
Schizophrenie: Minussymptomen gezielt auf den Grund gehen

Bei Wahn und Halluzinationen helfen Neuroleptika, in akuten Phasen gibt’s zusätzlich Sedativa. Die meisten Ärzte wissen, wie sie die Positivsymptome ihrer Schizophreniepatienten in den Griff bekommen. Negativsymptome dagegen fallen im klinischen Alltag weitaus weniger auf. Denn Apathie (Avolition, Anhedonie, Asozialität) oder ein reduzierter Ausdruck (Alogie, Affektverflachung) sind nicht nur wesentlich schwieriger zu diagnostizieren. Auch die Therapie gestaltet sich kniffliger.
Negativsymptome treten bereits sehr früh auf, oft schon während der Prodromalphase. Weil sie Betroffene im Alltag und in ihrer Lebensqualität meist stark einschränken, sind die Konsequenzen klar: niedrigere Remissionsrate, schlechtere Langzeitprognose. Was also tun?
Nach Meinung von Dr. Federica Klaus, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, und Kollegen müssen die Symptome zunächst detailliert erhoben werden. Dazu gehört auch, die expressiven Fähigkeiten der Patienten zu beobachten und wenn möglich eine Fremdanamnese einzuholen. Mittlerweile stehen dafür strukturierte Interviewleitfäden zur Verfügung, die die Skalen BNSS* und CAINS** umfassen. Beide lassen sich in 15–30 Minuten durchführen. Neue Methoden wie die Aktigraphie oder Smartphoneapps könnten dabei helfen, die Patienten „natürlicher“ zu beobachten.
Bei komorbider Depression Therapie augmentieren
Für die Behandlung ist es besonders wichtig, zwischen primären und sekundären Negativsymptomen zu unterscheiden. Letztere treten z.B. als Folge der Positivsymptomatik (z.B. sozialer Rückzug aufgrund von Verfolgungserleben), einer komorbiden Depression, substanzinduzierter Nebenwirkungen oder umgebungsbedingt auf, etwa nach Verlust des sozialen Umfeldes. Therapeutisch lassen sich hier leichter Ansatzpunkte finden, schreiben die Autoren.
Bei komorbider Depression gilt eine Augmentation mit Antidepressiva laut aktuellen Metaanalysen als sichere und effektive Option. Atypische Antipsychotika scheinen ebenfalls gute Effekte zu erzielen. Darüber hinaus geht der Rückgang der Positivsymptome unter antipsychotischer Therapie wohl auch mit abnehmenden Negativsymptomen einher, weshalb ggf. zunächst eine höhere Dosierung des Neuroleptikums oder ein Wechsel auf Clozapin erwogen werden kann. Die kognitive Verhaltenstherapie entpuppte sich an dieser Stelle ebenfalls als wirksam.
Sind die sekundären Beschwerden als Nebenwirkung der Antipsychotika identifiziert worden, sollten Ärzte die Dosierung reduzieren oder das Präparat wechseln. Bei Substanzabusus ist eine entsprechende Therapie, inklusive pharmakologischer Substitution indiziert. Eine soziale Deprivation wiederum bedarf Eingriffe in den Alltag der Betroffenen, z.B. indem man Umgebungsbedingungen und Tagesstruktur ändert.
Wenig Optionen gegen primäre Negativsymptome
Persistieren die Beschwerden weiterhin, ist von einer primären Negativsymptomatik auszugehen. Studien zu ihrer medikamentösen Beeinflussung gibt es nur wenige. Atypische Antipsychotika wirken vermutlich deshalb, weil sie die sekundären Minussymptome, Positivsymptome oder Nebenwirkungen reduzieren. Für Amisulprid (50 bis max. 300 mg) sowie Olanzapin (5 mg) fanden sich Hinweise, dass sie gegen primäre Negativsymptome wirken könnten. Auch die Augmentation mit Antidepressiva hat womöglich positive Effekte. Perspektivisch verweisen die Schweizer Autoren auch auf neuere atypische Neuroleptika wie Cariprazin (In der EU ist letzteres seit 2017 zur Therapie der Schizophrenie bei Erwachsenen zugelassen. Der G-BA bescheinigt dem Wirkstoff einen geringen Zusatznutzen bei überwiegender Negativsymptomatik, die Redaktion).
Nur wenige alternative (Add-on-) Therapien sind in der Pipeline. Im Kontext der Verhaltenstherapie könnten multimodale Ansätze mit systematischem Aktivitätsaufbau und sozialem Kompetenztraining einen Benefit bringen, wobei die Evidenz positiv, aber noch dürftig ausfällt. Eine Musiktherapie kann die emotionale Ausdrucksfähigkeit verbessern und auch körperliche Aktivität zeigt ermutigende Effekte. Von tiergestützten Verfahren, einer familienzentrierten Psychoedukation oder Humortherapie haben Patienten im Vergleich zur Standardbehandlung jedoch wenig.
* Brief Negative Symptom Scale
** Clinical Assessment Interview for Negative Symptoms
Quelle: Klaus F et al. Ther Umsch 2018; 75: 51-56
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).