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Psychische Begleitstörungen bei Patienten mit Tourette-Syndrom
Neun von zehn Tourette-Patienten leiden unter komorbiden Störungen: Bei Kindern dominieren die ADHS und Zwangsstörungen, bei Erwachsenen Zwänge und Depressionen. Insgesamt findet sich bei etwa 60 % aller Tourette-Kranken eine ADHS, die damit die insgesamt häufigste Komorbidität darstellt. Weitere mögliche Begleiterscheinungen sind u.a. Sucht, Störungen der Impulskontrolle, der Persönlichkeit oder des Sozialverhaltens.
Nach ihnen muss aktiv gefahndet werden, und wenn man eine gefunden hat, darf man sich nicht damit zufrieden geben. Nicht selten weist ein Patient gleich mehrere auf, betonte Professor Dr. Kirsten Müller-Vahl von der Abteilung Klinische Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover.
Therapie des Tourette-Syndroms beginnt mit Psychoedukation
Erster Schritt nach der Diagnose ist immer die Psychoedukation. „Ich gebe dem Patienten erst einmal die Chance, die Diagnose sacken zu lassen“, erklärte die Kollegin. Im zweiten Schritt folgt dann die Psychotherapie.
Nur zwei verhaltenstherapeutische Verfahren haben sich bewährt: an erster Stelle das Habit Reversal Training, das am besten untersucht ist, und das Exposure and Response Prevention Training. Alles andere ist nicht gut untersucht oder nachweislich unwirksam. Die Pharmakotherapie folgt beim Tourette-Syndrom erst im dritten Schritt.
Prinzipiell steht die Störung im Zentrum der Behandlung, die für den Patienten das Hauptproblem darstellt. Oft sind das nicht die Tics selbst, sondern begleitende Störungen. Sie sollten so therapiert werden, als hätte der Patient keine Tics – sprich: ohne Rücksicht darauf, dass die Behandlung die Tics möglicherweise verstärken kann.
ADHS-Therapie auch für Patienten mit Tourette-Syndrom
Allerdings ist dies gar nicht zwangsläufig der Fall, wie das Beispiel ADHS zeigt. Methylphenidat als meistverordnetes Medikament verstärkt Tics nicht wesentlich und vor allem nicht auf Dauer, wie Prof. Müller-Vahl berichtete:
„Nach vier bis sechs Wochen sind die Tics wieder auf Ausgangsniveau.“ Atomoxetin wird sogar nachgesagt, es könne ADHS und Tics günstig beeinflussen. Die Kollegin sieht das allerdings skeptisch: „Ich persönlich glaube nicht daran, so schön es wäre.“
Zur Behandlung des Tourette-Syndroms selbst ist in Deutschland ausschließlich Haloperidol zugelassen, es ist aber „nicht wirklich einsetzbar“, so Prof. Müller-Vahl. Recht gute Daten gibt es für Risperidon, dessen Einsatz aber durch Müdigkeit und Gewichtszunahme limitiert werden kann. Auch andere Neuroleptika kommen prinzipiell infrage, sie werden in der Regel deutlich nie-
driger dosiert als bei Schizophrenie.
Tiefe Hirnstimulation als Ultima Ratio beim Tourette-Syndrom?
„Wenn Neuroleptika nicht helfen, wird es schwierig“, sagte die Psychiaterin. Es bleibt dann noch die tiefe Hirnstimulation als Ultima Ratio. Es gibt viele Fallberichte über gute Erfolge bei schweren, therapierefraktären Tics, aber wenig systematische Untersuchungen. Außerdem ist die genaue Zielstruktur für die Stimulation noch nicht definiert. Ein Vorteil der tiefen Hirnstimulation: Sie hilft auch gegen bestimmte Begleitstörungen, z. B. Depressionen.
Zwischen Tic und Zwang unterscheiden |
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Ein Tourette-Syndrom wird immer dann diagnostiziert, wenn ein Patient motorische und vokale Tics aufweist: „Wenn jemand ständig blinzelt und einen Räusper-Tic hat, ist das schon Tourette“, erklärte Professor Dr. Veit Roessner von der Universitätsklinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Dresden. Die meisten Tics sind motorisch, häufig betreffen sie den Kopfbereich. Das auffälligste Tourette-Symptom – unkontrollierbare Schimpfkanonaden – ist eher selten. Weit unter 10 % der Patienten sind von solch einer Koprolalie oder einer Echolalie betroffen.
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Quelle: Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde in Berlin 2011
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