Restless Legs: Wenn die Beine nicht still halten

Sonja Böhm

Viele Menschen leiden an „Restless Legs“ – oft unerkannt. Wie kann man den Bewegungsdrang dämpfen?

Innere Folter. Die Beine wollen einfach nicht still halten, wenn sie sollen – nämlich nachts. Über Stunden kann Barbara S. oft nicht einschlafen. Wenn es schließlich geglückt ist, wacht sie nach kurzer Zeit wieder auf, fühlt sich unruhig: In ihren Beinen kribbelt’s und zieht’s. Es reißt und sticht.


Das treibt sie an, aufzustehen und herumzulaufen. Manchmal massiert sie sich mitten in der Nacht die Unterschenkel mit einer Bürste, um sich kurzfristig Linderung zu verschaffen. Morgens ist sie dann erschlagen, tagsüber nicht leistungsfähig. Sie hat nur einen Wunsch: endlich wieder ruhig und erholsam schlafen zu können.

Restless Legs: Schlafmangel als Alarmsignal

Schlafstörungen sind ein vorherrschendes Symptom der belastenden Krankheit, die sich vor allem nachts im Liegen durch heftigen Bewegungsdrang bemerkbar macht: Experten nennen das Leiden „Restless-Legs-Syndrom“ (RLS) oder Symptom der unruhigen Beine.


So plagen sich etwa 90 % der Menschen, die an  RLS erkrankt sind, nachts mit Schlaflosigkeit herum. Manche von ihnen sind sich gar nicht im Klaren darüber, wodurch ihre Nachtruhe eigentlich unterbrochen wird. Sie haben sich längst damit abgefunden, Schlafstörungen zu haben und Schlafmittel einzunehmen.

Restless Legs sind häufig die Ursache von Schlafstörungen

In diesen Fällen können Untersuchungen im Schlaflabor hilfreich sein: Denn bei  jeder fünften chronischen Schlafstörung  findet sich als Ursache ein Restless-Legs-Syndrom. „Bei Schlafstörungen sollte das RLS stets zur Differenzialdiagnose gehören, also ärztlich abgeklärt werden“, so die Fachärztin für Neurologie, Privatdozentin Dr. Ilonka Eisensehr, München.


 „Über die Ursache der Erkrankung wissen wir bislang wenig“, sagt die Expertin. „Vermutlich ist eine falsche Übertragung von Nervenimpulsen im Gehirn oder im Rückenmark für die Symptome verantwortlich.“ Oft beginnt das Leiden zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Manchmal kommt das RLS auch in Familien gehäuft vor, was auf eine erbliche Komponente hinweist.

Restless Legs erzeugen Drang zur Bewegung

Eisenmangel scheint auch ein Faktor zu sein, der die Gefährdung erhöht. Deswegen finden sich ruhelose Beine ebenfalls gehäuft bei Schwangeren und Dialysepatienten, also Nierenkranken, die auf Blutwäsche angewiesen sind. Auf jeden Fall sollten bei RLS-Symptomen zunächst die Eisenwerte überprüft werden.


Die unwillkürlichen Zuckungen und stereotypen Bewegungen der Beine, die die Qualität des Schlafes beeinträchtigen, werden von den Betroffenen oft gar nicht   wahrgenommen – sie finden einfach nicht die nötige Erholung im Schlaf, wachen immer wieder auf.


Andere wiederum verspüren den nicht zu unterdrückenden Zwang, aufzustehen und herumzugehen. Nicht umsonst nennt sich die amerikanische RLS-Patientenorganisation „Nightwalker“.

Restless Legs-Beschwerden nicht nur an den Beinen

Tagsüber sind die Beschwerden dagegen oft nur leicht oder überhaupt nicht vorhanden. Für manche der Erkrankten ist es allerdings auch dann unmöglich, länger still zu sitzen, etwa im Flugzeug, im Theater oder bei langen Fahrten im Auto. Sie meiden daher solche Situationen.


Im fortgeschrittenen Stadium können sich die Beschwerden tagsüber auch stärker bemerkbar machen, sogar eine Ausdehnung beispielsweise auf die Arme ist grundsätzlich möglich.


Bei leichten bis mittelschweren RLS-Beschwerden, die nicht täglich auftreten, ist L-Dopa – eine Vorstufe des Nervenbotenstoffes Dopamin – das bevorzugte Behandlungsmittel. Die Tabletten werden dann jeweils nur bei Bedarf genommen.


Wahrscheinlich bessert der Botenstoff den Nervenstoffwechsel und sorgt für eine bessere Signalübertragung. Eine dauerhafte Therapie mit L-Dopa ist aber eher nicht ratsam, so die Nervenärztin. Denn darunter kann sich das Krankheitsbild verstärken. Nebenwirkungen sowie die Entwicklung einer Toleranz können ebenfalls die Behandlung erschweren, manchmal ist auch die Wirkung zu kurz und hält nicht die ganze Nacht an.

Aerobic und Krafttraining können helfen

Doch einiges kann man auch selbst tun: In einer Studie besserte dreimal wöchentliches Krafttraining und Aerobic die Symptome spürbar, berichtet Dr. Eisensehr. Erfolgversprechend ist Bewegung und Sport aber wahrscheinlich eher in leichteren Fällen.


Dagegen sind Entspannungsmethoden wie Meditation oder autogenes Training oft sogar eher kontraproduktiv und verstärken die Symptome. Sind die Beschwerden schwerer und treten sie täglich auf, sind heutzutage Dopaminagonisten – das sind Dopamin-ähnlich wirkende Substanzen – die bevorzugte Behandlung, so Dr. Eisensehr. Diese Mittel können in der Regel längerfristig eingesetzt werden und führen bei vielen Patienten über Jahre zur Beschwerdefreiheit.


Doch auch hier kann es individuell zu Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten kommen. In sehr schweren Fällen – wenn alle anderen Mittel nicht helfen – ist eine Therapie mit Opioiden möglich. Positive Berichte gibt es auch zu den Antikonvulsiva, die eigentlich gegen Epilepsie entwickelt wurden.


Vorsicht geboten ist bei Behandlungsversuchen mit Benzodiazepinen: Diese Wirkstoffe, die oft als Schlafmittel eingesetzt werden, erhöhen zwar die Schwelle für Wachreaktionen, sodass die Betroffenen nachts nicht mehr so leicht aufwachen. Doch die eigentlich zugrunde liegenden unwillkürlichen Bewegungen, die zum Aufwachen führen, werden nicht oder nur sehr wenig beeinflusst. Zudem, so warnt die Neurologin, besteht bei längerfristiger Einnahme die Gefahr der Abhängigkeit.

Hilft bei Restless Legs: Spaziergang vor der Bettruhe!

Und auch eine medikamentöse Behandlung kann man unterstützen: Manchmal ist es hilfreich, vor dem Schlafengehen spazieren zu gehen, Gymnastik oder Kniebeugen zu machen. Auch Massagen, Kneipp’sche Wechselgüsse und kalte Fußbäder können die Beschwerden oft lindern. Vermeiden sollte man dagegen das Mittagsschläfchen und alles, was den Schlaf stören könnte wie Kaffee, Alkohol, Wärme oder Stress.

 

Wie erkennt man das Restless-Legs-Syndrom?


Die Diagnose des Syndroms der ruhelosen Beine (RLS) kann gestellt werden, wenn vier typische Hauptkriterien vorliegen:

 

  • Bewegungsdrang der Beine, oft kombiniert mit Missempfindungen, z.B. Kribbeln,

 

  • die Beschwerden treten nur in Ruhe auf oder verstärken sich in Ruhe oder bei Inaktivität wie Liegen oder Sitzen,

 

  • Bewegung bessert die Beschwerden,

 

  • abends und nachts verschlimmern sich die Symptome bzw. sie treten ausschließlich dann auf.

Weitere Merkmale:

 

  • Schlafstörungen,

 

  • die Beschwerden verstärken sich,

 

  • die RLS-Symptome treten während einer Schwangerschaft auf.

Darüber hinaus finden sich oft weitere Auffälligkeiten – sogenannte unterstützende Kriterien:

 

  • Betroffene spüren nach der Behandlung mit L-Dopa, einer Vorstufe des Nervenbotenstoffs Dopamin, oder niedrig dosierten Dopaminagonisten, also Dopamin-ähnlich wirkenden Substanzen, eine Besserung,

 

  • es können periodische Beinbewegungen (PLMS: Periodic Limb Movements in Sleep) nachgewiesen werden, beispielsweise wiederkehrende unwillkürliche Zuckungen der Beine während des Schlafs, 
  • Familienangehörige leiden unter den gleichen oder ähnlichen Beschwerden wie der Betroffene.

Restless Legs: So häufig wie Migräne

Etwa 1,3 Millionen Menschen in Deutschland leiden Schätzungen zufolge am Syndrom der unruhigen Beine (RLS, Restless-Legs-Syndrom) und müssten eigentlich behandelt werden – das sind ebenso viele, wie es Migränepatienten gibt. Doch nur bei jedem Vierten ist die Erkrankung richtig diagnostiziert. Die Fehldiagnosen reichen von Durchblutungsstörungen über Arthritis bis zu stressbedingten Schlafstörungen.


Ohne die richtige Behandlung prägen die Folgen des dadurch entstehenden Schlafmangels schließlich den Alltag: chronische Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit können zu Problemen in Beruf und sozialen Kontakten führen. Die Betroffenen ziehen sich immer mehr zurück – es drohen schließlich Depressionen.

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