine Lipidpneumonie vorlag. Erst jetzt förderte die nochmalige Anamnese die Erkältungssalbe als Verursacher des Ganzen zutage.
Abends Vaseline gelöffelt, um den Darm zu fördern
Initial hatte niemand an die Möglichkeit einer Lipidpneumonie gedacht. Ein Fehler, wie Dr. Kilaru nach seiner umfassenden Literaturrecherche einräumen musste. Wie sich zeigte, sind exogene Lipidpneumonien nämlich gar nicht so selten. In der Regel haben die Betroffenen Öle bzw. ölhaltige Salben intranasal verwendet. Aber es gibt auch den Fall einer Frau, die das Problem dem Löffel Vaseline verdankte, den sie jeden Abend schluckte, um der Darmmotalität auf die Sprünge zu helfen.
Dass es zu einer ähnlichen Reaktion kommen kann, wenn man sich öl- bzw. paraffinhaltige Salben nur unter die Nase reibt, hat vor allem einen Grund: Bei Körpertemperatur verflüssigen sie sich und werden dadurch inhalierbar. Weil Inhaltsstoffe wie Menthol, Campher und Eukalyptusöl gleichzeitig den Hustenreflex und die Zilienmotilität hemmen, dringen sie zudem besonders leicht in die Alveolen vor. Dort verursachen sie zunächst eine Fremdkörperreaktion, weil sie von den Makrophagen phagozytiert werden.
Langfristig kann der Entzündungsprozess sogar über die Lungenfibrose und Zerstörung der Alveolen bis hin zur fortgeschrittenen chronischen Ateminsuffizienz führen.
Sechs Monate Prednisolon stoppten die Entzündung
Bei der betroffenen Patientin ließ sich der schwelende Prozess nach Beenden des abendlichen Rituals und einer oralen Therapie mit Prednisolon über sechs Monate stoppen. Nach einem Jahr hatten sich die pulmonalen Läsionen in der hochauflösenden Computertomographie zumindest partiell zurückgebildet. Die junge Frau war klinisch stabil und hatte auch keine Beschwerden mehr. Aufgrund der potenziellen Gefahren mahnt Dr. Kilaru zu hoher Wachsamkeit bei Patienten, die vermeintlich „unverdächtige“ Präparate nutzen. Schließlich sollte die Lipidpneumonie früh erkannt und dann aggressiv behandelt werden.
Quelle: Kilaru H et al. Resp. Med. Case Rep. 2017; 22: 98-100
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).