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Screening auf Vorhofflimmern lohnt sich!
Die Prävalenz des Vorhofflimmerns (VHF) nimmt in unserer älter werdenden Bevölkerung enorm zu. Dies geht für die Betroffenen mit einem stark erhöhten Schlaganfallrisiko einher. Fatalerweise ist ein beträchtlicher Anteil der Arrhythmie-Patienten beschwerdefrei.
Die Diagnose wird erfahrungsgemäß erst beim Auftreten von Komplikationen gestellt. Und möglicherweise noch nicht einmal dann: Nicht wenige Patienten erleiden einen Schlaganfall, ohne dass danach die Arrhythmie als Ursache entlarvt wird.
Eine aufsehenerregende Publikation zu diesem Thema gab es im Frühjahr 2013, berichtete Professor Dr. Hans Kottkamp von der Rhythmologie Klinik Hirslanden in Zürich. Erstmals haben Forscher im Südwesten von Schweden (Bezirk Halmstad, 92 000 Einwohner) in einem populationsbasierten Ansatz die Effizienz von VHF-Screening überprüft.
Schlaganfall-Gefahr droht erschreckend vielen Menschen
Über 1300 Personen im Alter von 75 und 76 Jahren wurden zur Studienteilnahme eingeladen, 848 haben teilgenommen. Nach Anamnese und Zwölf-Kanal-EKG erhielten alle Personen mit Sinusrhythmus, ohne Vorhofflimmern in der Vorgeschichte und CHADS2-Score ≥ 2 (insgesamt 403), ein mobiles „handheld“ EKG.
Damit sollten die Teilnehmer über einen Zeitraum von zwei Wochen zweimal täglich für die Dauer von 20 bis 30 Sekunden ein EKG aufzeichnen sowie zusätzlich, wenn sie Palpitationen verspürten.
Auf diese Weise entlarvten die Forscher eine hohe Rate von unerkanntem Vorhofflimmern. Bereits mittels Zwölf-Kanal-EKG fischte man bei Studienbeginn zehn Menschen mit bis dato nicht bekannter Rhythmusstörung heraus.
Von den rund 400 Senioren, die am zweiwöchigen Monitoring teilnahmen, wiesen 30 (7,4 %) Vorhofflimmern auf. Der mittlere CHADS2-Score betrug in dieser Gruppe 2,5. Und sechs dieser 30 Patienten hatten bereits einen Schlaganfall erlitten.
Screening zum Vorhofflimmern liefert oft Indikation zur Antikoagulation
Bei sechs weiteren Teilnehmern waren die Ergebnisse nicht ganz schlüssig – daraufhin wurde ein 48-Stunden-EKG veranlasst. Allen neu diagnostizierten VHF-Patienten bot man umfassende kardiale Diagnostik und weiterführende Therapie an. Die Betroffenen, so das Resultat, haben die Indikation zur oralen Antikoagulation gut angenommen.
Wer Überlegungen zum VHF-Screening anstellt, muss einige wichtige Faktoren berücksichtigen: Welche technischen Möglichkeiten gibt es? Wie stark werden medizinische Ressourcen in Anspruch genommen? Wie belastend ist das Vorgehen für die Gescreenten? Wen soll man überhaupt screenen? Welche Kosten entstehen dabei?
Eine Gruppe von Kardiologen ist dabei ganz neue Wege gegangen, berichtete Prof. Kottkamp: Immer mehr Menschen nutzen Smartphones, daraus ließe sich doch eine preiswerte und benutzerfreundliche Screening-Option entwickeln, so die Idee.
Die Kollegen vom UMass Memorial Medical Center in Boston1 testeten eine neue Smartphone-App, die eine Realtime-Analyse der Pulswellenform zur Arrhythmie-Detektion bei Patienten mit Vorhofflimmern nach Kardioversion nutzt. Zur Analyse wird die Fingerspitze einfach vor die Kamera des Handys (in dieser Studie ein iPhone 4S) gehalten.
Smartphone-App: Gute Lösung mit Schwächen
In einer Kohorte von 76 Patienten gelang es mit dieser Methode, Vorhofflimmern akkurat vom Sinusrhythmus zu unterscheiden – und das mit einer exzellenten Sensitivität und Spezifität, so Prof. Kottkamp.
Als Schwächen dieses Verfahrens nannte der Experte die mögliche Nichterkennung von Vorhofflattern mit regelmäßiger Überleitung sowie den Fehlalarm bei repetitiven harmlosen Extrasystolen.
„Könnte man nicht auch Loop-Recorder zum Aufdecken von ‚heimlichem‘ Vorhofflimmern nutzen“, lautete eine Frage aus dem Auditorium. Diese Ereignisrekorder spielen eine große Rolle in der Wissenschaft, antwortete der Referent.
Loop-Recorder: keine Option zum Screening
Sie werden aber auch klinisch genutzt, um seltene Arrhythmie-Episoden zu „erwischen“ – z.B. wenn bei einem Patienten mit Arrhythmie-Symptomen bereits dreimal ein Sieben-Tage-EKG „ohne Ausbeute“ aufgezeichnet wurde, doch außerhalb der Kontrollen immer wieder Beschwerden auftraten.
Für das populationsbasierte Screening spielen die Rekorder laut Prof. Kottkamp dagegen keine Rolle, ebensowenig fürs Erfassen von VHF-Rezidiven nach Ablation. Letztere können noch Jahre nach dem Eingriff auftreten, „und Ihr Patient kann ja nicht jahrelang einen Loop-Recorder tragen“.
Mit dem MRT strukturelle Vorhoferkrankungen aufdecken
Vielversprechender erscheint hingegen die Kernspintomographie: Mit dieser Methode wird man vor allem bei jüngeren VHF-Patienten ohne bekanntes Herzleiden nach einer strukturellen Vorhof-Grunderkrankung suchen (s. Kasten).
Wie Prof. Kottkamp vermutet, wird das MRT Routine werden und nach seiner Einschätzung aufdecken, „dass allenfalls 10 % der Patienten mit Vorhofflimmern rein fokale ‚Flimmerer‘ sind, der Rest hat eine atriale Grunderkrankung“.
„Lone Atrial Fibrillation“ – ein falscher Begriff? Das Verständnis vom Vorhofflimmern ist noch lückenhaft, betonte Prof. Kottkamp. Manche katheterabladierten Patienten verspüren nach fünfjährigem, freiem Intervall wieder Arrhythmie-Symptome. In manchen Fällen findet sich bei der Untersuchung eine Rekonnektion nach Pulmonalvenenablation.
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Quelle: Deutsche Gesellschaft für Kardiologie -Herbsttagung 2013 in Dresden
1. David D McManus et al., Heart Rhythm 2013; 10: 315-319
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