Spritzentechnologie: Die Insulintherapie wird immer digitaler

Dr. Anna-Lena Krause

Smart-Pens (links) übertragen automatisch und drahtlos die zuletzt gespritzte Insulinmenge mit Datum und Uhrzeit an ein digitales Tagebuch. Beim Flash-Glukose-Messsystem (rechts) muss der Sensor alle zwei Wochen ausgetauscht werden. Der Patient kann ihn selbst ins Unterhautfettgewebe stechen. Smart-Pens (links) übertragen automatisch und drahtlos die zuletzt gespritzte Insulinmenge mit Datum und Uhrzeit an ein digitales Tagebuch. Beim Flash-Glukose-Messsystem (rechts) muss der Sensor alle zwei Wochen ausgetauscht werden. Der Patient kann ihn selbst ins Unterhautfettgewebe stechen. © BVMed; Emperra GmbH

Sich Insulin aus Ampullen zu spritzen, gehört längst der Vergangenheit an. Heute kann die Diabetestherapie nahezu vollautomatisch laufen. Dabei wird eine Flut an persönlichen Daten übertragen.

Smart Pens

Eine Weiterentwicklung digitaler Pens sind die sog. Smart-Pens. Die speichern die injizierte Insulinmenge und übertragen sie in die Smartphone-App bzw. Computer-Software. Zusammen mit den Glukosewerten und gegessenen Kohlenhydrateinheiten kann der Patient eine automatische Blutzuckerdokumentation erstellen und sich vielleicht in Zukunft per Bolusrechner einen Therapievorschlag anzeigen lassen, schreibt Diabetesberaterin DDG* Corinna Lorenz aus Bad Mergentheim. Durch die feinere Dosierung lässt sich das Insulin nahezu bedarfsgerecht ohne Auf- und Abrunden injizieren.

Pumpen

Die kontinuierliche subkutane Insulininfusion hat nichts mehr mit einer immer gleichbleibenden Substitution zu tun. Neuere Modelle verfügen über bis zu acht verschiedene programmierbare Basalratenmus­ter. Ändert sich der Insulinbedarf durch Stress, Krankheit oder Sport kurzfristig, lässt sich dieser mit einer Zusatzfunktion, der Temporären Basalrate, ausgleichen. Für die Mahlzeitenboli gibt es drei Optionen: Entweder die sofortige Injektion, z.B. nach dem Stück Torte, ein verzögerter bzw. verlängerter Bolus nach dem Gemüsecurry oder eine Kombination aus beiden Modi nach der Pizza.

Wie die Pens können auch die Pumpen Daten zur Insulintherapie per Funk, Bluetooth oder USB-Kabel an ein Endgerät übertragen. Hinzu kommen weitere Funktionen wie Kindersicherung, Alarm bei Verstopfung oder schwacher Batterie. Eingesetzt werden sie vor allem bei Typ-1-Diabetes.

Big Pharma is watching you

Aktuell wird daran gearbeitet, die gegessenen Kohlenhydrateinheiten per Kamera auszuwerten. Auch die per Armband gemessene körperliche Aktivität soll zukünftig Daten für das Therapie­management liefern. Schon jetzt gibt es weltweit über 5500 Diabetes-Apps. Aber welche davon sind hinsichtlich des Datenschutzes unbedenklich? Eine von einem Rechtsanwalt erstellte Checkliste finden Sie hier. Zudem gibt es ein Prüfsiegel der Diabetesverbände namens DiaDigital.

Flash-Glukose-Messsysteme

Der Patient sticht sich eine Sensornadel selbst ins Unterhautfettgewebe seines Oberarms, darüber klebt er ein Pflaster mit einem Transmitter. Nach zwei Wochen muss das Ganze ersetzt werden. Um die Gewebezuckerkonzentration auszulesen, wird ein Lesegerät oder Smartphone mit entsprechender App benötigt. Die neueren Geräte verfügen zudem über eine Alarmfunktion, die auslöst, falls der Wert zu hoch oder zu niedrig ist. Vom G-BA werden diese Systeme nicht als Hilfsmittel anerkannt. Aufgrund der Vorteile gegenüber der kapillären Blutzuckermessung (weniger Hypos und Kosten, mehr Lebensqualität) übernehmen viele Krankenkassen die Kosten jedoch freiwillig, zumindest teilweise.

Closed-Loop-Systeme

Das ideale Closed-Loop-System, bei dem ein Langzeit-Glukosesensor und eine Insulinpumpe völlig autonom miteinander interagieren, gibt es leider noch nicht, aber man ist auf einem guten Weg dorthin. Eines dieser Kombinationssysteme ist die sensorunterstützte Pumpentherapie (SUP). Unterschreitet der im Unterhautfettgewebe des Oberarms gemessene Glukosewert einen kritischen Bereich, schlägt die Pumpe Alarm. Reagiert der Patient nicht darauf, schaltet sich die Basalinsulinzufuhr automatisch für bis zu zwei Stunden ab. Diese Funktion soll vor allem vor nächtlicher Unterzuckerung schützen. Es gibt auch Geräte, die mithilfe eines Algorithmus schon früh vor einer drohenden Hypoglykämie warnen. Der Sensor der Langzeitsysteme wird mit einem kleinen Schnitt unter die Haut transplantiert und bleibt dort bis zu 180 Tage. Die Entfernung erfolgt ebenfalls chirurgisch. Bei medizinischer Notwendigkeit werden die Kosten für das Langzeit-Messsystem von der Krankenkasse übernommen.
Indikationen

Kontinuierliche
Glukosemessung
Kontinuierliche subkutane Insulininfusion
  • hoher HbA1c, hohe glykämische Variabilität oder (schwere) Hypo­glykämien bzw. bei einer Wahrnehmungsstörung
  • Schwangerschaft(-swunsch) bei Typ-1-Diabetikerinnen
  • Säuglinge mit (neonatalem) Diabetes, Kleinkinder, Kinder und Jugendliche
  • Komorbiditäten, die die Stoffwechseleinstellung erschweren
  • berufliche Indikationen (mit detaillierter Einzelfallbegründung)
  • „Hypoangst“, besondere Lebenssituation, z.B. Verlust des Führerscheins aufgrund schwerer Hypos
  • oft unregelmäßiger Tagesablauf (z.B. Schichtarbeit), variierende körperliche Aktivität oder Pro­bleme bei der Durchführung einer intensivierten konventionellen Therapie
  • zu Beginn einer Schwangerschaft oder bei geplanter Schwangerschaft
  • geringer Insulinbedarf
  • unzureichende glykämische Kon­trolle unter intensivierter konventioneller Therapie
Hybrid-Closed-Loop-Systeme erlauben eine partielle automatische Insulinabgabe. Je nach aktuellem Gewebeglukosewert wird die Bolusmenge alle fünf Minuten angepasst. Blutzuckerschwankungen werden dadurch minimiert. Die Abgabe des Mahlzeiteninsulins steuert der Patient selbst. Das erste offizielle derartige Produkt ist in Deutschland noch nicht zulassen. Da einige Patienten mit Typ-1-Dia­betes nicht länger warten wollen, ist eine Do-it-yourself-Bewegung unter dem Motto #wirwartennicht entstanden. Das Closed-Loop-System Marke Eigenbau heißt Open Artificial Pancreas System. Hierfür werden verfügbare Sensoren und Pumpen miteinander kombiniert, die nötigen Steueralgorithmen kann sich der Patient aus dem Internet herunterladen. Die Herstellerhaftung der einzelnen Komponenten erlischt allerdings.

* Deutsche Diabetes Gesellschaft

Quelle: Lorenz C. Ern Umsch 2019; 6: 41-48

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Smart-Pens (links) übertragen automatisch und drahtlos die zuletzt gespritzte Insulinmenge mit Datum und Uhrzeit an ein digitales Tagebuch. Beim Flash-Glukose-Messsystem (rechts) muss der Sensor alle zwei Wochen ausgetauscht werden. Der Patient kann ihn selbst ins Unterhautfettgewebe stechen. Smart-Pens (links) übertragen automatisch und drahtlos die zuletzt gespritzte Insulinmenge mit Datum und Uhrzeit an ein digitales Tagebuch. Beim Flash-Glukose-Messsystem (rechts) muss der Sensor alle zwei Wochen ausgetauscht werden. Der Patient kann ihn selbst ins Unterhautfettgewebe stechen. © BVMed; Emperra GmbH