Psychosozialer Stress kostet Lebenszeit

Birgit-Kristin Pohlmann

Psychoonkologische Betreuung frühzeitig in das Behandlungskonzept integrieren. Psychoonkologische Betreuung frühzeitig in das Behandlungskonzept integrieren. © Thinkstock

Die psychoonkologische Betreuung darf nicht unterschätzt werden. Eine prospektive Untersuchung bei Patienten mit Harnblasenkarzinom zeigt, dass Patienten mit hohen psychosozialen Stresswerten kürzer überleben als solche mit guter psychosozialer Lebensqualität.

Nicht umsonst ist die psychoonkologische Betreuung von Patienten mit Harnblasenkarzinom Bestandteil der neuen S3-Leitlinie, betonte Dr. Desiree-Louise ­Dräger, Urologische Universitätsklinikum Rostock. "Wir wissen, dass stressbezogene psychosoziale Faktoren den Krankheitsverlauf von Tumorpatienten negativ beeinflussen – sprich: Patienten, die ihre Situation eher schlechter einschätzen, sterben in der Regel früher als jene, die ihre Situation positiver bewerten." Psychosozialer Stress beeinflusst laut Dräger das Immunsystem negativ. Primäre und sekundäre Immunreaktionen sind davon betroffen.

Ob eine positive Korrelation zwischen krankheitsbedingten Belas­tungssituationen und der Rezidiv-, Progressions- und krebsbedingten Todesrate besteht, war daher Fragestellung einer prospektiven Studie bei 301 Patienten mit Harnblasenkarzinom. Gut 75 % waren neu diagnostiziert, 21 % hatten ein Rezidiv und 12 % waren progredient. Das mittlere Alter betrug 71 Jahre und fast 80 % waren Männer.

Frühe psychoonkologische Intervention gefordert

Die Ergebnisse, die mit dem "Distress Thermometer" (DT) erhoben wurden, zeigen einen relativ hohen mittleren Stresslevel, der nur knapp unterhalb des Cut-off-Wertes für eine psychosoziale Unterstützung lag, so Dr. Dräger. Aufgeteilt nach Krankheitssituation hatten die Patienten mit progredienter Erkrankung die höchsten Stresslevel. Der psychosoziale Betreuungsbedarf wurde mit dem Hornheider Screening Instrument (HSI) ermittelt: Im Mittel bestand bei 35 % der Patienen ein Betreuungsbedarf. Patienten mit Neudiagnose waren seltener betroffen als jene mit Progress (28,7 vs. 40,5 %).

Unabhängig von der Krankheitssituation bzw. dem Stadium klagten die Patienten über Schmerzen. Dies ist ein klares Zeichen, die Schmerztherapie zu optimieren, so Dr. Dräger. Aber auch Erschöpfung, Angst und Mobilitätsstörungen beeinträchtigen die Patienten. Die Untersuchung belegt sehr klar, dass psychosozialer Stress bzw. psychoonkologischer Betreuungsbedarf und Progression bzw. krebsspezifische Mortalität zusammenhängen, betonte Dr. Dräger.

Patienten, die ihre Situation schlechter einschätzen, sterben früher

Je schlechter die Prognose, je länger der Verlauf und je schwerer die Beeinträchtigung ist, desto größer sei das Risiko einer psychischen Komorbidität. "Alle körperlichen Symptome, die wir nicht kontrollieren können und die das Befinden der Patienten stark beeinträchtigen, erhöhen das Risiko für eine psychosoziale Beeinträchtigung."

Die Studie zeige zudem, dass ein "evidenter Anteil" an Patienten mit Harnblasenkarzinom einen erhöhten Stresslevel hat und damit einen erhöhten Bedarf an psychoonkologischer Betreuung. Das gelte speziell für Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung, die laut Dr. Dräger psychoonkologisch engmaschig betreut werden sollten. Geeignete Screening-Instrumente sind das DT und das HSI, mit denen sich belastete Patienten identifizieren lassen, ohne deren Stresssituation zu pathologisieren. Die frühe psychosoziale Intervention bleibt eine Notwendigkeit, um Patienten mit Harnblasenkarzinom optimal zu betreuen, so Dr. Dräger.


Quelle: 68. Kongress der Deutschen 
Gesellschaft für Urologie 2016

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