Schluss mit Brille und Kontaktlinsen

Dr. Dorothea Ranft

Ein Linsenaustausch an beiden Augen erfolgt meist zweizeitig und in Lokalanästhesie. Ein Linsenaustausch an beiden Augen erfolgt meist zweizeitig und in Lokalanästhesie. © Science Photo Library/Reeve, Antonia

Immer mehr fehlsichtige Patienten entscheiden sich für einen Austausch ihrer natürlichen Augenlinse durch ein künstliches Exemplar. Doch dieser Eingriff birgt bei allen Vorteilen auch erhebliche Gefahren.

Das Prinzip des Linsenwechsels ist aus der Kataraktchir­urgie bekannt und hat sich bei dieser Indikation millionenfach bewährt. Die Operation kann bei jedem Patienten durchgeführt werden, der keine Brille oder Kontaktlinsen tragen will, schreiben Prof. Dr. Albert­ Augustin­ und Dr. ­Jenny Atorf­ vom Städtischen Klinikum Karlsruhe.

Nachgefragt wird die Implantation meist von Personen mit (sehr) hoher Myopie oder Hyperopie, die nicht für eine Laserbehandlung (z.B. LASIK*) infrage kommen. Weil durch die Entfernung der eigenen Linse die natürliche Akkommodationsfähigkeit verloren geht, hält die Kommission Refraktive Chirurgie (KCR) den Linsenaustausch bei Patienten ohne Presbyopie nicht für empfehlenswert. Außerdem sind diverse Kontraindikationen zu beachten (s. Kasten unten) und nicht zuletzt sollte eine beidseitige Sanierung nicht am selben Tag erfolgen. 

Wichtige Kontraindikationen

  • periphere gittrige Netzhaut­degenerationen
  • junger Patient ohne hintere Glaskörperabhebung
  • myopiebedingte Lacksprünge
  • myope choroidale Neovaskularisation im Partnerauge
  • beginnende Makuladegeneration im Partnerauge
  • diabetische Retinopathie, Hornhautleiden, inflammatorische Augenerkrankungen

Das postoperative Ergebnis hängt maßgeblich von der Auswahl der richtigen Intraokularlinse (IOL) ab. Die nötigen Eigenschaften des Implantats werden wie bei einer Kataraktoperation vorab genau berechnet. Zur Verfügung stehen verschiedene Varianten.

Durchgängig scharfe Sicht dank Monovision

Monofokale Linsen haben einen festen Brennpunkt und korrigieren das Auge entweder für die Nähe oder für die Ferne. Sie kommen für alterssichtige Patienten mit Myopie oder Hyperopie in Betracht. Auch eine Monovision ist mit Einstärkenlinsen erreichbar. Dafür wird das eine Auge möglichst genau emmetropisiert und das andere um bis zu -3 dpt myopisiert. Die differierende Visuseinstellung gleicht das Gehirn aus, was dem Patienten eine weitgehende Brillenfreiheit (Nähe und Ferne) ermöglicht. Am häufigsten implantiert werden multifokale Linsen mit mindestens zwei Brennpunkten. Sie eignen sich für presbyope Patienten mit Hyperopie oder hoher Myopie (> -6 dpt), erfordern aber eine mehrmonatige Eingewöhnungszeit. Außerdem ist das Kontrastsehen vermindert, weil ein Teil des einfallenden Lichts verloren geht. Schließlich muss man mit vermehrten Streulichtphänomenen rechnen. Inzwischen stehen weitere IOL-Typen zur Verfügung, darunter auch akkomodierbare Modelle (siehe Tabelle).
Drei neue Implantate
Linsen mit erweiterter Tiefenschärfescharfes Sehen in mehreren Entfernungen, geringerer Lichtverlust als bei multifokalen Linsen
akkomodierende Linsenguter Fernvisus, mäßiger Intermediärvisus, Brillenbedarf für die Nähe
adjustierbare Linsenveränderbare Brechkraft durch Belichtung mit UV-Licht, verbliebene refraktäre Fehler bis 3 dpt korrigierbar
Nicht unterschätzt werden sollten die Risiken der Implantation. Da es sich um einen elektiven Eingriff handelt, sind auch seltene Ereignisse wie Blutungen, Bulbusperforation und ein Verlust des Auges anzusprechen. Während des Eingriffs kann die Linsenkapsel einreißen. Besondere Gefahren birgt die Versorgung hochmyoper Patienten: Wegen der „Überlänge“ des Augapfels kommt es bei ihnen während der retrobulbären Injektion des Lokalanästhetikums leicht zu Verletzungen. Die unmittelbaren postoperativen Komplikationen entsprechen denen der Kataraktoperation. Zur antientzündlichen Therapie empfehlen die Autoren entzündungshemmende Augentropfen (Kortikoid plus Anti­biotikum) und eine Salbe für die Nacht. Vor allem in den sieben Tagen nach dem Eingriff ist mit einer Endophthalmitis zu rechnen (engmaschige Nachsorge). Das zys­toide Makulaödem mit herabgesetztem Sehvermögen bildet sich meist innerhalb der ersten Wochen. Besonders gefährdet sind myope Patienten. Die Therapie erfolgt mit einem Carbo­anhydrase-Hemmer, beispielsweise Azetazolamid. Bei mangelndem Ansprechen oder Rezidiven wird ein intravitreales Dexamethason-Implantat empfohlen. Die häufigste postoperative Komplikation ist der Nachstar. Er entwickelt sich erst nach Monaten bis Jahren. Vorsichtsmaßnahmen wie die Kapselpolitur während des Eingriffs dienen der Prophylaxe. Die Entfernung mittels Laserkapsulo­tomie sollte wegen des Risikos für eine Netzhautablösung möglichst lange hinausgezögert werden.

Bei starker Kurzsichtigkeit droht Netzhautablösung

Die gefährlichste Komplikation ist die Netzhautablösung. Ein besonders hohes Risiko tragen Patienten mit (starker) Myopie. Zu den weiteren Ursachen zählen vorbestehende gittrige Degenerationen sowie retinale Foramina und Risse. Auch junges Alter, eine intraoperative Ruptur der hinteren Kapsel und eine Nachstarbehandlung mit Laser begünstigen die retinale Ablatio.

* Laser-in-situ-Keratomileusis

Quelle: Augustin AJ, Atorf J. Z prakt Augenheilkd 2021 42: 605-611

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Ein Linsenaustausch an beiden Augen erfolgt meist zweizeitig und in Lokalanästhesie. Ein Linsenaustausch an beiden Augen erfolgt meist zweizeitig und in Lokalanästhesie. © Science Photo Library/Reeve, Antonia