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Schokolade, Snacks und die Spätfolgen

Sitzt man einem Patienten mittleren Alters mit Hyperglykämie gegenüber, zieht man bei ihm durchaus einen Typ-2-Diabetes in Betracht. Bei Kindern und Jugendlichen dagegen denkt man bei erhöhten Blutzuckerwerten vornehmlich an den Diabetes mellitus Typ 1 – schon allein deswegen, weil diese Form der Erkrankung bei jungen Menschen häufiger vorkommt als der Typ-2-Diabetes. Doch in diesem Punkt ändert sich derzeit etwas: Laut der Global Burden of Disease Study hat die Häufigkeit des sogenannten Early Onset Type 2 Diabetes bei den 15- bis 39-Jährigen in den letzten 30 Jahren um etwa 50 % zugenommen.
Je nachdem, ob man einen Patienten mit Typ-2-Diabetes oder jemanden mit dem Typ 1 vor sich hat, unterscheidet sich das therapeutische Vorgehen ganz erheblich. Ärzte sollten daher Kinder und Jugendliche, bei denen sie eine erhöhte Blutzuckerkonzentration feststellen, grundsätzlich auf einen monogenen Diabetes sowie auf Autoantikörper gegen Inselzellen oder Insulin hin untersuchen, schreiben Dr. Shivani Misra vom Imperial College London und ihre Kollegen. Pädiatrische Leitlinien empfehlen das sogar ausdrücklich. Sind diese Tests negativ, liegt höchstwahrscheinlich ein Typ-2-Diabetes vor. Einen vorläufigen Hinweis bietet das Körpergewicht. Denn im Gegensatz zu ihren normalgewichtigen Altersgenossen mit Typ-1-Diabetes sind diese Kinder und Jugendlichen oft deutlich übergewichtig.
Mehr Komplikationen bei Schwangerschaften
Eine spezielle Herausforderung für die behandelnden Ärzte stellt eine Schwangerschaft dar: Bei etwa einem Drittel der schwangeren Teenager mit Typ-2-Diabetes fanden Forscher eine Hypertonie und bei ebenfalls einem Drittel war der HbA1c-Wert mit über 8 % weit von den empfohlenen Werten entfernt. Hinzu kommt, dass bei jedem zehnten Neugeborenen dieser Mütter eine kongenitale Fehlbildung auftritt und fast eine von 25 Schwangerschaften mit einer Totgeburt endet. Das sind wesentlich mehr als bei jungen Frauen mit Typ-1-Diabetes. Dementsprechend sollte der zuständige Arzt frühzeitig die Überweisung zu einem Gynäkologen erwägen oder mit seiner Patientin selbst über Verhütung, möglicherweise teratogene Medikamente und die Einnahme von Folsäure reden. Denn laut einer britischen Untersuchung sind etwa doppelt so viele Frauen mit Typ-1-Diabetes über diese Dinge informiert wie Frauen mit Typ-2-Diabetes.
Übergewicht ist einer der Hauptrisikofaktoren bei den „Jungdiabetikern“: Neun von zehn Kindern mit Typ-2-Frühdiabetes sind zu dick. Und je jünger und je übergewichtiger sie sind, desto schneller schreitet die Stoffwechselstörung fort. Bekommt man das Gewicht aber in den Griff, bevor die Pubertät einsetzt, sinkt auch das Diabetesrisiko. Bei den betroffenen Kindern und jungen Erwachsenen drohen im Prinzip die gleichen Komplikationen wie bei den älteren Patienten – nur verbleibt bei jungen Menschen wesentlich mehr Zeit, diese diabetesspezifischen Begleiterkrankungen zu entwickeln.
Auch an psychiatrische Komorbiditäten denken
Pro Jahr mit Diabetes steigt das Risiko für Komorbiditäten um bis zu 5 % – nach 20 Jahren ist es also doppelt so hoch wie bei den Älteren. Zu den üblichen Diabeteskomplikationen können noch psychiatrische Probleme wie depressive Symptome, Angsterkrankungen und bipolare Störungen kommen. Wobei sich die Frage nach Huhn und Ei stellt: Haben die jungen Patienten psychische Probleme, weil sie eine chronische Krankheit haben? Oder prädisponieren mentale Faktoren für die Stoffwechselstörung?
Die medikamentöse Therapie des Typ-2-Diabetes bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen wirft eine Reihe an Fragen auf, denn die zugelassenen Medikamente wurden mit deutlich älteren Personen geprüft. Zwar lässt sich mit strikter Kalorienbeschränkung das Übergewicht reduzieren und der Stoffwechsel positiv beeinflussen. Eine solche strenge Ernährungsform hält aber kaum jemand über längere Zeit durch.
GLP1-Agonisten allein oder kombiniert mit Metformin konnten den HbA1c-Wert senken. Der Einfluss auf das Körpergewicht war aber allenfalls bescheiden. Dapagliflozin und andere Gliflozine zeigten erste vielversprechende Ergebnisse, doch die Langzeiteffekte und die langfristigen Nebenwirkungen müssen noch ausführlich untersucht werden, bevor allgemeine Empfehlungen möglich sind.
Langzeitfolgen bariatrischer Operationen noch unklar
Ähnliches gilt für bariatrische Operationen. Sie verringern zwar Gewicht und Blutzucker bis hin zur Remission des Diabetes, aber der Einfluss des Eingriffs auf das Wachstum und eventuelle Komplikationen über die vielen Jahrzehnte an Lebenszeit, die die jungen Patienten noch vor sich haben, sind derzeit vollkommen unklar. In jedem Fall sollte die Therapie durch ein interdisziplinäres Team aus Kinderärzten, Endokrinologen, Gynäkologen und Psychologen erfolgen, ggf. ergänzt um weitere Experten.
Quelle: Misra S et al. Lancet Diabetes Endocrinol 2023; DOI: 10.1016/S2213-8587(23)00225-5
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