
Radioligandentherapie erzielt beispiellose Ansprechrate in der Erstlinie

NETTER-2 ist die erste Phase-3-Studie, in der eine Radioligandentherapie als Erstlinie bei einer metastasierten soliden Tumorentität erprobt wurde. Zugleich stellt sie überhaupt die erste Phase-3-Untersuchung in Patient:innen mit höhergradigen, differenzierten gastroenteropankreatischen neuroendokrinen Tumoren (GEP-NETs) dar. „Diese Studie wird die Praxis verändern“, zeigte sich Prof. Dr. Simron Singh von der Universität Toronto überzeugt.1,2 Bislang existiert für Betroffene kein universal anerkannter Therapiestandard.
An der Untersuchung nahmen 226 Personen mit neu diagnostizierten Somatostatin-Rezeptor-positiven Grad-2 oder Grad-3 differenzierten GEP-NETs teil (Ki-67-Anteil: 10 % bis 55 %). Schätzungen der Autor:innen zufolge fallen in dieser Entität rund 20 % bis 30 % der Neoplasien in die ausgewählte Kategorie. „Die differenzierten Grad-3 GEP-NETs sind eine relativ neue Klassifikation“, merkte der Referent an. „Früher wurden sie den Karzinomen zugerechnet und von Studien in der Regel ausgeschlossen.“ Von den Teilnehmenden hatten 35 % Grad-3-Tumoren; Gut die Hälfte der Krebserkrankungen ging ursprünglich von der Bauchspeicheldrüse aus und knapp 30 % vom Dünndarm.
Das Team um Prof. Singh randomisierte die Erkrankten 2:1 in zwei Behandlungsgruppen:
- Prüfarm: Vier achtwöchige Zyklen 177Lu-DOTA-TATE (4 × 7,4 GBq) plus Octreotid (30 mg)
- Kontrolle: Hoch dosiertes Octreotid (60 mg, alle vier Wochen)
Der randomisierten Phase schloss sich eine optionale Weiterbehandlung mit erlaubtem Cross-over an.
Fast zwei Jahre ohne Krankheitsfortschritt
Das mediane PFS, primärer Endpunkt der Studie, verlängerte sich durch die Radioligandentherapie von 8,5 Monaten in der Kontrolle auf 22,8 Monate (stratifizierte HR 0,276; 95%-KI 0,182–0,418; p < 0.0001). Auch die Ansprechrate erhöhte sich signifikant mit 43 % vs. 9,3 % (stratifizierte OR 7,81; p < 0,0001). „Wir beobachteten im Verlauf der Studie acht Komplettremissionen im Versuchsarm, das entspricht mehr als fünf Prozent“, betonte Prof. Singh. Er fügte hinzu: „Die ORR von 43 % ist eine der höchsten Ansprechraten, die bis heute in neuroendokrinen Tumoren berichtet wurden.“ Die Vorteile hinsichtlich PFS und ORR zeigten sich konsistent in allen untersuchten Subgruppen.
Prinzip der Radioligandentherapie
„Knapp zusammengefasst, werden radioaktive Isotope gezielt zu den Tumoren gebracht, indem sie an Rezeptoren der Krebszellen binden“, erklärte Prof. Singh. In diesem Fall sind das die Somatostatin-Rezeptoren und 177Lu-DOTA-TATE ein Betastrahlung abgebendes Somatostatin-Analogon. „Die Methode schränkt die Schädigung des umgebenden Gewebes ein“, so Prof. Singh.
Das in der NETTER-2-Studie zusätzlich verwendete Octreotid ist eine synthetische Version des Somatostatins. Schätzungen der Autor:innen zufolge exprimieren etwa 90 % der GEP-NET den Somatostatin-Rezeptor SSTR2.
Die häufigsten Nebenwirkungen in beiden Armen umfassten Übelkeit, Durchfall und Bauchschmerzen. „Es trat etwas mehr Übelkeit im Versuchsarm auf“, bemerkte der Referent. „Es war allerdings weniger als in der vorangegangenen NETTER-1-Studie, vermutlich aufgrund des besseren Einsatzes von Aminosäuren.“ Diarrhö und Bauchschmerzen hingegen kamen in der Kontrolle etwas häufiger vor. Zu den schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen (Grad-3/4) von Bedeutung unter der Radioligandentherapie zählten Leukopenie, Anämie und Thrombozytopenie. Außerdem entwickelte einer der Teilnehmenden ein myelodysplastisches Syndrom.
Die kumulative Strahlendosis im Prüfarm betrug 29,2 GBq, 88 % der Behandelten erhielten alle vier vorgesehenen Dosen.
Als weiteren sekundären Endpunkt untersuchten die Forschenden die Zeit bis zur Verminderung der Lebensqualität – und fanden keinen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen. „Somatostatin-Analoga zählen bekanntlich zu den am besten vertragenen antineoplastischen Medikamenten. Dass wir glücklicherweise keinen Unterschied im Rückgang der Lebensqualität sahen, bewerten wir daher als positives Ergebnis“, kommentierte Prof. Singh.
„In unserer Studie zeigten sich ein signifikanter PFS-Vorteil und eine beispiellose Ansprechrate“, schlussfolgerte der Referent. „Sie bietet eine neue, sichere Behandlungsoption für ein Krankheitsfeld ohne etablierten Therapiestandard.“ Mit weiterführenden Arbeiten zur Radioligandentherapie auch für andere Entitäten könne man rechnen.
Quellen:
1. Singh S. ASCO Gastrointestinal Cancers Symposium 2024; Abstract LBA588
2. Pressemitteilung, ASCO-GI 2024
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).