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Senioren am Steuer in der Grauzone

Es ist nicht zu leugnen: Mit steigendem Alter nehmen auch bei Gesunden bestimmte kognitive Fähigkeiten ab und spätestens ab 75 Jahren sind Senioren häufiger Hauptverursacher von Unfällen mit Personenschaden als andere Altersgruppen.
Vor allem das altersbedingte Nachlassen sogenannter fluider kognitiver Funktionen lässt ältere Menschen am Steuer zur Gefahr werden, erklärte Professor Dr. med. Dipl. Psych. Dipl.-Ing. Michael Falkenstein vom Leibniz Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund. Für die Beherrschung von komplexen Verkehrssituationen haben vor allem Dinge wie geteilte Aufmerksamkeit, visuelle Suche, Inhibition von irrelevanten Reizen und Mehrfachtätigkeiten Relevanz.
Im Schilder-Dschungel die Kontrolle verlieren
Die Funktion „Visuelle Suche“ ist z.B. für die Wahrnehmung von Hinweisschildern von Bedeutung – Ältere werden durch diesen Suchvorgang stärker beansprucht und verlieren dadurch leichter die Kontrolle über das Fahrzeug. Auch beim gleichzeitigen Auftreten komplexer, unerwarteter Situationen schneiden sie im Durchschnitt schlechter ab – selbst wenn sie bei Routinefahrten noch sehr sicher zu sein scheinen. Schon bei 50- bis 65-Jährigen lassen sich im Schnitt bereits vermehrte Probleme bei Ablenkung, Mehrfachtätigkeiten und an stark befahrenen, unübersichtlichen Kreuzungen nachweisen.
Allerdings gibt es in allen Jahrgängen eine große Varianz, sodass Alter allein kein Kriterium für den Entzug der Fahrerlaubnis sein kann, betonte der Experte. Und man muss immer bedenken, dass für Senioren Mobilität eine wichtige Voraussetzung für soziale Teilnahme sein kann – speziell in ländlichen Gebieten.
Auch sonst tut man ihnen mit einem pauschalen Entzug des Führerscheins nichts Gutes: Die Depressivität und Mortalität steigen danach deutlich an und die Betroffenen sind als Fußgänger oder auf dem Rad im Straßenverkehr noch viel stärker gefährdet als in der schützenden Blechkiste, sagte Prof. Falkenstein. Trotzdem: Spätestens, wenn die Älteren selbst oder ihre Beifahrer zunehmende Probleme im Straßenverkehr feststellen (s. Kasten), gilt es Maßnahmen zu ergreifen.
Warnzeichen für Ältere am Steuer und ihre Mitfahrer
- extrem langsames Fahren auf Autobahnen
- häufiges Hupen und ärgerliche Gesten von anderen Verkehrsteilnehmern
- Missachtung von roten Ampeln und Stoppschildern
- Missachtung von Vorfahrtsregeln und Verkehrszeichen
- Fehleinschätzungen von Verkehrssituationen, Geschwindigkeit und Abstand
- Mangel an Konzentration und Aufmerksamkeit
- Bagatellunfälle (Blechschaden, Fahren gegen Hauswände, Abfahren des Außenspiegels etc.)
- verlangsamte Reaktionen
- Nervosität bei zunehmender Verkehrsdichte
- „Tunnelblick“
- Verwirrtheit
- häufiges Verfahren
- verminderte Kritikfähigkeit
- zu dichtes Auffahren
- aggressiver Fahrstil
Spezielles Training legt den Fokus u.a. auf Linksabbiegen
In einer Studie mit 92 im Mittel 72 Jahre alten Patienten zeigte sich eine deutliche Besserung des Fahrverhaltens noch nach 12 Monaten, wobei zuvor „schlechte“ Autofahrer besonders profitierten. Ein Simulatortraining verbesserte ebenfalls das Verhalten am Steuer. Für ein kognitives Funktionstraining außerhalb des Autos fallen die Ergebnisse nicht ganz so eindeutig aus – es ließen sich aber zum Teil Verbesserungen erzielen. Falls alles nicht fruchtet, bleibt immer noch die Möglichkeit der „eingeschränkten Fahrerlaubnis“ z.B. mit dem Verbot von Nacht- und Dämmerungsfahrten oder einer Beschränkung des Umkreises. Nicht zuletzt kann man daran denken, die Umgebung grundsätzlich etwas „seniorengerechter“ zu gestalten – z.B. durch eine bessere Gestaltung von Hinweisschildern, eine unkompliziertere Verkehrslenkung an Kreuzungen und das Verbot von ablenkenden Werbetafeln an der Straße. Auch spezielle Navis mit rechtzeitigen Hinweisen können sinnvoll sein.*Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde
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