Schlafmittel, Antidepressiva oder Psychotherapie?

Dr. Carola Gessner, Foto: thinkstock

Wieder einmal sitzt ein Patient im Sprechzimmer, der Nacht für Nacht „kein Auge zutut“. Welche Behandlungsmöglichkeiten neben Schlafmitteln und Antidepressiva gibt es?

Erstaunlich oft werden Antidepressiva verschrieben und auf der anderen Seite wissen die Kollegen viel zu wenig über psychotherapeutische Möglichkeiten. Dies ergab die Auswertung von 166 Fragebogen. 80 % der niedergelassenen Kollegen gaben an, mindestens einmal wöchentlich, wenn nicht gar täglich Patienten mit Schlafstörungen zu beraten.

Beratung zur Schlafhygiene? Da winken die meisten ab

Nach den Erfahrungen der Kollegen tritt die Schlaflosigkeit nur selten isoliert auf. Daher gelte es zuerst Ursachen wie Angst, Depression, Schlafapnoe, chronische Schmerzen oder Medikamenten-Effekte als Grund der kurzen Nächte auszuschließen, erklärten die meisten Befragten.


In jedem Fall folgt dann eine ausführliche Beratung, in 90 % der Fälle schließen sich Erläuterungen zur Schlafhygiene an: Kaffee und Alkohol meiden, geregelte Schlafgewohnheiten, kein Mittagsschlaf, gesunder Lebensstil mit körperlicher Aktivität und Entspannung. Doch tatsächlich hatten die Ärzte selbst wenig Zutrauen zu dieser Maßnahme bzw. berichteten, dass viele Patienten diese Tipps schon kennen und häufig ohne Erfolg ausprobiert haben. „Wenn jemand eine Verschreibung erwartet und die Praxis ohne Rezept verlässt“, erklärte einer der Befragten, „ist er sauer, fühlt sich abgespeist und Sie haben ihn verloren“.

Erholungspause mit Benzos, aber wirklich nur ganz kurz

Also verschreiben, aber was? Viele Doktoren raten ihren Patienten, es erst einmal mit rezeptfreien nicht sedierenden Antihistaminika aus der Apotheke zu versuchen. Aber in den meisten Fällen, gaben die Ärzte zu, hilft auch das nicht auf Dauer.

Hitliste der Schlaf-
Maßnahmen

  • Verbale Ratschläge 100 %
  • Erläuterung der Schlafhygiene 89 %
  • Amitriptylin 95 %
  • Benzodiazepine 87 %
  • Zolpidem, Zopiclon 84 %
  • nichtsed. Antidepressiva 61 %
  • sedierende Antihistaminika 40 % 
  • Verhaltenstherapie 22 %


Benzodiazepine und Z-Substanzen, erklärten die meisten Hausärzte, würden sie aber wegen des Abhängigkeitspotenzials nur widerstrebend und allenfalls für kurze Zeit (ein bis zwei Wochen) verordnen. Natürlich komme man oft nicht darum herum, wenn es darum geht, erschöpften Patienten eine Schlaflosigkeits-Pause zu verschaffen, aber auf längere Sicht müsse man sich etwas anderes einfallen lassen.

„Amitriptylin hilft! Das weiß ich aus Erfahrung“

Für die Mehrzahl der britischen Kollegen heißt „Amitriptylin“ die Lösung des Problems. Trotz der fehlenden Zulassung für Insomnie greifen 95 % der Befragten gern zum Antidepressivum in niedriger Dosis (10–20 mg) und berufen sich dabei auf ihre Erfahrung. „Es gibt ja vieles, was nicht zugelassen ist, aber ich habe es in meiner Klinikzeit immer wieder gesehen, wie Amitriptylin die Leute schläfrig macht und ent­spannt – das Medikament wird schon so lange gegen Schlafstörungen eingesetzt, dass ich es insgesamt für vernünftig halte, es zu verordnen.“


Trotz möglicher Medikamenten-Interaktionen und Begleiteffekte wie Arrhythmien oder Sturzrisiken schätzen die Kollegen Amitriptylin als sicher ein. Vor allem bei Schlafproblemen im Zusammenhang mit Schmerz oder bei Suchtpatienten verwenden sie das Antidepressivum gern. Probleme oder Kontraindikationen bestehen nur in 5 % der Fälle, lautete die Einschätzung eines Hausarztes.

Fortbildungen in Sachen Psychotherapie gefordert

Wesentlich geringer fällt die Begeisterung von Allgemeinärzten hinsichtlich psychotherapeutischer Interventionen aus. „Verhaltenstherapie? Das hilft gegen Ängste oder Depressionen, aber nicht gegen Schlaflosigkeit, sind die meis­ten überzeugt. Auch würden die Fachkollegen über eine Insomnie-Zuweisung nicht erfreut sein, so die allgemeine Einschätzung. Und die wenigsten wissen, dass kognitiv-verhaltenstherapeutische Maßnahmen (wie Schlaf-Restriktion) durchaus auch von Nicht-Experten angewendet werden können.


Alles in allem sehen die Gesundheitsforscher aus Southampton – als Ergebnis ihrer Hausärztebefragung – viel Verbesserungsbedarf. Der starke Gebrauch von Amitriptylin stütze sich auf eine dürftige Evidenzbasis, betonen sie. Zudem fordern sie eine bessere Fortbildung bezüglich psychotherapeutischer Maßnahmen: „Es gibt eine gute Evidenz für die Wirksamkeit der kognitiven Verhaltenstherapie gegen Insomnie!“


Quelle: Hazel Everitt et al., British Journal of General Practice 2014; online first

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