Spermien nach Hernienoperation gelähmt?

Antje Thiel, Foto: thinkstock

Leistenbrüche werden möglichst minimalinvasiv operiert – auch, um Schmerzen zu verringern. Doch setzen Männer so ihre Fruchtbarkeit aufs Spiel?

Bei der chirurgischen Therapie von Leistenhernien sind zwei endoskopische Verfahren möglich:


• TEP – totalextraperitoneale Netztechnik und
TAPP – transabdominale präperitoneale Netztechnik.


Auch die Europäische Herniengesellschaft (EHS) empfiehlt in ihren Leitlinien für primäre Hernien die Netzplastik nach Lichtenstein (Implantation von Kunststoffnetzen zwischen inneren und äußeren Bauchmuskel) und das endoskopische Verfahren, sofern der Operateur über ausreichende Erfahrungen verfügt.

Verringerte Spermienmotilität nur temporär?

Doch unter den Hernienchirurgen werden immer wieder Bedenken laut, dass die implantierten Kunststoffnetze die Fruchtbarkeit der operierten Patienten beeinträchtigen könnten. Bisher hielt man vor allem schwere und starre Netzmaterialien für die Übeltäter – sie könnten theo­retisch bei Kontakt mit dem Samenstrang durch übermäßige Narbenbildung zur Azoospermie oder zu geringerer Spermienmotilität führen.


Wie Professor Dr. Marc Miserez 
von der Universitätsklinik Leuven erklärte, scheinen unerwartet die Netzimplantate aus leichtgewichtigem Kunststoff ein Jahr nach der Implantation Nachteile in Form einer geringeren Spermienmotilität zu zeigen.

Drei unterschiedliche Netztypen auf dem Prüfstand

Dies geht aus eigenen Studiendaten hervor: Drei verschiedene Netztypen mit unterschiedlichem Gewicht und unterschiedlicher Porengröße standen auf dem Prüfstand. Bei 59 Patienten mit laparoskopischer Hernienoperation wurden klinische Effekte dieser Netztypen auf die Spermienmotilität untersucht. Jeweils prä- und postoperativ bestimmten die Forscher das Ejakulatvolumen sowie die Spermienkonzentration, -motilität und -morphologie der Probanden. Außerdem wurden jeweils vor und nach der Operation das Skrotum und die Testikulararterie mit Ultraschall untersucht.


In keiner der drei Gruppen ergaben sich Unterschiede beim skrotalen Ultraschall vor und nach dem Eingriff. Allerdings zeigte sich insbesondere bei den leichtgewichtigen, großporigeren Netzen ein Jahr nach der Operation eine verringerte Spermienmotilität. Drei Jahre postoperativ bestand kein Unterschied mehr zur Kontrollgruppe.

Als Fruchtbarkeits-Parameter
 greift Motilität allein zu kurz

„Zum Glück ist die Motilität der Spermien nicht der einzige Faktor, der für die Fruchtbarkeit eine Rolle spielt“, sagte Prof. Miserez. Eine eindeutige Erklärung für das Phänomen hatte der Hernienspezialist allerdings nicht. „Dass dieser (temporäre) Effekt auf eine vasale Obstruktion zurückgeht, ist eher unwahrscheinlich“, kommentierte der Experte mit Blick auf die unauffälligen Ultraschallbefunde.


Eher denkbar sei eine lokale oder systemische Reaktion auf die in Composite-Materialien häufig enthaltenen Weichmacher. „In etlichen Netzimplantaten werden Phthalate als Weichmacher eingesetzt, die sich ungünstig auf die Fruchtbarkeit auswirken können.“ Bislang würden die Netzhersteller nicht immer Auskunft über den Phthalatanteil ihrer Produkte geben. Die Daten zeigen, dass Patienten nach einer Netzimplantation über einen längeren Zeitraum beobachtet werden sollten – auch im Hinblick auf die Fruchtbarkeit.


Quelle: 11. Hernientage, Hamburg, 2014

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