Schutzeffekt der Impfung gegen Keuchhusten in Gefahr?

Dr. Anja Braunwarth, Foto: Adam Gregor - Fotolia

Der Impfstoff gegen Bordetella pertussis enthält drei bis fünf relevante Antigene, die eine Immunreaktion auslösen. Doch der Erreger scheint sich zu wehren: Eines dieser wichtigen Antigene schüttelt er immer mehr ab.

In den 1990er Jahren haben azelluläre Vakzinen aufgrund der besseren Verträglichkeit die früheren Ganzkeimimpfstoffe abgelöst. Ein wichtiger Bestandteil des heutigen Serums ist Pertactin. Mit diesem Protein der äußeren Zellmembran setzt sich B. pertussis an den Epithelzellen der Atemwege fest, außerdem löst es eine Antikörperbildung aus.

Jedes zweite Bakterium
 ist bereits mutiert

Eine aktuelle Untersuchung zeigt nun, dass immer mehr Erreger dieses Protein durch Mutationen verloren haben. Eine amerikanische Forschergruppe untersuchte 1300 Isolate, bei 306 fand sich ein entsprechender genetischer Defekt.1


Was die Infektiosität betrifft, scheinen sich die beiden Keimvarianten nicht zu unterscheiden. Darauf deutet eine französische Studie mit 60 infizierten Kindern hin.2 20 von ihnen wiesen pertactindefiziente Stämme auf. Es fanden sich keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die klinischen Symptome des Keuchhustens. Lediglich die Zeit zwischen dem Einsetzen des Hustens und der Hospitalisierung war beim mutierten Erreger länger, was auf einen weniger schweren Krankheitsverlauf hinweisen könnte.

Pertussis-Impfung bald nutzlos?

Nach der erstmaligen Entdeckung eines pertactindefizienten Keimes 1994 vergingen 16 Jahre, ehe ein zweiter auftauchte. Seitdem ist nun aber der Anteil der mutierten Bakterien auf mehr als 50 % gestiegen. Die US-amerikanischen Autoren interpretieren die Ergebnisse als Anpassung von Bordetella pertussis an die Umgebung, in der es von Antikörpern gegen Pertactin wimmelt.


Ein Totalversagen der Impfung scheint nicht zu befürchten, da noch weitere Antigene in der Vakzine enthalten sind, eventuell könnte aber in der Zukunft eine „Überarbeitung“ des Serums nötig werden.

1. Lucia Pawloski et al., Clin and Vaccine Immunol 2013; online first

2. Hélène Bodilis et al., Emerg Infect Dis 2013; 19: 471-474


Prof. Dr. 
Carl Heinz 
Wirsing von König

Labormedizin am Helios Klinikum Krefeld


Müssen wir um die Impfung fürchten?


Man muss zunächst unterscheiden, ob die Stämme eine Mutation des Pertactin (PRN)-Gens tragen oder ob sie wirklich kein PRN produzieren. Nur Letzteres wäre eventuell von Relevanz. Die ersten PRN nicht produzierenden Stämme sind ab 2007 in Frankreich beobachtet worden, dort machen sie jetzt etwa 20 % aller Isolate aus. Was die amerikanischen Befunde betrifft, prüfen die Kollegen von den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) derzeit, ob die mutierten Stämme auch tatsächlich alle kein Pertactin produzieren.


Wir müssen diese Entwicklung sicher verfolgen, was wohl alle Länder tun – auch hierzulande gibt es PRN-negative Stämme – aber derzeit besteht kein Grund zur übermäßigen Besorgnis.

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