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Schwindel - die Diagnose mit einfachen Mitteln eingrenzen
Fall 1:
Eine Zwölfjährige klagt über passagere Anfälle von unspezifischem Schwindel. Im Sportunterricht hat sie eine kurze Bewusstlosigkeit mit klonischen Zuckungen erlitten. An diesem Morgen hatte sie nicht gefrühstückt und nur etwas Tee getrunken, berichtete Dr. Ulrich Seidel von der Kinderklink Worms.
Die Verdachtsdiagnose: vasovagaler Schwindel bei Hypoglykämie und Hypovolämie. Das Mädchen unterzog sich einer Kipptischuntersuchung, die vasovagale Funktionsstörung wurde bestätigt.
Oft bestehen in solchen Fällen unspezifische Begleitsymptome wie Kopf- oder Bauchschmerzen, die nicht auf Analgetika ansprechen. Typische Vorboten sind Schwarzwerden vor Augen und Kaltschweißigkeit. Die Symptome bessern sich i. d. R. gut auf Hydrocortison oder niedrigdosiertes Propranolol. Selbst Kinder sind manchmal betroffen.
Fall 2:
Bei einer Vierjährigen wurde von Drehschwindelattacken mit Blässe, Nystagmus, Erbrechen und Angstgefühlberichtet. Innerhalb einiger Stunden bildeten sich die Symptome zurück. Zwischen den Anfällen war das Kind unauffällig.
Solche isolierten Drehschwindelattacken sprechen für den benignen paroxysmalen Schwindel (BPV) im Kindesalter. Dieser tritt typischerweise in den ersten vier Lebensjahren auf und ist als Vestibularismigräne mit Aura, aber ohne Kopfschmerz zu deuten. Häufig kommen auch rezidivierende Bauchschschmerzen und zyklisches Erbrechen vor.
Die Eltern dieser Kinder berichten zudem oft über unklare Bauchschmerzen im Kleinkindalter. Meist sistieren die Beschwerden, bevor die Kinder acht Jahre alt sind, können aber in andere Migräneformen übergehen.
Nicht zu verwechseln ist der BPV mit dem benignen paroxsysmalen Lagerungsschwindel. Die Ursache stellen hier gelöste Otholithen dar, die im hinteren Bogengang zu Irritationen und bei Lagewechsel zu kurzen Drehschwindelattacken mit Nystagmus und Übelkeit führen.
Dieser paroxsysmale Lagerungsschwindel verschwindet meist nach einigen Wochen bis Monaten. Bei etwa 30 % der Patienten persistiert er ohne Therapie, berichtete der Pädiater. Man kann aber auch durch Lagerungsmanöver versuchen, die Ohrsteinchen aus dem Bogengang herauszukatapultieren, z.B. Epley- Manöver.
Fall 3:
Ein junger Mann von fast 18 Jahren kommt mit einer seit einer Stunde bestehenden heftigen Drehschwindelattacke, Übelkeit und Erbrechen in die Praxis. Es besteht eine einseitige Fallneigung und ein Ohr ist „zu“. Hier liegt ein Morbus Meniere vor, löste Dr. Seidel den Fall auf.
Typisch ist zudem ein Spontannystagmus und dass der Patient genau sagen kann, von welchem Ohr die Symptomatik ausgeht. Bei der Erkrankung gibt es zwei Altersgipfel, der erste liegt im jungen Erwachsenenalter, der zweite zwischen 50 und 70 Jahren.
Fall 4:
Eine Siebenjährige wird mit episodenhaft auftretenden, nur wenige Sekunden dauernden Schwindelanfällen vorgestellt. Gleichzeitig bestehen Hypoakusis und vestibuläre Defizite. Die Kleine kann die Attacken durch bestimmte Kopfbewegungen auslösen bzw. beenden.
Man vermutete daraufhin eine vestibuläre Paroxysmie, bei der hirnstammnahe pulsierende Arterien den N. vestibulochochlearis komprimieren. Langfristig wird dadurch der innere Gehörgang geschädigt. Ein erfolgreicher Therapieversuch mit Carbamazepin bestätigte den Verdacht. Typischerweise kehren die Anfälle bei einem Auslassversuch wieder.
Quelle Fortbildungsveranstaltung 24. Pädiatrie zum Anfassen des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ)
Einige einfache Tests für die Praxis:
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peripher | zentral | |
Beginn mit Latenz | beginnt ohne Latenz | |
stoppt nach weniger als 1 Minute | unerschöpflich | |
hängt von der Blickrichtung ab | horizontal/vertikal | |
Schwindel | ohne/ kaum Schwindel | |
Gleichgewicht testen: Lassen Sie den Patienten im Stehen mit geschlossenen Augen und vorgestreckten Armen (Handflächen nach oben) ein Bein heben. Schwanken und Umfallen weist auf cerebelläre Ataxie hin. Bei der Frage, ob es sich auch um eine psychogene Symptomatik handeln könnte, kann man dem Patienten gleichzeitig eine Rechenaufgabe geben. Stabilisiert sich die Standfestigkeit unter der Ablenkung, deutet das auf ein psychogenes Problem hin. Fingerfolgeversuch: Sie halten ihren Finger rasch an verschiedene Stellen vor dem Körper des Patienten und er muss mit der Spitze des eigenen Zeigefingers rasch folgen. Auch mit dieser Prüfung testet man die cerebellare Funktion. |
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