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Rote-Hand-Brief komplett ignoriert: Risikopatienten wird weiter Diclofenac verschrieben

Interpretationsspielräume ließ der Rote-Hand-Brief vom Juli 2013 eigentlich keine. Das kardiovaskuläre Risiko von Diclofenac, hieß es darin, sei keienswegs niedriger als das von Coxiben. Deshalb dürfe man das Arzneimittel ebenfalls nicht an Patienten mit kongestiver Herzinsuffizienz (NYHA* II–IV), ischämischen Herzproblemen, peripherer arterieller Verschlusskrankheit oder zerebrovaskulärem Leiden verschreiben.
Oliver Scholle vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen und seine Kollegen wollten nun wissen, wie viele der Empfänger der Anweisung Folge leisteten. Deshalb verglichen sie die Verschreibungszahlen von Diclofenac bei sämtlichen hierzulande gesetzlich versicherten Erwachsenen zwischen Januar 2010–2011 und Januar 2013–2014.
Ibuprofen und Naproxen sind weniger riskant
Zwar verschrieben Kollegen im Zeitraum zwischen 2013 und Anfang 2014 Erstbenutzern rund 30 % weniger Diclofenac als noch drei Jahre zuvor. Allerdings blieb der Anteil der Patienten mit kardiovaskulärer Kontraindikation mit etwa 12 % konstant. „Die neuen Kontraindikationen spiegeln sich im Verschreibungsverhalten nicht wider“, fassen die Autoren das Ergebnis zusammen. Den Rückgang der Diclofenac-Verordnungen halten sie für einen allgemeinen Trend, der schon länger existiert.
Ibuprofen oder Naproxen haben ein deutlich besseres Risikoprofil, dennoch waren sie für Kollegen bei 70 % der gefährdeten Patienten in der Studie nicht erste Wahl. Auch deshalb schlussfolgern die Autoren, dass den Diclofenac-Verschreibern die Kontraindikation gar nicht bewusst war, „eine Tatsache, die wir alarmierend finden“.
Gefahr schon bei kurzer Einnahme geringer Dosen
Zudem ist inzwischen belegt, dass das kardiovaskuläre Risiko bereits bei niedrigen Diclofenacdosen und innerhalb der ersten 30 Tage nach Therapiebeginn ansteigt. Was der aktuellen Studie gerade deshalb mehr Bedeutung verleiht, weil 80 % der Patienten nur ein einmaliges Diclofenacrezept erhielten.
* New York Heart Association
Quelle: Scholle O et al. J Intern Med 2019; DOI: 10.1111/joim.12990
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