Selen: Ist die Nahrungsergänzung sinnvoll?

Maria Weiß

Nicht alle Menschen brauchen Selen, einigen scheint ein hoher Selenspiegel sogar zu schaden. Wer profitiert von einer Selen-Einnahme?

Die Aufnahme von Selen mit der Nahrung ist regional extrem unterschiedlich und reicht von täglich 7 μg bis knapp 5000 μg/Tag. In Europa beträgt die Selen-Aufnahme durchschnittlich 40 μg/Tag und ist somit eher niedrig – hohe Selenspiegel findet man dagegen in Venezuela, Kanada, USA und Japan.

Spurenelement macht müde Spermien munter

Die empfohlene Aufnahme liegt bei 60 μg/Tag für Männer und täglich 53 μg für Frauen, schreibt Dr. Margaret P. Rayman, University of Surrey, Guildford, Großbritannien. Viele Untersuchungen weisen darauf hin, dass höhere Selenspiegel mit besserer Gesundheit einhergehen. So zeigten Studiendaten, dass die Mortalität mit steigendem Selenspiegel (bis 135 μg/l) abnimmt und ein niedriger Selenspiegel unabhängiger Prädiktor der 5-Jahresmortalität bei älteren Frauen ist.


Doch möglicherweise sind niedrige Selenspiegel nur Ausdruck einer hohen inflammatorischen Aktivität oder einer eingeschränkten Nierenfunktion, gibt die Autorin zu bedenken. Bei höheren Selenspiegeln scheint die Mortalität wieder zuzunehmen.

Wirkt Selen positiv auf das Immunsystem?

Kontrovers diskutiert wird zurzeit, wer von einer zusätzlichen Seleneinnahme profitieren könnte. Selenoproteine sind wichtig für die Funktion aktivierter T-Zellen, was den zum Teil beobachteten positiven Effekt einer Selengabe bei HIV-Patienten erklärt.


Auch für die Gehirnfunktionen wird ausreichend Selen benötigt: Positive Effekte höherer Selenspiegel sind bei Epilepsien, Koordinationsstörungen, Parkinson und kognitivem Abbau gezeigt worden. Eine positive Wirkung auf Stimmung und Lebensqualität – wie früher vermutet – ließ sich dagegen in einer kontrollierten Studie nicht bestätigen.

Selen für potente Spermien?

Auch für die reproduktive Funktion ist Selen wichtig. Männer brauchen bestimmte Selenoproteine für die Spermienmotilität und bei Subfertilität kann manch einer von einer Selensubstitution profitieren. Aber hier gilt: Zu hohe Spiegel können den Effekt wieder umkehren.


Bei Schwangeren scheinen zu niedrige Selenspiegel mit einer erhöhten Fehlgeburts- und Präeklampsie-Rate (s.g. Schwangerschaftsvergiftung mit Symptomen wir Bluthochdurck und eine gestörte Nierenfunktion).  Allerdings ist unklar, ob die niedrigen Spiegel Ursache oder Folge dieser Komplikationen sind.

Selen schützt vor Hashimoto-Thyreoiditis

Die höchste Selenkonzentration findet man im Bereich der Schilddrüse, wo das Spurenelement an der Bildung von aktivem T3 aus T4 beteiligt ist. Vieles spricht dafür, dass eine Selenzufuhr bei positivem Antikörperbefund vor dem Auftreten einer autoimmunen Schilddrüsenerkrankung (Hashimoto-Thyreoiditis) schützen kann.


Auch bei Patienten mit Morbus Basedow (autoimmune Schilddrüsenüberfunktion) sind positive Effekte auf den Krankheitsverlauf gezeigt worden. In mehreren Studien ist der Effekt einer Selenzufuhr bei Krebspatienten untersucht worden – mit sehr unterschiedlichen Resultaten.


Als relativ gesichert gilt heute, dass die Selengabe bei Patienten mit normalen Spiegeln (> 122 μg/l) keinen zusätzlichen positiven Effekt hat und vielleicht sogar eher schadet. schreibt Dr. Rayman. Dass die Selengabe auch Risiken birgt, hat die US-amerikanische SELECT*-Studie gezeigt: Hohe Selenspiegel (bei Supplementation) gingen mit einer erhöhten Inzidenz von Typ-2-Diabetes einher.

Selenstudien nur noch bei normalem oder erhöhtem Spiegel

Generell empfiehlt die Expertin, künftige Studien gezielt bei Menschen mit erniedrigten oder niedrig normalen Selenspiegeln durchzuführen. Für Personen mit normalem oder gar erhöhtem Selenspiegel könnte sich das Spurenelement als schädlich erweisen.

Wozu Selen?

25 verschiedene Selenoproteine brauchen Selencystein als aktives Zentrum. Viele dieser Proteine sind wichtige Enzyme, was die zahlreichen Effekte von Selen auf den Körper und seine Zellen erklärt. Dazu gehören unter anderem antioxidative und antientzündliche Wirkungen. Außerdem ist das Spurenelement an der Bildung von aktivem Schilddrüsenhormon beteiligt.

*Selenium and Vitamin E Cancer Prevention Trial

 

Quelle: Margaret P. Rayman et al., Lancet 2012; 379:1256-68

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


thinkstock thinkstock